Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht Info - 08.2018

1.08.2018
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Aufsichtsrat:

Mitbestimmungsintensität der Arbeitnehmer richtet sich allein nach der Zahl der im Inland Beschäftigten

| Für die Entscheidung, ob sich die Mitbestimmung der Arbeitnehmer nach dem sog. Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG) oder nach dem Mitbestimmungsgesetz (MitbestimmungsG) richtet, ist allein die Zahl der im Inland beschäftigten Arbeitnehmer entscheidend. |

Das folgt aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt a. M. Der Antragsteller des Verfahrens ist Aktionär einer im Bereich der Arzneimittelproduktion tätigen Aktiengesellschaft (AG). Im Aufsichtsrat der AG sitzen derzeit 1/3 Arbeitnehmervertreter auf Basis des DrittelbG. Der Antragsteller ist der Ansicht, die Arbeitnehmer müssten paritätisch neben den Anteilseignern mit der Hälfte der Sitze vertreten sein (MitbestimmungsG). Er hat ein sog. gerichtliches Statusverfahren eingeleitet und beantragt, über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats gerichtlich zu entscheiden.

Der Antrag wurde in allen Instanzen zurückgewiesen. Das OLG wies darauf hin, dass der Aufsichtsrat zutreffend nach den Grundsätzen des DrittelbG gebildet worden sei. Für die Berechnung der maßgeblichen Anzahl der Arbeitnehmer komme es allein auf die im Inland beschäftigten Arbeitnehmer an.

Maßgeblich für den Anteil der im Aufsichtsrat vertretenen Arbeitnehmer sei die Anzahl der Beschäftigten. Übersteige diese den Schwellenwert von 2000, sei das MitbestimmungsG anwendbar und eine paritätische Besetzung vorgeschrieben. Liege sie darunter, belaufe sich der Anteil nach den Vorgaben des DrittelbG auf ein Drittel. Die Zahl der Arbeitnehmer der AG überschreite hier nur dann die Schwelle von 2000, wenn man neben den im Inland beschäftigten Arbeitnehmern auch die Beschäftigten mitberücksichtige, die in ausländischen Tochtergesellschaften der AG tätig sind.

Der Wortlaut des MitbestimmungsG spreche zwar allein von Arbeitnehmern, ohne zwischen inländischen und ausländischen Betrieben zu unterscheiden. Das Gesetz nehme aber auf das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) Bezug. Dort „gilt jedoch seit jeher das Territorialprinzip“, führt das OLG zur Begründung aus. Daher seien ausschließlich die im Inland Beschäftigten maßgeblich. Dies entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers. Die vom Antragsteller angeführte Gefahr, dass so weitere Anreize zur Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland geschaffen würden, stehe dieser Auslegung nicht entgegen. Die Frage der Mitbestimmung dürfte bei der Standortwahl auch nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Es verstoße auch nicht gegen Europarecht, wenn die Arbeitnehmer in ausländischen Betrieben bei der Zählweise nicht berücksichtigt würden. Eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit scheide aus. Die Zählweise wirke sich allgemein auf die Mitbestimmungsintensität der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat aus. Sie treffe damit inländische und ausländische Arbeitnehmer gleichermaßen.

Der deutsche Gleichheitssatz werde ebenfalls nicht berührt. Aktives und passives Wahlrecht zum Aufsichtsrat stünden – aus Gründen des Territorialprinzips – allein im Inland beschäftigten Arbeitnehmern zu. Folglich sei es auch sachgerecht, den Umfang der Mitbestimmung an der Anzahl dieser Wahlberechtigten auszurichten.

Quelle | OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 25.5.2018, 21 W 32/18, Abruf-Nr. 201944 unter www.iww.de.


Umsatzsteuerzahler:

Kleinunternehmerregelung: Zur Anwendung bei Differenzbesteuerung

| Der Europäische Gerichtshof soll auf Vorlage des Bundesfinanzhofs (BFH) klären, ob für die Anwendung der umsatzsteuerlichen Kleinunternehmerregelung in Fällen der Differenzbesteuerung auf den vollen Verkaufspreis oder die geringere Handelsspanne abzustellen ist. |

Hintergrund: Kleinunternehmer müssen keine Umsatzsteuer in Rechnung stellen, wenn der Umsatz im laufenden Jahr voraussichtlich maximal 50.000 EUR beträgt und im Vorjahr nicht mehr als 17.500 EUR betragen hat.

Die Differenzbesteuerung betrifft typischerweise Waren, die ein Wiederverkäufer von Nicht- oder Kleinunternehmern und damit ohne Umsatzsteuerausweis erworben hat. Die Umsatzbesteuerung ist auf die Marge, d. h. auf die Differenz zwischen dem Ein- und Verkaufspreis, beschränkt. Die Differenzbesteuerung ist insbesondere bedeutsam im Secondhandgeschäft, beim Gebrauchtwagenhandel und im Kunst- und Antiquitätengeschäft.

