Ordnungsstrafe: Parkgebühren:
Streit an der Parkschranke mit Folgen
| Mit einem kuriosen Nachbarstreit zwischen einem Restaurantbetreiber und dem Anbieter von Parkraum hat sich das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. Dem Restaurantbesitzer drohen nun 250.000 Euro Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft. |
Das war geschehen
Der Parkplatzbetreiber hatte die Parkgebühren angehoben und den bislang gewährten Rabatt für die Besucher des Restaurants abgeschafft. Daraufhin positionierte der Restaurantbesitzer gezielt eigene Mitarbeiter an der Parkschranke, um die Autofahrer von der Einfahrt in den Parkplatz abzuhalten und auf andere, kostenfreie Plätze in der Nähe zu verweisen. Dieses Verhalten stellt eine unzulässige Verletzungshandlung dar, die darauf angelegt ist, den Betrieb des Parkraumbewirtschafters zu schädigen, entschied das LG. Es untersagte in einem Eilverfahren entsprechende Aktionen.
Boykottaufruf unverhältnismäßig
Das Argument, über den Rabatt für Restaurantkunden gebe es eine Vereinbarung und die hohen Parkkosten hätten bereits Kunden abgeschreckt und vom Besuch abgehalten, überzeugte das LG nicht. Das Vorgehen des Restaurantbetreibers sei unverhältnismäßig.
Im Bereich der Einfahrt gezielt Parkplatzsuchende anzusprechen, um diese zum anderweitigen Parken zu bewegen, sei eine gegen das Geschäftsmodell des Parkraumanbieters gerichtete verbotene Eigenmacht. Es seien nicht nur Restaurantbesucher, sondern sämtliche Parkplatzsuchende angesprochen und zum Boykott des Parkplatzes aufgerufen worden. Der Restaurantbesitzer müsse seine Kunden auf andere Weise darüber informieren, dass die Parkgebühren nicht mehr übernommen werden und den Streit um den Parkrabatt, wenn nötig, gerichtlich austragen.
„Saftiges“ Ordnungsgeld droht
Für den Fall, dass der Restaurantbetreiber dem Urteil zuwiderhandelt, hat das LG ihm ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro sowie Ordnungshaft angedroht.
Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 18.1.2024, 5 O 46/23, PM vom 30.4.2024
Bundeskartellamt:
BGH bestätigt Amazons überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Feststellung des Bundeskartellamts bestätigt, dass Amazon eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb hat. |
Der Hintergrund
Amazon ist weltweit u. a. im Bereich des E-Commerce, als stationärer Einzelhändler und als Anbieter von cloudbasierten IT-Dienstleistungen (Amazon Web Services, AWS) tätig. Der Konzern war zum 27.12.2021 mit einer Marktkapitalisierung von 1,721 Billionen USD das fünftwertvollste Unternehmen der Welt, wobei der Börsenwert innerhalb der vorangegangenen sieben Jahre um etwa 443 % gestiegen war. Das Unternehmen erzielte im Geschäftsjahr 2021 weltweit Umsätze von rund 469,8 Mrd. USD. Auf Deutschland entfielen davon rund 37,3 Mrd. USD. Damit stellte Deutschland auf den Umsatz bezogen nach den USA den zweitwichtigsten (Absatz-)Markt für Amazon dar. Die jährlichen Gewinne stiegen von (weltweit) 3 Mrd. USD im Geschäftsjahr 2017 auf 33,4 Mrd. USD in 2021, mithin um 1013 %. Amazon gehört mit 1,6 Mio. Mitarbeitern zum 31. Dezember 2021 zu den größten Arbeitgebern weltweit.
Das war geschehen
Das Bundeskartellamt hatte festgestellt, dass Amazon.com, Inc. einschließlich der mit ihr verbundenen Unternehmen eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt. Die Feststellung ist auf fünf Jahre nach Eintritt der Bestandskraft befristet. Gegen diesen Beschluss haben Amazon.com, Inc. und eine deutsche Konzerngesellschaft Beschwerde mit dem Antrag eingelegt, den Beschluss aufzuheben. Während des Beschwerdeverfahrens wurde Amazon von der Europäischen Kommission als sog. Torwächter benannt.
Das sagt der Bundesgerichtshof
Die Beschwerde hatte keinen Erfolg. Das Bundeskartellamt hat nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (hier: § 19a Abs. 1 GWB) zu Recht festgestellt, dass Amazon in erheblichem Umfang auf mehrseitigen Märkten tätig ist und dem Konzern eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt.
Amazon unterhält weltweit 21 länderspezifische Domains mit Handelsplattformen (Amazon Stores) und vertreibt darüber als Hersteller und Einzelhändler physische und digitale Waren an Endkunden (etwa Amazon Retail, Home Entertainment, Twitch, Prime Video, Kindle Content, Amazon Music, Amazon Games, Amazon Echo und Amazon Alexa, Amazon Fire, Fire TV, SmartHome-Geräte). Gleichzeitig betreibt Amazon die Handelsplattformen als Online-Marktplätze und ermöglicht es dritten Online-Händlern gegen Provisionszahlung, ihre Waren Endkunden anzubieten. Amazon hat eine eigene Logistikinfrastruktur und vermittelt auch in Deutschland Versandaufträge zwischen dritten Online-Händlern und Versanddienstleistern. Amazon Advertising bringt Werbekunden und Anbieter von Werbeflächen zusammen.
