Verbraucherrecht Info - 06.2017

26.05.2017
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Haftungsrecht:

Wer jemanden grundlos mit Pfefferspray angreift, muss Schmerzensgeld zahlen

| Wird jemand grundlos in die Flucht geschlagen und verletzt sich dabei, liegt ein sogenannter Herausforderungsfall vor, der einen Schmerzensgeldanspruch nach sich ziehen kann. |

Der Beklagte ist Eigentümer eines mehrgeschossigen Büro- und Geschäftshauses. In dem Haus hat der Kläger Räume für seine Firma angemietet. Zwischen dem Kläger und dem Beklagten kam es bereits mehrfach zu Streitigkeiten wegen des Mietverhältnisses. Der Beklagte hatte daraufhin dem Mieter gegenüber ein Hausverbot für das gesamte Gebäude ausgesprochen. Einige Tage später trafen die beiden Männer erneut aufeinander. Dabei sprühte der Vermieter Pfefferspray in Richtung des Klägers. Am Folgetag traf der Kläger wiederum auf seinen Vermieter, als er gerade das Gebäude verlassen wollte. Aus Angst vor ihm lief er in Richtung der Straße. Dabei fiel er über die Bordsteinkante und stürzte auf die Fahrbahn. Er zog sich zwei Schürfwunden an der linken Hand und eine Schürfwunde am linken Oberarm zu. Zudem prellte er sich die linke Hüfte. Deshalb verlangte er von dem Vermieter 2.500 EUR Schmerzensgeld. Dieser weigerte sich zu zahlen. Er ist der Meinung, er sei berechtigt gewesen, das Hausverbot durchzusetzen. Außerdem trage der Kläger ein Mitverschulden.

Der Kläger erhob Klage vor dem Amtsgericht München. Der zuständige Richter sprach ihm Schmerzensgeld wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu, jedoch nur in Höhe von 800 EUR.

In dem Gerichtstermin wurde eine Videoaufzeichnung in Augenschein genommen. Wegen des Vorfalls am Vortag hatte der Kläger eine Videoaufzeichnung gestartet, bevor er das Gebäude verlassen hatte. Dazu stellt das Gericht Folgendes fest: Es ist unzweifelhaft zu erkennen, dass der Beklagte dem Kläger vor dem Gebäude auflauerte, ohne weitere Vorwarnung wild auf ihn zu stürmte, dabei laut „jetzt aber“ schrie und den Kläger in Richtung zur Straße verfolgte. Zur Überzeugung des Gerichts steht damit fest, dass der Beklagte den Kläger durch den Angriff mit anschließender Verfolgung zur Flucht veranlasste. Das Stolpern des Klägers sei durch die Verfolgung des Beklagten herausgefordert worden. Dies zumal der Beklagte auch noch ein Pfefferspray in der Hand gehalten habe. Der Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, das Hausverbot zu verhängen. Bei vermieteten Räumen sei alleine der Mieter Hausrechtsinhaber.

Das Gericht erachtete für die erlittenen Verletzungen des Klägers ein Schmerzensgeld in Höhe von 800 EUR als angemessen. Dabei hat es berücksichtigt, dass es sich nur um leichte und oberflächliche Schürfungen gehandelt hat. Die Hüftprellung hat sich in einem großen Bluterguss mit nicht unerheblichen Schmerzen über einen längeren Zeitraum hinweg manifestiert. Ein Mitverschulden des Klägers sei nicht ersichtlich.

Quelle | Amtsgericht München, Urteil vom 22.12.2016, 173 C 15615/16, Abruf-Nr. 193878 unter www.iww.de.


Haftungsrecht:

Umkehr der Beweislast bei grobem Behandlungsfehler eines Tierarztes

| Bei einem groben Behandlungsfehler ändert sich die Beweislast. Dann muss der Tierhalter nicht beweisen, dass der Tierarzt einen Fehler gemacht hat. Dies wird vielmehr vermutet und der Tierarzt muss sich entlasten. |

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Bundesgerichtshof (BGH). In dem Verfahren hatte eine Frau von einem Tierarzt wegen fehlerhafter Behandlung Schadenersatz verlangt. Sie hatte ihr Pferd wegen einer Verletzung am rechten hinteren Bein zur Behandlung vorgestellt. Der Tierarzt verschloss die Wunde, nahm aber keine weiteren Untersuchungen vor. Einige Tage später wurde eine Fraktur des verletzten Beines diagnostiziert. Die Operation der Fraktur gelang nicht, das Pferd wurde noch am selben Tag getötet. Das Pferd hatte durch den Tritt eines anderen Pferdes eine Fissur des Knochens erlitten, die sich zu einer vollständigen Fraktur entwickelt hatte.

