Verbraucherrecht Info - 12.2020

14.12.2020
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Volljähriges Kind:

Kindergeldanspruch beim Freiwilligendienst „Erasmus+“

| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass Eltern für ein Kind, das an einem Freiwilligendienst im Rahmen des Europäischen Programms „Erasmus+“ teilnimmt, nur dann Kindergeld erhalten, wenn der Dienst im Rahmen eines von einer Nationalen Agentur genehmigten Projekts durchgeführt wird. |

Ein Kind absolvierte nach dem Ende seiner Schulausbildung ab September 2018 einen Freiwilligendienst im Europäischen Ausland bei einer Organisation, die als Veranstalter für das von der Europäischen Union eingerichtete Programm „Erasmus+“ registriert und akkreditiert war. Die Familienkasse lehnte die Weitergewährung von Kindergeld ab. Die dagegen vom Vater eingelegte Klage war vor dem Finanzgericht (FG) Sachsen erfolgreich. Auf die Revision der Familienkasse hat der BFH das Urteil nun aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen.

Kinder können wegen der Teilnahme an einem Freiwilligendienst gemäß Einkommensteuergesetz (§ 32 EStG) für das Kindergeld nur berücksichtigt werden, wenn es sich hierbei um die konkret im EStG und in Verbindung mit den dort genannten Bestimmungen umschriebenen Dienste handelt. Ein Freiwilligendienst im Rahmen des Programms „Erasmus+“ kann deshalb nur zur Gewährung von Kindergeld führen, wenn er nach Maßgabe einer EU-Verordnung und den entsprechenden Durchführungsbestimmungen dargelegten Voraussetzungen erfüllt. Es muss sich danach um eine Tätigkeit im Rahmen eines geförderten Projekts handeln.

Ein solches Projekt liegt aber nur vor, wenn es von einer entsprechenden Nationalen Agentur genehmigt worden ist. Nicht ausreichend ist, dass eine Organisation für ein Programm „Erasmus+“ lediglich registriert und akkreditiert ist. Weil das FG keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob das Kind im Rahmen eines von der Nationalagentur anerkannten Projekts tätig geworden ist, konnte der BFH nicht abschließend entscheiden und hat die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen.

Quelle | BFH, Urteil vom 1.7.2020, III R 51/19, Abruf-Nr. 218441 unter www.iww.de; PM Nr. 45/2020 vom 22.10.2020


Fluggastrechte:

Entschädigung muss in der Landeswährungdes Gastes gezahlt werden

| Ein Fluggast, dessen Flug annulliert wurde oder erheblich verspätet war, oder sein Rechtsnachfolger hat Anspruch darauf, die Zahlung der in der Fluggastrechteverordnung genannten Ausgleichsleistung in der an seinem Wohnort geltenden Landeswährung zu erhalten. Das hat jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden. |

Hintergrund war ein Fall, in dem der Fluggast seine Entschädigung von 400 Euro an eine polnische Gesellschaft abgetreten hat, die nachfolgend 1.698,64 Zloty verlangte. Die Fluggesellschaft wies den Antrag unberechtigterweise wegen des Verlangens einer Zahlung in Zloty zurück.

Quelle | EuGH, Urteil vom 3.9.2020, C-356/19, Abruf-Nr. 218375 unter www.iww.de


Fluggastrechte:

Vorgerichtliche Anwaltskosten sind zu erstatten

| Das ausführende Luftverkehrsunternehmen muss einem Fluggast, dem ein Ausgleichsanspruch nach der Fluggastrechteverordnung zusteht, auch die Kosten für die vorgerichtliche Geltendmachung des Anspruchs durch einen Rechtsanwalt ersetzen, wenn es die ihm nach der Fluggastrechteverordnung obliegende Informationspflicht verletzt hat. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit dieser Sichtweise Entscheidungen der Vorinstanzen korrigiert und eine weitere Streitfrage rund um die Massenverfahren der Fluggastrechte beantwortet. |

Im konkreten Fall ging es um Hin- und Rückflug, die eine Ankunftsverspätung von vier bzw. 25 Stunden hatten. Der Fluggast ließ die Ausgleichsleistung unmittelbar durch anwaltliches Schreiben fordern. Nachdem nicht gezahlt wurde, forderte er neben der Ausgleichsleistung auch Anwaltskosten von rund 335 Euro und zwar zu Recht, wie der BGH nun festgestellt hat.

