Baurecht Info - 06.2018

3.06.2018
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Abwasserbeitrag:

Beitragspflicht entsteht erst, wenn Kanal rechtssicher an das Abwassernetz angeschlossen ist

| Die Stadt und der AZV streiten über das Recht zur Erhebung von Abwasserbeiträgen im Gemeindegebiet der Stadt. Der AVZ (Beklagter) hatte für das Grundstück der Stadt (Klägerin) einen Abwasserbeitrag festgesetzt. |

Das Verwaltungsgericht (VG) Halle hat die Bescheide des Beklagten aufgehoben. Begründung: Die Beitragspflicht sei noch nicht entstanden. Nach der Rechtsprechung sei ein Grundstück erst erschlossen, wenn der Anschluss in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht auf Dauer gesichert sei. Dafür sei erforderlich, dass er vom zu erschließenden Grundstück auf dem gesamten Weg bis zum Klärwerk ununterbrochen in seinem rechtlichen Bestand gesichert sei. Wenn er – wie hier – über Grundstücke verläuft, die im Eigentum Dritter stehen, müsse sein rechtlicher Bestand durch Eintragung einer Baulast oder Grunddienstbarkeit dauerhaft gesichert sein. Sonst fehle es an einer auf Dauer gesicherten Inanspruchnahmemöglichkeit. Die erforderliche rechtliche Sicherung könne auch nicht durch eine Widmung ersetzt werden. Diese gewährleistet nicht dauerhaft das Leitungsrecht über Privatgrundstücke.

Genau das aber war hier der Fall. Der Beitragsanspruch sei bereits wegen der fehlenden rechtlichen Sicherung nicht entstanden. Da er aber auch erst ab der rechtlichen Sicherung des Kanals entstehen kann, kann er erst zu dem Zeitpunkt entstehen, an dem sie umgesetzt ist. Denn: Der Vorteil entsteht erst mit der rechtlichen Sicherung des öffentlichen Kanalnetzes.

Quelle | VG Halle, Urteil vom 15.2.2018, 4 A 75/16 HAL, Abruf-Nr. 201312 unter www.iww.de.


Architektenrecht:

Richter können Prozess durch „Ohrenschein“ entscheiden

| Gibt es keine technische Norm, die eine beklagte Mangelerscheinung regelt, kann ein Gericht mittels „Ohrenschein“ ermitteln, ob der Mangel wirklich vorliegt. |

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) München festgestellt. Im konkreten Fall hatte der Käufer einer „Eigentumswohnung mit hochwertiger Ausstattung“ und ruhiger Innenhoflage moniert, dass der Estrich im Obergeschoss Dröhngeräusche abgab. Für ihn war die Wohnung deshalb funktionsuntüchtig. Das Dröhnen stehe im Widerspruch mit der hochwertigen Ausstattung und der versprochenen ruhigen Innenhoflage.

Der vom Gericht festgelegte Ortstermin ergab zunächst, dass die Ausführung den technischen Regelwerken entsprach. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass das nur für wenige Menschen hörbare Dröhnen in keinem technischen Regelwerk geregelt war. Folglich blieb dem Gericht nur, nach „eigenem Ohrenschein“ zu urteilen. Da aber nur ein Teil der Richter das Dröhnen wahrnahm, entschied das Gericht, dass kein Mangel vorlag. Das Dröhnen lag unterhalb der Zumutbarkeitsschwelle.

Quelle | OLG München, Urteil vom 8.8.2017, 9 U 3652/16 Bau, Abruf-Nr. 200789 unter www.iww.de.


Haftungsrecht:

Bauüberwacher muss auf Vergaberecht achten

| Wird eine Baumaßnahme öffentlich gefördert und muss der Auftraggeber nach dem Zuwendungsbescheid das Vergaberecht beachten, haftet der bauleitende Ingenieur auf Schadenersatz, wenn auf seine Empfehlung hin Leistungen freihändig vergeben wurden und der Auftraggeber deshalb Zuschüsse zurückerstatten muss. |

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf mit Billigung des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden. Die Entscheidung macht deutlich, dass Haftungsgefahren drohen, wenn Vergaben bei öffentlich geförderten Projekten nicht streng nach Vergaberecht durchgeführt werden. Schon der kleinste formale Fehler kann dazu führen, dass die Förderbehörde Gelder zurückfordert. Dafür haftet dann – wie jetzt durch die Rechtsprechung klargestellt – derjenige Architekt oder Ingenieur, der das Verfahren begleitet.

Quelle | OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.8.2015, 23 U 13/13, Abruf-Nr. 200195 unter www.iww.de.


Kriegsaltlasten:

Wer trägt die Kosten für eine Bombenräumung auf Verdacht?

| Es kommt immer wieder vor, dass Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg geräumt werden müssen. Dies ist mit hohen Kosten verbunden. Wer aber muss für diese Kosten aufkommen, wenn sich nachträglich herausstellt, dass von der beseitigten Bombe gar keine Gefahr ausging? |

Über einen solchen Fall hatte das Landgericht (LG) Osnabrück zu entscheiden. In dem Fall bestand aufgrund alter Fotos der Verdacht, dass auf dem Gelände einer Eissporthalle in Osnabrück zwei Blindgänger liegen könnten. Auf Betreiben der Gefahrenabwehrbehörde wurden auf der Eisfläche Probebohrungen vorgenommen. Dabei wurde ein Metallgegenstand geortet. Also wurde ein 4 x 2 m großes Loch auf der Eislauffläche gegraben. Heraus kam, dass es sich bei dem Metallgegenstand um einen sog. „Zerscheller“ handelte. Das ist eine Bombe, die beim Aufprall zerbrochen und höchstens teilweise detoniert ist. Der Zünder war vom Bombenkörper abgetrennt.

Die Stadt Osnabrück forderte mit ihrer Klage von der Betreibergesellschaft der Eissporthalle Zahlung von Erbbauzinsen. Diese hielt dem Anspruch Gegenforderungen in Höhe von 88.488 EUR für die Wiederherstellung der Eisfläche entgegen.

Das Gericht gab der Betreibergesellschaft dem Grunde nach recht. Allerdings war ein Teil der Gegenforderungen verjährt. Der Betreibergesellschaft stehe ein Entschädigungsanspruch zu. Denn: Der ursprünglich bestehende Gefahrenverdacht hat sich nicht bestätigt. Der Verdachtsstörer erbringe ein Sonderopfer für die Allgemeinheit, um die vermeintliche Gefahr zu beseitigen. Daher ist er zu entschädigen.

Quelle | LG Osnabrück, Urteil vom 29.3.2018, 5 O 2410/17, Abruf-Nr. 201311 unter www.iww.de.

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