Gerichtsstandbestimmung:
Verbindliche Verweisung bei unstreitigem Vortrag zur Zuständigkeit nach AGB
| Wird in einer Klageschrift vorgetragen, dass die kaufmännischen Parteien unter Bezugnahme auf nicht vorgelegte AGB einen bestimmten Ort als ausschließlichen Gerichtsstand vereinbart haben, und bleibt dieser Vortrag auch nach dem Hinweis des Gerichts auf eine dann vorliegende Unzuständigkeit unstreitig, kann die Verweisung des Rechtsstreits an das nach dem Vorbringen örtlich zuständige Gericht verbindlich sein. |
So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in einem Streit um das zuständige Gericht. Die Richter machten deutlich, dass dies auch gelte, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die Ortsangabe in der Klageschrift falsch war und nach dem tatsächlichen Inhalt der AGB das zunächst angerufene Gericht örtlich zuständig gewesen wäre. Bei einem unstreitigen Sachvortrag zum Inhalt der AGB und einem gestellten Verweisungsantrag, dem der Beklagte zudem noch zugestimmt hat, ist das zunächst angerufene Gericht nicht verpflichtet, den vorgetragenen Inhalt der in den AGB enthaltenen Gerichtsstandvereinbarung weitergehend zu überprüfen.
Quelle | OLG Hamm, Beschluss vom 17.9.2019, 32 SA 58/19, Abruf-Nr. 213523 unter www.iww.de.
Freiberufler und Gewerbetreibende:
Ordnungsgemäße Buchführung: Erneute Veröffentlichung der GoBD
| Die „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD)“ wurden wegen der fortschreitenden Digitalisierung kürzlich überarbeitet, im Juli 2019 auf der Homepage des Bundesfinanzministeriums veröffentlicht und dann (wegen Abstimmungsbedarf mit den Bundesländern) wieder außer Kraft gesetzt. Nun wurden die GoBD mit Schreiben vom 28.11.2019 ohne nennenswerte Änderungen erneut veröffentlicht. Die neuen GoBD gelten ab dem 1.1.2020, wobei der Steuerpflichtige sie bereits auf frühere Besteuerungszeiträume anwenden kann. |
Wesentliche Teile gelten allerdings nicht nur für buchführungspflichtige Unternehmer. So müssen auch Einnahmen-Überschussrechner Aufzeichnungen und Unterlagen nach § 147 Abs. 1 Abgabenordnung aufbewahren.
Im Vergleich zu den bisherigen GoBD aus dem Jahr 2014 ergeben sich insbesondere die folgenden Neuerungen:
Hinzuweisen ist insbesondere darauf, dass Cloud-Systeme nunmehr explizit in den Anwendungsbereich der GoBD einbezogen sind.
Werden Handels- oder Geschäftsbriefe und Buchungsbelege in Papierform empfangen und danach elektronisch bildlich erfasst (z. B. gescannt oder fotografiert), ist das elektronische Dokument so aufzubewahren, dass die Wiedergabe mit dem Original bildlich übereinstimmt, wenn es lesbar gemacht wird. Die neuen GoBD weisen darauf hin, dass eine bildliche Erfassung mit den verschiedensten Geräten erfolgen kann, z. B. auch mit dem Smartphone.
Praxistipp | Zulässig ist auch eine bildliche Erfassung mit einem Smartphone im Ausland, wenn die Belege im Ausland entstanden sind bzw. empfangen wurden und dort direkt erfasst werden (z. B. bei Belegen über eine Auslandsdienstreise).
Erfolgt im Zusammenhang mit einer genehmigten Verlagerung der elektronischen Buchführung ins Ausland eine ersetzende bildliche Erfassung, wird es nicht beanstandet, wenn die Papierbelege zu diesem Zweck an den Ort der elektronischen Buchführung verbracht werden. Die bildliche Erfassung muss dann zeitnah zur Verbringung der Papierbelege ins Ausland erfolgen.
Bei Konvertierung aufbewahrungspflichtiger Unterlagen in ein unternehmenseigenes Format (Inhouse-Format) ist unter bestimmten Voraussetzungen die Aufbewahrung der konvertierten Fassung ausreichend.
In den GoBD ist nun explizit aufgeführt, dass Änderungen einer Verfahrensdokumentation historisch nachvollziehbar sein müssen. Somit ist eine nachvollziehbare Änderungshistorie vorzuhalten.
Eine kurzzeitige Erfassung von unbaren Tagesumsätzen (z. B. EC-Kartenumsätze) im Kassenbuch ist nicht zu beanstanden. Voraussetzung: Die unbaren Tagesumsätze sind gesondert kenntlich gemacht und werden nachvollziehbar unmittelbar nachfolgend wieder aus dem Kassenbuch auf ein gesondertes Konto aus-/umgetragen. Die Kassensturzfähigkeit muss gegeben sein.
Quelle | BMF, Schreiben vom 28.11.2019, IV A 4 – S 0316/19/10003 :001, Abruf-Nr. 212816 unter www.iww.de.