Quelle | BGH, Urteil vom 1.9.2020, X ZR 97/19, Abruf-Nr. 218276 unter www.iww.de


Partnervermittlung:

Widerrufen schützt nicht vor Bezahlen

| Verlangt der Auftraggeber bei einem Partnerschaftsvermittlungsvertrag ausdrücklich, dass die Ausführung des Vertrags schon während der Widerrufsfrist beginnt, widerruft er den Vertrag dann aber, ist der von ihm geschuldete Betrag zeitanteilig zu berechnen. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) nun auf ein Vorabentscheidungsersuchen aus Deutschland entschieden. |

Beachten Sie | Nur wenn der Vertrag ausdrücklich vorsieht, dass eine oder mehrere der Leistungen gleich zu Beginn der Vertragsausführung vollständig und gesondert zu einem getrennt zu zahlenden Preis erbracht werden, ist der volle für eine solche Leistung vorgesehene Preis an den Partnerschaftsvermittler zu zahlen.

Quelle | EuGH, Urteil vom 8.10.2020, C-641/19, Abruf-Nr. 218376 unter www.iww.de


Opferentschädigungsgesetz:

Alkoholmissbrauch der Mutter in der Schwangerschaft

| Opferentschädigung kann nur verlangen, wer vor der Geburt durch den fortgesetzten Alkoholmissbrauch seiner Mutter in der Schwangerschaft dadurch geschädigt wird, dass die Grenze zum kriminellen Unrecht überschritten wird, der Alkoholmissbrauch also auf einen versuchten Abbruch der Schwangerschaft gerichtet ist. Das hat jetzt das Bundessozialgericht (BSG) entschieden. |

Die Klägerin ist schwerbehindert. Sie beantragte im Jahr 2009 erfolglos Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz. Begründung: Sie sei durch ein fetales „Alkohol-Syndrom“ aufgrund des Alkoholkonsums ihrer leiblichen Mutter in der Schwangerschaft geschädigt worden. Die Vorinstanzen haben die Klage nach Vernehmung der leiblichen Eltern als Zeugen abgewiesen, obwohl beide erheblichen mütterlichen Alkoholkonsum in der Schwangerschaft eingeräumt hatten.

Das BSG hat die Entscheidungen zwar im Ergebnis bestätigt. Es hat aber auch festgestellt, dass bereits die Leibesfrucht vom Schutzbereich des Opferentschädigungsgesetzes umfasst ist. Ein vorgeburtlicher Alkoholmissbrauch während der Schwangerschaft kann einen tätlichen Angriff auf das ungeborene Kind oder eine gleichgestellte Beibringung von Gift darstellen. Wichtig: Dies gilt jedoch nur, wenn der Alkoholkonsum einer Schwangeren auf einen versuchten Abbruch der Schwangerschaft gerichtet ist, also auf eine versuchte Tötung des ungeborenen Kindes.

Die Körperverletzungstatbestände gelten nach dem Willen des Gesetzgebers für die Schwangere nicht im Verhältnis zu ihrem ungeborenen Kind. Der nötige mindestens bedingte Vorsatz zum Abbruch einer Schwangerschaft war der Mutter der Klägerin hier nicht nachzuweisen. Aus dem Vorversterben zweier Geschwister nach der Geburt ergab sich nicht zwingend, dass die Mutter nun den Tod der ungeborenen Klägerin infolge ihres Alkoholkonsums als möglich angesehen und billigend in Kauf genommen hat.

Quelle | BSG, Urteil vom 24.9.2020, B 9 V 3/18 R, Abruf-Nr. 218883 unter www.iww.de; PM Nr. 21/20


Hausratversicherung:

Versicherungsbedingungen: Auf den Wortlaut kommt es an

| Die Auslegung von Versicherungsvertragsbedingungen ist oft komplex und nicht so eindeutig, wie sich die Versicherungsnehmer wünschen. Mitunter kann es in Streitfällen zu überraschenden gerichtlichen Entscheidungen kommen, wie kürzlich in Fällen des Amtsgerichts (AG) München und des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm. |

1. Hacken ist nicht Einbrechen

Brechen Diebe einen Pkw nicht auf, sondern öffnen ihn per Funksignal, stellt dies kein „Aufbrechen“ dar, da keine Gewalt angewendet wird. Folge: Die Hausratversicherung muss nicht für den Verlust von Gegenständen aus dem Innenraum aufkommen, so das AG München.