Das Oberlandesgericht hat den Tierarzt dem Grunde nach verurteilt, der Tierhalterin Schadenersatz wegen der fehlerhaften Behandlung ihres Pferdes zu zahlen. Der Tierarzt habe einen groben Behandlungsfehler in Form eines Befunderhebungsfehlers begangen. Er hätte erkennen müssen, dass die Möglichkeit einer Fissur bestand. Hätte er weitere Untersuchungen vorgenommen, hätte sich die Fissur bestätigt.

Im Streitfall blieb ungeklärt, ob der grobe Behandlungsfehler dafür ursächlich war, dass sich das Pferd beim Aufstehen das Bein brach. Es kam daher darauf an, ob die Tierhalterin – wie es die Regel wäre – oder der Tierarzt die Beweislast hinsichtlich der Kausalität trägt.

Der BGH hat das Urteil des Oberlandesgerichts bestätigt. Die in der Humanmedizin entwickelten Rechtsgrundsätze hinsichtlich der Beweislastumkehr bei groben Behandlungsfehlern, insbesondere auch bei Befunderhebungsfehlern, sind auch im Bereich der tierärztlichen Behandlung anzuwenden. Beide Tätigkeiten beziehen sich auf einen lebenden Organismus. Bei der tierärztlichen Behandlung kommt – wie in der Humanmedizin – dem für die Beweislastumkehr maßgeblichen Gesichtspunkt eine besondere Bedeutung zu. Es soll ein Ausgleich dafür geschaffen werden, dass das Spektrum der für die Schädigung in Betracht kommenden Ursachen wegen der elementaren Bedeutung des Fehlers besonders verbreitert oder verschoben worden ist. Auch der grob fehlerhaft handelnde Tierarzt hat durch einen schwerwiegenden Verstoß gegen die anerkannten Regeln der tierärztlichen Kunst Aufklärungserschwernisse in das Geschehen hineingetragen. Damit hat er die Beweisnot aufseiten des Geschädigten vertieft. Dies soll durch die Beweislastumkehr ausgeglichen werden.

Quelle | BGH, Urteil vom 10.5.2016, VI ZR 247/15, Abruf-Nr. 186844 unter www.iww.de.


Produkthaftung:

Kein Schadenersatz nach Abfärben von Autoreifen auf Granitboden

| Färben eingelagerte Winterreifen auf den Granitboden einer Garage ab, besteht kein Anspruch auf Schadenersatz, sofern kein Konstruktions- oder Fabrikationsfehler vorliegt. |

Zu diesem Ergebnis kam das Amtsgericht Hannover im Fall eines Autofahrers. Der hatte an seinem Fahrzeug vier neue Winterreifen montiert. An den Reifen befand sich noch blaue Reifenmarkierungsfarbe. Der Mann parkte das Fahrzeug in den folgenden Tagen in seiner Garage, deren Boden mit Granitplatten ausgelegt ist. Nach einer Woche musste er feststellen, dass auf der Höhe der Standflächen aller vier Reifen blaue Farbe in den Granitboden eingezogen war. Der Mann musste ca. 2.200 EUR zahlen, um den Schaden zu beseitigen. Diesen Betrag verlangt er nun als Schadenersatz von dem Autohaus. Er sei beim Kauf des Fahrzeugs nicht darauf hingewiesen worden sei, dass die Reifenmarkierungsfarbe zu Verfärbungen an Granitböden führen könne.

Das Gericht hat ein Sachverständigengutachten eingeholt. Der Sachverständige hat festgestellt, dass die Verfärbungen an dem Granitboden auf das Ausblühen des in den Reifen vorhandenen Alterungsschutzmittels zurückzuführen sei. Der Sachverständige hat weiter ausgeführt, dass das Alterungsschutzmittel unverzichtbarer Bestandteil des Reifens sei. Die Reifen seien nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft und Technik hergestellt worden.

Aus diesem Grunde ist das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass kein Konstruktions- oder Fabrikationsfehler der Reifen vorliegt. Es hat die Klage insgesamt abgewiesen. Zwar ist der Hersteller verpflichtet, den Verwender eines Produkts vor denjenigen Gefahren zu warnen, die bei bestimmungsgemäßem Gebrauch oder naheliegendem Fehlgebrauch drohen. Dennoch war die Beklagte hier nicht verpflichtet, den Autofahrer darauf hinzuweisen, dass der Reifen Flecken auf dem Granitboden hinterlassen könnte. Denn bei dem in der Garage verlegten Boden handelte es sich um einen Granitboden – also einen offenporigen Naturstein. Der ist keineswegs alltäglich in Garagen zu finden, da er sehr hochwertig und sehr teuer ist.

