Steuerrecht Info - 07.2016

27.06.2016
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Aktuelle Gesetzgebung:

Bundestag beschließt Modernisierung des Besteuerungsverfahrens

| Der Bundestag hat den Gesetzentwurf zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens in der vom Finanzausschuss geänderten Fassung am 12.5.2016 angenommen. Wichtige (geplante) Neuregelungen werden auszugsweise vorgestellt. |

Automationsgestützte Bearbeitung

Nach dem Gesetzentwurf können die Finanzbehörden z. B. Steuerfestsetzungen ausschließlich automationsgestützt vornehmen, soweit kein Anlass dazu besteht, den Einzelfall durch Amtsträger zu bearbeiten.

Ein Anlass zur Bearbeitung soll insbesondere dann vorliegen, wenn der Steuerpflichtige Angaben, die nach seiner Auffassung Anlass für eine Bearbeitung durch Amtsträger sind, in einem dafür vorgesehenen Abschnitt oder Datenfeld der Steuererklärung macht (sogenanntes qualifiziertes Freitextfeld).

Elektronische Kommunikation

Die Bundesregierung möchte die elektronische Kommunikation ausbauen. Dies zeigt sich z. B. an folgenden geplanten Regelungen:

  • Verwaltungsakte (z. B. Steuerbescheide) können mit Einwilligung des Beteiligten oder der von ihm bevollmächtigten Person bekannt gegeben werden, indem sie zum Datenabruf durch Datenfernübertragung bereitgestellt werden.
  • Dem Gläubiger der Kapitalerträge kann seine Steuerbescheinigung elektronisch übersandt werden. Sie ist ihm aber weiterhin in Papierform zuzusenden, wenn er es verlangt.

Steuererklärungsfristen

Nicht steuerlich beratene Steuerpflichtige sollen zwei Monate mehr Zeit für die Erstellung bzw. Abgabe der Steuererklärung erhalten. Das heißt, die Abgabefrist soll vom 31.5. des Folgejahres auf den 31.7. verlängert werden. Für von einem Steuerberater angefertigte Erklärungen ist auch eine um zwei Monate verlängerte Frist geplant (= Ende Februar des Zweitfolgejahres).

Beachten Sie | In bestimmten Fällen kann das Finanzamt anordnen, dass Erklärungen vor Ende Februar des Zweitfolgejahres abzugeben sind. Die Abgabefrist soll vier Monate nach Bekanntgabe der Anordnung betragen.

Beispiel
Die Veranlagung hat für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum zu einer Abschlusszahlung von mindestens 25 Prozent der festgesetzten Steuer oder mehr als 10.000 EUR geführt.

Verspätungszuschlag

Die Regelungen zum Verspätungszuschlag sollen insgesamt neu gefasst werden. Erfreulich: Im Vergleich zum Regierungsentwurf wurde hier nachgebessert. So soll der Verspätungszuschlag bei einer Steuerfestsetzung von 0 EUR oder in Erstattungsfällen nicht automatisch anfallen. Eine Sanktion soll vielmehr im Ermessen der Finanzverwaltung liegen. Ferner wurde der Mindestverspätungszuschlag von monatlich 50 EUR auf 25 EUR reduziert.

Zudem ist eine Billigkeitsregelung für solche Fälle vorgesehen, in denen Steuerpflichtige bis zum Zugang einer nach Ablauf der allgemeinen Erklärungsfrist versandten Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung davon ausgehen konnten, nicht zur Abgabe verpflichtet zu sein (z. B. Rentner). Hier soll der Verspätungszuschlag erst vom Ablauf der in der Aufforderung bezeichneten Erklärungsfrist an berechnet werden.

Datenübermittlung durch Dritte

Viele Daten, die in der Einkommensteuererklärung anzugeben sind, liegen dem Finanzamt wegen entsprechender Datenübermittlungen Dritter (z. B. Mitteilungen der Arbeitgeber und der Kranken- oder Rentenversicherung) vor. Künftig sollen Steuerpflichtige auf eine eigenständige Deklaration dieser Daten verzichten können. Die von dritter Seite übermittelten Daten gelten dann als vom Steuerpflichtigen angegebene Daten.

Stellt sich nach dem Erlass des Steuerbescheids heraus, dass diese Daten zuungunsten des Steuerpflichtigen falsch waren, ist der Steuerbescheid zugunsten des Steuerpflichtigen aufzuheben oder zu ändern.

Beachten Sie | Dem Steuerpflichtigen soll es aber nach wie vor freistehen, in der Steuererklärung eigene Angaben zu machen. Weichen diese Angaben von den von dritter Seite übermittelten Daten ab, muss der Steuerfall durch einen Amtsträger geprüft werden.

