Familienrecht Info - 11.2018

1.11.2018
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Kindeswohl:

Ohne konkrete Kindeswohlgefährdung keine Auflagen des Gerichts zur Mediennutzung

| Liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Kindeswohl konkret gefährdet ist, darf das Familiengericht keine Auflagen erteilen, wie und in welchem Umfang das Kind Medien nutzen darf. |

Diese Klarstellung traf das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. im Fall der Eltern eines 9-jährigen Mädchens, die über das Aufenthaltsbestimmungsrecht stritten. Im Rahmen der Kindesanhörung ergab sich, dass das Mädchen freien Zugang zum Internet über Geräte der Mutter hatte und über ein eigenes Smartphone verfügte.

Das Amtsgericht hat das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Mutter übertragen und ihr zugleich aufgegeben, „feste Regeln, insbesondere verbindliche Zeiten und Inhalte hinsichtlich der Nutzung von im Haushalt verfügbaren Medien (insbesondere TV, Computer, Spielkonsole, Tablet) für das Kind zu finden“, umzusetzen und dem Gericht mitzuteilen. Darüber hinaus sollte dem Kind kein eigenes und frei zugängliches Smartphone mehr zur Verfügung gestellt werden. Die Auflage wurde bis zum 12. Geburtstag des Kindes befristet.

Das OLG hat die Auflagen aufgehoben. Weil staatliche Maßnahmen immer auch die Grundrechte der Eltern betreffen, seien hohe Anforderungen an einen Eingriff in die elterliche Personensorge zu stellen. Maßnahmen dürften nur getroffen werden, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl eines Kindes oder sein Vermögen gefährdet wird. Es müsse positiv festgestellt werden, dass bei weiterer Entwicklung der vorliegenden Umstände mit ziemlicher Sicherheit ein Schaden für das Kind eintreten werde. Die bloße Möglichkeit des Schadenseintritts rechtfertige dagegen keine eingreifende Maßnahme. Es sei nicht Aufgabe des Staates, die im Interesse des Kindeswohls objektiv beste Art der Sorgerechtsausübung – soweit eine solche überhaupt festgestellt werden kann – sicherzustellen, grenzt das OLG ab.

Die Anordnungen des Gerichts haben hier unberechtigt in die grundrechtlich geschützten Elternrechte der Mutter eingegriffen. Es sei nicht festgestellt worden, dass das Kind durch die Mediennutzung konkret gefährdet sei. Allgemeine Risiken der Nutzung smarter Technologien und Medien durch Minderjährige begründen nicht per se eine hinreichend konkrete Kindeswohlgefährdung. Medien- und Internetkonsum durch Kinder und Jugendliche bergen zwar Gefahren, denen Eltern geeignet begegnen müssten. Dies betreffe sowohl die zeitliche Begrenzung, als auch die inhaltliche Kontrolle. Äußerst fraglich sei jedoch, ob generell eine Schädlichkeit angenommen werden könne, wenn Kinder die Medien frei nutzen könnten. Zusammenfassend stellt das OLG fest: „Allein der Besitz eines Smartphones, Tablets, Computers oder Fernsehers mit oder ohne Internetzugang rechtfertigt … nicht die Annahme, dass Eltern durch die Eröffnung eines Zugangs ihr Kind schädigen. Dazu müssen im konkreten Einzelfall Anhaltspunkte hinzutreten, aus denen sich die konkrete Gefahr einer Schädigung ergeben.“

Nutzen Minderjährige digitale Medien, müsse dies zu ihrem Schutz gegebenenfalls pädagogisch begleitet werden. Hierbei ergeben sich jedoch individuelle Spielräume, die – solange keine konkrete Kindeswohlgefährdung vorliegt – innerhalb der jeweiligen Familien eigenverantwortlich festgelegt werden können. Es gilt insoweit auch für die Familiengerichte der Grundsatz der Nachrangigkeit staatlichen Eingreifens.

Quelle | OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 15.6.2018, 2 UF 41/18, Abruf-Nr. 202356 unter www.iww.de.


Sorgerecht

Kind ist Wechsel des Kindergartens nicht zumutbar

| Hat sich ein Kind im Kindergarten eingewöhnt, entspricht es regelmäßig nicht seinem Wohl, in einen anderen Kindergarten zu wechseln. |

So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Streit zweier Eltern, die sich nicht über die Wahl des Kindergartens für das gemeinsame Kind entscheiden konnten. Das Amtsgericht hatte daraufhin der Mutter die Entscheidungsbefugnis über die Kindergartenauswahl übertragen. Seitdem besucht das Kind einen Waldorfkindergarten. Das Rechtsmittel des Vaters gegen die Entscheidung blieb ohne Erfolg.

Die Richter erläuterten, dass einem Elternteil die Entscheidung in einer einzelnen Angelegenheit zu übertragen ist, wenn die Kindeseltern sich nicht einigen können. Maßgebendes Entscheidungskriterium ist dabei, wie bei allen Regelungen, die die elterliche Sorge betreffen, das Kindeswohl. Das Gericht trifft die Entscheidung, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes insgesamt am besten entspricht.

Aus den von den Kindeseltern jeweils bevorzugten Kindergärten ergibt sich keine Präferenz für die Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil. Dem Senat obliegt nicht die Entscheidung, ob die Position der Kindesmutter oder die des Kindesvaters zum Kindergarten des Kindes der Vorzug zu geben ist, solange beide Positionen vertretbar sind. Beide Kindeseltern haben vertretbare und nachvollziehbare Argumente für die von ihnen jeweils getroffene Wahl.

Gleichwohl ist der Kindesmutter die Entscheidungsbefugnis über die Kindergartenauswahl zu übertragen. Das folgt aus den inzwischen eingetretenen, tatsächlichen Gegebenheiten. Das Kind besucht nämlich seit längerer Zeit bereits den Waldorfkindergarten und hat sich dort eingelebt. Dass ein Wechsel des Kindergartens (und der zugrunde liegenden Pädagogik) sinnvoll ist, erschließt sich nicht ohne Weiteres und wird auch vom Kindesvater nicht thematisiert. Nach den Schilderungen der Beteiligten reagiert das Kind zunehmend empfindlich auf den Streit der Kindeseltern. Daher sollte ihm vermehrt Stabilität vermittelt werden und ihm gerade kein Wechsel des Kindergartens zugemutet werden.

Quelle | OLG Hamm, Beschluss vom 25.5.2018, 4 UF 154/17, Abruf-Nr. 204777 unter www.iww.de.

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