Freiberufler und Gewerbetreibende:
Keine Gesamtplanbetrachtung: Unentgeltliche Übertragung eines Mitunternehmeranteils
| Das Bundesfinanzministerium hat sein Anwendungsschreiben zu § 6 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) überarbeitet. Dabei hat die Finanzverwaltung endlich die Urteile des Bundesfinanzhofs umgesetzt, nach denen die Grundidee der Gesamtplanrechtsprechung nicht auf die Fälle des § 6 Abs. 3 EStG anwendbar ist. |
Hintergrund: Nach § 6 Abs. 3 S. 1 EStG gilt Folgendes: Wird ein Betrieb, ein Teilbetrieb oder der Anteil eines Mitunternehmers an einem Betrieb unentgeltlich übertragen, so sind bei der Ermittlung des Gewinns des bisherigen Betriebsinhabers (Mitunternehmers) die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben (= Buchwertansatz), sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist.
Wird das gesamte Betriebsvermögen einem Empfänger geschenkt, ist § 6 Abs. 3 EStG (keine Versteuerung der stillen Reserven) grundsätzlich unproblematisch anwendbar.
Zur Gesamtplanbetrachtung hatte der Bundesfinanzhof entgegen der Sichtweise der Finanzverwaltung u. a. Folgendes entschieden: Veräußert ein Mitunternehmer aufgrund einheitlicher Planung Sonderbetriebsvermögen, bevor er den ihm verbliebenen Mitunternehmeranteil unentgeltlich überträgt, steht dies der Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG nicht entgegen. Die beiden Übertragungsvorgänge sind also nicht zusammengefasst zu betrachten.
Die Finanzverwaltung hat daraufhin ihre Sichtweise geändert. Wird ein Wirtschaftsgut, das eine wesentliche Betriebsgrundlage darstellt, nicht mit auf den Beschenkten übertragen, ist dies nur schädlich, wenn dieses Wirtschaftsgut beim Schenker verbleibt und dadurch in dessen Privatvermögen entnommen wird.
Beachten Sie | Wird das Wirtschaftsgut hingegen anderweitig verschenkt, verkauft, in ein anderes Betriebsvermögen überführt oder übertragen, dann ist § 6 Abs. 3 EStG anwendbar. Dabei ist es irrelevant, ob bei diesem anderweitigen Vorgang stille Reserven aufgedeckt werden oder nicht.
In Analogie zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs wendet die Verwaltung die Gesamtplanbetrachtung in ihrem originären Anwendungsbereich weiter an. Hier geht es um die Frage, ob die Begünstigungen bei einer Betriebsveräußerung/-aufgabe (Freibetrag und ermäßigter Steuersatz nach §§ 16, 34 EStG) zu gewähren sind.
Quelle | BMF, Schreiben vom 20.11.2019, IV C 6 – S 2241/15/10003, Abruf-Nr. 213360 unter www.iww.de; BFH, Urteil vom 9.12.2014, IV R 29/14
Geschäftsführerhaftung:
Geschäftsführer haftet auch, wenn der seine Pflichten nicht kennt
| Ein GmbH-Geschäftsführer kann eine Pflichtverletzung nicht damit entschuldigen, dass er seine Grundpflichten nicht gekannt hat. |
Hierauf wies der Bundesfinanzhof (BFH) hin. Die Richter machten deutlich, dass sich der Geschäftsführer einer GmbH vor Übernahme der Geschäftsführerstellung mit den elementarsten handelsrechtlichen Pflichten des Geschäftsführers einer GmbH vertraut machen muss. So muss er sich insbesondere über die hierfür zu beachtenden allgemeinen Pflichten des Steuerrechts erkundigen. Er kann sich daher nicht auf seine mangelnden Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen berufen.
Wer den Anforderungen an einen gewissenhaften Geschäftsführer nicht persönlich entsprechen kann, muss von der Übernahme des Geschäftsführeramts absehen bzw. es niederlegen, oder die Hilfe eines Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe in Anspruch nehmen, um eine Haftungsinanspruchnahme zu vermeiden. Im vorliegenden Fall konnte sich der Kläger als gelernter Kfz-Mechaniker hinsichtlich der Überwachungspflichten nicht auf seine fehlende Qualifikation oder auf einen Rechts- oder Verbotsirrtum berufen. Die Überwachungspflichten gehören zu den Grundpflichten einer Geschäftsführertätigkeit. Der Kläger habe hier als Geschäftsführer seine Mitarbeiter bei der Kassenführung nicht ordnungsgemäß überwacht. Die Steuernachzahlungen aufgrund der fehlerhaften Kassenführung hätten wegen der Insolvenz der Gesellschaft nicht mehr erbracht werden können. Daher hafte der Geschäftsführer persönlich für die entstandenen Steuerschulden.
Quelle | BFH, Beschluss vom 18.9.2018, XI R 54/17, Abruf-Nr. 207688 unter www.iww.de.