Der Eigentümer des Fahrzeugs hatte sein Auto geparkt und es nur für ca. fünf Minuten verlassen. Der Wagen hatte ein schlüsselloses „Keyless-Go-System“, das automatisch elektronisch verriegelt. In dieser Zeit entwendeten Diebe u.a. Koffer aus dem Pkw. Da es keine Zeichen für gewaltsames Eindringen gab, war der Pkw wohl mittels abgefangener Funksignale geöffnet worden.

Es liegt kein Fall für die Haftpflichtversicherung vor so sah es das AG: Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und der Definition des Duden umfasse ein „Aufbrechen“ die Anwendung von Gewalt. Auch wenn nach Auffassung des Gerichts nicht zwangsläufig eine Beschädigung der Sache erforderlich ist, falle unter „Aufbrechen“ nicht jedes unbefugte Öffnen mittels Verstärkung eines Funksignals oder Verwendung eines „falschen“ Funksignals. Aufgrund der Eindeutigkeit des Begriffs sei es auch nicht erforderlich, dass der Begriff in den Versicherungsbedingungen der Beklagten gesondert definiert werde. Dies könne nicht hinsichtlich jedes Begriffs erwartet werden.

2. Was bei der „Raubklausel“ zu beachten ist

Eine Hausratversicherung kann in ihren Versicherungsbedingungen festlegen, dass ein Raub außerhalb des Versicherungsorts nicht versichert ist. In einem Fall des OLG Hamm hatte der Täter dem völlig überraschten Versicherungsnehmer eine Schmuckkette vom Hals gerissen. Dieser hatte den Verlust zunächst nicht einmal bemerkt. Hier bestand kein Versicherungsschutz, so das OLG.

Denn das Abreißen der Kette sei keine Gewalt gewesen. Weder habe der Täter Widerstand überwinden müssen, noch sei das Anlegen und Verschließen einer Kette eine Art Diebstahlsicherung. Wäre der Versicherungsnehmer hingegen einen Schritt zurückgewichen, hätte die Sache schon anders aussehen können.

Quelle | AG München, Urteil vom 12.3.2020, 274 C 7752/19, Abruf-Nr. 218371 unter www.iww.de; OLG Hamm (Hinweis-)Beschluss vom 30.4.2020, 20 U 4/20, Abruf-Nr. 218030 unter www.iww.de


Sozialleistungen:

Bonuszahlung des Stromanbieters auf SBG-II Leistungsbezug anzurechnen

| Wechselt ein sog. Hartz IV-Bezieher den Stromanbieter und nimmt hierdurch einen Bonus als geldwerten Betrag in Empfang, muss er sich diesen als Einkommen anrechnen lassen und eine entsprechende Kürzung der Sozialleistung hinnehmen. Dies entschieden sowohl erstinstanzlich das Sozialgericht (SG) Dortmund als auch aktuell das Bundesarbeitsgericht (BAG). |

Der Kläger und seine Ehefrau wechselten während des SGB II-Leistungsbezugs den Stromanbieter. Der neue Energieversorger zahlte fünf Wochen nach Vertragsbeginn einen „Sofortbonus“ in Höhe von 242 Euro aus. Zu diesem Zeitpunkt waren die SGB II-Leistungen für den laufenden Monat schon überwiesen worden. Der Beklagte, das zuständige Jobcenter, hob die Leistungen für den nächsten Monat teilweise in Höhe von 91 Euro gegenüber dem Kläger auf. Der Sofortbonus wurde dabei hälftig unter Abzug eines Freibetrags von 30 Euro als Einkommen berücksichtigt. Das wollte der Kläger nicht hinnehmen. Doch seine Klage blieb ohne Erfolg.

Zur Begründung hat das Sozialgericht (SG) ausgeführt: Der Sofortbonus sei eine Einnahme in Geld und deshalb als Einkommen zu berücksichtigen. Auch sonst lasse sich nicht herleiten, dass Boni für den Abschluss eines neuen Versorgungsvertrags von der Einkommensanrechnung ausgenommen seien. Ausnahmen gebe es nur bei Rückzahlungen für Haushaltsenergie.

So sah es nun auch das Bundessozialgericht (BSG). Ein Bonus sei keine Rückerstattung. Der Antragsteller könne ihn frei verwenden. Der Stromanbieter habe ihn zudem unabhängig vom Stromverbrauch gezahlt. Folge: Es handelt sich um eine Einnahme, die als Einkommen zu berücksichtigen ist.

Quelle | BAG, Urteil vom 14.10.2020, B 4 AS 14/20 R, Abruf-Nr. 218882 unter www.iww.de

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