Belegvorhaltepflichten

Belegvorlagepflichten sollen (weitestgehend) in Belegvorhaltepflichten mit risikoorientierter Anforderung durch die Finanzverwaltung umgewandelt werden. Z. B. soll die Zuwendungsbescheinigung für Spenden erst auf Anforderung der Finanzverwaltung vorgelegt werden müssen. Willigt der Steuerpflichtige ein, kann sogar auf die Belegvorhaltepflicht verzichtet werden, wenn der Zuwendungsempfänger die Zuwendung direkt elektronisch an die Finanzverwaltung meldet.

Beachten Sie | Die vorgesehene Aufbewahrungsfrist beträgt ein Jahr nach Bekanntgabe der Steuerfestsetzung.

Ermittlung der Herstellungskosten

Hinsichtlich des Umfangs der zu aktivierenden Herstellungskosten soll ein steuerliches Wahlrecht gesetzlich verankert werden. Konkret geht es um folgende Aufwendungen: angemessene Teile der Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie angemessene Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung.

Beachten Sie | Bilanzierende Steuerpflichtige müssen das Wahlrecht durch den vorgesehenen Übereinstimmungsvorbehalt in Handels- und Steuerbilanz einheitlich ausüben.

Inkrafttreten

Das Gesetz muss noch den Bundesrat passieren. Dies ist für Mitte Juni vorgesehen. Weitestgehend soll das Gesetz zum 1.1.2017 in Kraft treten. Allerdings sind zahlreiche Anwendungsregelungen zu beachten. So sollen z. B. die Regelungen zum Verspätungszuschlag grundsätzlich erstmals auf Steuererklärungen anzuwenden sein, die nach dem 31.12.2018 einzureichen sind. Die verlängerten Abgabefristen für Steuererklärungen sollen erstmals für Besteuerungszeiträume gelten, die nach dem 31.12.2017 beginnen.

Quelle | Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens, BT-Drs. 18/8434 vom 11.5.2016.

 


Kapitalanleger:

Darf die Bausparkasse Altverträge kündigen?

| Viele Bausparer haben noch hochverzinsliche Bausparverträge. Angesichts der Niedrigzinsphase gehen die Bausparkassen nun vermehrt dazu über, diese Altverträge zu kündigen. Dass eine Kündigung nicht immer rechtens ist, zeigen zwei Entscheidungen des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart. |

Das OLG hielt die Kündigung in beiden Fällen für unberechtigt. Die Bausparkasse könne sich nicht auf § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB berufen, wonach ein Darlehensnehmer das Darlehen zehn Jahre nach dessen vollständigem Empfang kündigen könne. Die Vorschrift sei auf Bausparverträge in der Ansparphase nicht anwendbar. Der bezweckte Schutz von Darlehensnehmern treffe auf das Passivgeschäft der Bausparkassen nicht zu. Sie hätten bei der Zinsfestlegung eine unerwünscht lange Laufzeit ausschließen müssen. Das OLG Stuttgart ließ die Revision zu, weil die Frage der Anwendung des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf zuteilungsreife Bausparverträge grundsätzliche Bedeutung hat und andere OLG (z. B. OLG Hamm) eine gegenteilige Auffassung vertreten.

Quelle | OLG Stuttgart, Urteil vom 4.5.2016, 9 U 230/15 sowie Urteil vom 30.3.2016, 9 U 171/15; OLG Hamm, Beschluss vom 30.12.2015, 31 U 191/15.

 


Außergewöhnliche Belastungen:

Heimunterbringung: Wann sind die Kosten als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig?

| Die Aufwendungen einer Heimunterbringung sind nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, wenn ein Steuerpflichtiger nur aus Altersgründen in ein Altenheim umgezogen ist und erst während des Heimaufenthalts krank und pflegebedürftig wird. Allein durch eine Einordnung in die Pflegestufe I verlieren die Aufwendungen nicht ihren Charakter als übliche Aufwendungen der Lebensführung, so das Finanzgericht (FG) Niedersachsen. |

Allerdings können die Voraussetzungen für den Abzug als außergewöhnliche Belastungen auch bei einer Heimunterbringung ausnahmsweise erfüllt sein – und zwar, wenn der Aufenthalt ausschließlich durch eine Krankheit veranlasst ist.

Das FG hat die Revision zur Fortbildung des Rechts zugelassen, da der Bundesfinanzhof in einem Urteil aus 2010 ausdrücklich offengelassen hat, ob die Kosten einer Heimunterbringung auch dann zu berücksichtigen sind, wenn ein Steuerpflichtiger erst nach dem Umzug in das Altenheim krank und pflegebedürftig geworden ist. Ferner ließen die Richter offen, ob und ggf. ab welcher Pflegestufe die Kosten für die Unterbringung eines pflegebedürftigen Steuerpflichtigen in einem Altenheim aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig entstanden sind.

Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 15.12.2015, 12 K 206/14, Rev. BFH VI R 3/16, Abruf-Nr. 146742 unter www.iww.de; BFH, Urteil vom 15.4.2010, VI R 51/09.

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