Sachverhalt: In 2009 und 2010 betrugen die Umsätze eines Gebrauchtwagenhändlers (K) bei Berechnung nach Verkaufspreisen 27.358 EUR und 25.115 EUR. Die Bemessungsgrundlage ermittelte K aber nach der Differenz zwischen Verkaufs- und Einkaufspreis mit 17.328 EUR und 17.470 EUR. K nahm deshalb an, dass er Kleinunternehmer sei und keine Umsatzsteuer schulde. Das Finanzamt folgte dem nicht, da der Gesamtumsatz in 2009 (gemessen an den vereinnahmten Entgelten) über der Grenze von 17.500 EUR lag.

Der BFH hält eine Klärung durch den Europäischen Gerichtshof für erforderlich. Er neigt jedoch dazu, auf die Differenzbeträge abzustellen.

Quelle | BFH, Beschluss vom 7.2.2018, XI R 7/16, Abruf-Nr. 201749 unter www.iww.de.


Kapitalgesellschaften:

Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer ist regelmäßig sozialversicherungspflichtig

| Kann der Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH ihm unliebsame Entscheidungen nicht verhindern, ist er als abhängig Beschäftigter anzusehen und unterliegt der Sozialversicherungspflicht. |

Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) aktuell in zwei Verfahren bestätigt. Das Gericht erläuterte, dass ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH nur dann nicht abhängig beschäftigt ist, wenn er die Rechtsmacht besitzt, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen. Das ist regelmäßig der Fall, wenn er mehr als 50 Prozent der Anteile am Stammkapital hält.

Ist der Geschäftsführer kein Mehrheitsgesellschafter, ist eine abhängige Beschäftigung ausschließende Rechtsmacht ausnahmsweise auch dann anzunehmen, wenn

  • er exakt 50 Prozent der Anteile hält oder
  • bei einer noch geringeren Kapitalbeteiligung kraft ausdrücklicher Regelungen im Gesellschaftsvertrag über eine umfassende (echte/qualifizierte) Sperrminorität verfügt, sodass er ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern kann.

In beiden aktuellen Fällen betonte das BSG zudem, dass es nicht darauf ankommt, dass ein Geschäftsführer im Außenverhältnis weitreichende Befugnisse hat und ihm häufig Freiheiten hinsichtlich der Tätigkeit (z. B. bei den Arbeitszeiten) eingeräumt werden. Entscheidend ist vielmehr der Grad der rechtlich durchsetzbaren Einflussmöglichkeiten auf die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung.

Merke | Schuldrechtliche Vereinbarungen außerhalb des Gesellschaftsvertrags sind regelmäßig ungeeignet, um den sozialversicherungsrechtlichen Status eines Gesellschafter-Geschäftsführers zu gestalten. Dies ergibt sich u. a. aus den Entscheidungen des BSG aus 2015.

Quelle | BSG, Urteil vom 14.3.2018, B 12 KR 13/17 R, Abruf-Nr. 200204 unter www.iww.de; BSG Urteil vom 14.3.2018, B 12 R 5/16 R, Abruf-Nr. 200205 unter www.iww.de; BSG, Urteil vom 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R zum Stimmbindungsvertrag; BSG, Urteil vom 11.11.2015, B 12 KR 10/14 R zum Vetorecht.


Kapitalgesellschaften:

Darlehensausfall führt zu negativen Einkünften aus Kapitalvermögen

| Im Oktober 2017 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung nach Einführung der Abgeltungsteuer zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust in der privaten Vermögenssphäre führt. Nun hat das Finanzgericht Münster nachgelegt: Auch ein Darlehensverlust eines Gesellschafters einer GmbH ist bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen. |

Ein steuerbarer Verlust aufgrund eines Forderungsausfalls liegt laut BFH allerdings erst vor, wenn endgültig feststeht, dass (über bereits gezahlte Beträge hinaus) keine (weiteren) Rückzahlungen (mehr) erfolgen werden. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners reicht hierfür in der Regel nicht aus.

Etwas anderes gilt, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird oder aus anderen Gründen feststeht, dass keine Rückzahlung mehr zu erwarten ist.

Ob auch der Forderungsverzicht einer Veräußerung gleichzustellen ist, hatte der BFH offengelassen. Nach Auffassung des Finanzgerichts Münster ist dies der Fall. Im Streitfall ging es um den endgültigen Ausfall eines Darlehens, das der Gesellschafter seiner GmbH gewährt hatte. Das Finanzgericht sah hierin einen steuerlich verwertbaren Verlust.

Praxistipp | Da gegen die Entscheidung des Finanzgerichts die Revision anhängig ist, wird der BFH also bald auch zu dieser Konstellation entscheiden. Die Chancen auf eine steuerzahlerfreundliche Entscheidung stehen gut.

Quelle | FG Münster, Urteil vom 12.3.2018, 2 K 3127/15 E, Rev. BFH Az. IX R 9/18, Abruf-Nr. 201612 unter www.iww.de; BFH, Urteil vom 24.10.2017, VIII R 13/15

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