Das heißt „marktübergreifende Bedeutung“
Die Feststellung der überragenden marktübergreifenden Bedeutung für den Wettbewerb setzt keine konkrete Wettbewerbsgefahr oder Wettbewerbsbeeinträchtigung voraus. Vielmehr reicht dafür das Vorliegen der strategischen und wettbewerblichen Möglichkeiten aus, deren abstraktes Gefährdungspotenzial durch die Vorschrift adressiert wird. § 19a Abs. 1 GWB soll dem Bundeskartellamt eine effektivere Kontrolle derjenigen großen Digitalunternehmen ermöglichen, deren Ressourcen und strategische Positionierung ihnen erlauben, erheblichen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit Dritter zu nehmen, den Wettbewerbsprozess zum eigenen Vorteil zu verfälschen sowie ihre bestehende Marktmacht auf immer neue Märkte und Sektoren zu übertragen.
Bundeskartellamt: zutreffende Feststellungen
Das Bundeskartellamt hat zutreffend festgestellt, dass Amazon über solche strategischen und wettbewerblichen Potenziale verfügt. Der Konzern ist auf einer Vielzahl von verschiedenen, vertikal integrierten und in vielfältiger und konglomerater Weise miteinander verbundenen Märkten tätig und hat eine marktbeherrschende Stellung auf dem deutschen Markt für Online-Marktplatzdienstleistungen für gewerbliche Händler. Er verfügt über eine überragende Finanzkraft und einen überragenden Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten, wie etwa Kunden- und Nutzerdaten, Daten aus dem Betrieb der Handelsplattformen und Werbeplattformen und damit verbundenen Diensten sowie aus dem Betrieb von Amazon Web Services, Inc. (AWS). Amazon hat als Betreiber von zahlreichen nationalen Online-Marktplätzen weltweit und in Deutschland eine Schlüsselposition für den Zugang von Einzelhändlern zu ihren Absatzmärkten und kann erheblichen Einfluss auf die Vertriebstätigkeit von Dritthändlern ausüben.
Die jetzige Geltung der Regelungen des Digital Markets Acts (DMA) und die während des Beschwerdeverfahrens gegenüber der Europäischen Kommission im Rahmen eines Missbrauchsverfahrens abgegebenen Zusagen von Amazon stehen der Feststellung nicht entgegen.
Quelle | BGH, Beschluss vom 23.4.2024, KVB 56/22, PM 97/24
Sozialversicherungspflicht:
Warengutscheine: Kein Rabattfreibetrag für Arbeitnehmer von Konzerngesellschaften
| Erhält ein Arbeitnehmer aufgrund seines Dienstverhältnisses Waren oder Dienstleistungen, die vom Arbeitgeber nicht überwiegend für den Bedarf seiner Arbeitnehmer hergestellt, vertrieben oder erbracht werden, sind diese Vorteile steuerfrei, soweit sie den Rabattfreibetrag von 1.080 Euro im Kalenderjahr nicht übersteigen (§ 8 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG)). Das Landesozialgericht (LSG) Bayern musste nun in einem Konzernfall über die Beitragspflicht von Warengutscheinen entscheiden. Dabei hat es herausgestellt, dass hinsichtlich des Arbeitgeberbegriffs keine unterschiedliche Beurteilung nach Steuer- und nach Beitragsrecht veranlasst ist. |
Arbeitgeber kann nur derjenige sein, der die Arbeitsverträge mit den Beschäftigten abgeschlossen hat. Dies entspricht auch dem Grundsatz, den der Bundesfinanzhof (BFH) für das Steuerrecht aufgestellt hat.
Begriff des „Arbeitgebers“: keine Konzernklausel
Der BFH, den Begriff des Arbeitgebers über den Wortlaut hinaus extensiv auszulegen. Im Vorfeld der gesetzlichen Neuregelung wurde eine Konzernklausel ausdrücklich diskutiert.
Da sie aber nicht aufgenommen worden ist, kann daraus geschlossen werden, dass sich die bereits in der Begründung des Gesetzentwurfs vertretene Meinung durchgesetzt hat, nach der § 8 Abs. 3 EStG nicht für Waren und Dienstleistungen gelten soll, die nicht im Unternehmen des Arbeitgebers hergestellt, vertrieben oder erbracht werden. Es sollen weder Arbeitnehmer von Konzerngesellschaften noch ein überbetrieblicher Belegschaftshandel steuerlich begünstigt werden.
Warengutscheine = Sachbezüge
Nach Ansicht des LSG hat das Unternehmen im Streitfall auch keinen so gewichtigen Beitrag geleistet, als dass es unter Anwendung des „erweiterten Hersteller- bzw. Vertreiberbegriffs“ als Hersteller bzw. Vertreiber der Waren i. S. des § 8 Abs. 3 EStG angesehen werden kann. Deshalb handelt es sich bei den Warengutscheinen um Sachbezüge, für die Beiträge erhoben werden müssen.
Quelle | LSG Bayern, Urteil vom 6.6.2023, L 7 BA 80/22, Abruf-Nr. 240136; unter www.iww.de; BFH, Urteil vom 26.4.2018, VI R 39/16