Quelle | Amtsgericht Hannover, Urteil vom 10.3.2017, 520 C 1372/15, Abruf-Nr. 192811 unter www.iww.de.


Autokauf:

Augen auf beim Autokauf: Betrügerische Maschen beim An- und Verkauf

| Eine per E-Mail übersandte Bestätigung eines Überweisungsauftrags kann gefälscht sein. Allein ein Überweisungsauftrag lässt regelmäßig nicht erkennen, dass das vermeintlich angewiesene Geld auch tatsächlich auf dem Empfängerkonto ankommen wird. |

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamm. Geklagt hatte ein Mann, der seinen Pkw Mercedes Benz E 200 CDI für 26.800 EUR an einen Herrn M verkauft hatte. In den Fahrzeugpapieren war die Ehefrau des Klägers als Halterin vermerkt. Ein persönlicher Kontakt zwischen den Kaufvertragsparteien fand nicht statt. Auf eine Verkaufsanzeige des Klägers im Internet hatte sich – dies ergaben die späteren Ermittlungen – ein Dritter unter dem Namen des Herrn M beim Kläger gemeldet. In dem schriftlichen Kaufvertrag wurde Herr M als Käufer genannt. Der Kaufpreis sollte auf das Konto des Klägers überwiesen werden. Noch am Tage der Vertragsunterzeichnung erhielt der Kläger eine gefälschte Bankbescheinigung. Darin wurde bestätigt, dass Herr M den Kaufpreis auf das Konto des Klägers überwiesen habe. Im Vertrauen hierauf händigte der Kläger dem beauftragten Transportunternehmen das Fahrzeug nebst Schlüsseln und Papieren aus. Den Kaufpreis erhielt der Kläger nicht.

Bereits zuvor, wenige Tage nach der Abgabe des Fahrzeugs durch den Kläger, kaufte der Beklagte aus Gelsenkirchen das Fahrzeug auf einem Gebrauchtwagenmarkt in Essen. Den Kaufpreis von 15.500 EUR zahlte er bar an den Verkäufer. Der hatte einen serbischen Reisepass vorgezeigt. Mit dem Fahrzeug übernahm der Beklagte die Fahrzeugpapiere und Schlüssel. Als der Beklagte den Pkw anmelden wollte, wurde das mittlerweile zur Fahndung ausgeschriebene Fahrzeug von der Polizei sichergestellt.

Die Parteien stritten daraufhin über das Eigentum an dem Fahrzeug. In erster Instanz hat das Landgericht Essen das fortbestehende Eigentum des Klägers bestätigt und einen gutgläubigen Erwerb des Beklagten verneint. Die Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil ist erfolglos geblieben.

Das OLG hat die Parteien in der mündlichen Berufungsverhandlung angehört. Es hat dann darauf hingewiesen, dass die Berufung keinen Erfolg haben wird. Der Kläger habe, so der Senat, das Eigentum an dem Mercedes Benz nicht verloren:

  • Es liege keine wirksame Übereignung an den im Kaufvertrag genannten Herrn M vor. Dieser habe das Vertretergeschäft nicht bevollmächtigt und auch nicht nachträglich genehmigt. Zudem sei im Vertrag ein Eigentumsvorbehalt vereinbart gewesen.
  • Der Beklagte seinerseits habe das Eigentum an dem Fahrzeug bei seinem späteren Erwerbsgeschäft nicht gutgläubig erworben. Weil die Ehefrau des Klägers und nicht der Verkäufer als Fahrzeughalter in den Fahrzeugpapieren eingetragen gewesen sei, hätte der Beklagte nachforschen müssen. Dieser Nachforschungspflicht sei er nicht ausreichend nachgekommen. Er habe letztlich allein einer nicht überprüften Äußerung des Verkäufers geglaubt, nach welcher dieser das Fahrzeug von einer Frau erworben habe, die es unbedingt habe verkaufen wollen.

Nach dem rechtlichen Hinweis des OLG hat der Beklagte die Berufung in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

Quelle | OLG Hamm, 5 U 69/16 OLG Hamm, beendet mit der Rücknahme der Berufung am 5.12.2016.

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