Rettungsdienst:
Nebenjob als Notarzt ist versicherungspflichtig
| Ärztinnen und Ärzte, die im Nebenjob immer wieder als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst tätig sind, sind währenddessen regelmäßig sozialversicherungspflichtig beschäftigt. So hat es jetzt das Bundessozialgericht (BSG) entschieden. |
Ausschlaggebend ist die Eingliederung in den Rettungsdienst während der Tätigkeit mit den damit verbundenen Verpflichtungen, zum Beispiel der Pflicht, sich während des Dienstes örtlich in der Nähe des Notarztfahrzeugs aufzuhalten und nach einer Einsatzalarmierung durch die Leitstelle innerhalb einer bestimmten Zeit auszurücken. Dass sich die Verpflichtungen aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften ergeben, ist unerheblich. Anhaltspunkte für eine selbstständige Tätigkeit fielen demgegenüber nicht entscheidend ins Gewicht.
Quelle | BSG, Urteile vom 19.10.2021, B 12 KR 29/19 R, B 12 R 9/20 R, B 12 R 10/20 R
Fahrradlieferdienste:
Arbeitgeber muss Fahrrad und Handy zur Verfügung stellen
| Fahrradlieferanten, die Speisen und Getränke ausliefern und ihre Aufträge über eine Smartphone-App erhalten, haben Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber ihnen die für die Ausübung ihrer Tätigkeit essenziellen Arbeitsmittel zur Verfügung stellt. Dazu gehören ein verkehrstüchtiges Fahrrad und ein geeignetes internetfähiges Mobiltelefon. Von diesem Grundsatz können vertraglich Abweichungen vereinbart werden. Geschieht dies in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Arbeitgebers, sind diese nur wirksam, wenn dem Arbeitnehmer für die Nutzung des eigenen Fahrrads und Mobiltelefons eine angemessene finanzielle Kompensationsleistung zugesagt wird. So hat es das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |
Sachverhalt
Der Kläger ist bei der Beklagten als Fahrradlieferant beschäftigt. Er liefert Speisen und Getränke aus, die Kunden über das Internet bei verschiedenen Restaurants bestellen. Er benutzt für seine Lieferfahrten sein eigenes Fahrrad und sein eigenes Mobiltelefon. Die Verpflichtung hierzu ergibt sich aus den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien, bei denen es sich um AGB handelt. Die Beklagte gewährt den bei ihr tätigen Fahrradlieferanten eine Reparaturgutschrift von 0,25 Euro pro gearbeiteter Stunde, die ausschließlich bei einem von ihr bestimmten Unternehmen eingelöst werden kann.
So argumentieren die Prozessbeteiligten
Mit seiner Klage hat der Kläger verlangt, dass die Beklagte ihm ein verkehrstüchtiges Fahrrad und ein geeignetes Mobiltelefon für seine vertraglich vereinbarte Tätigkeit zur Verfügung stellt. Er hat gemeint, die Beklagte sei hierzu verpflichtet, weil es in den Aufgaben- und Verantwortungsbereich des Arbeitgebers falle, die notwendigen Arbeitsmittel bereitzustellen. Dieser Grundsatz sei vertraglich nicht wirksam abbedungen worden. Dagegen hat die Beklagte Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die vertragliche Regelung sei wirksam. Da die bei ihr als Fahrradlieferanten beschäftigten Arbeitnehmer ohnehin über ein Fahrrad und ein internetfähiges Mobiltelefon verfügten, würden sie durch die Verwendung ihrer eigenen Geräte nicht bzw. nicht erheblich belastet. Darüber hinaus seien etwaige Nachteile durch die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, Aufwendungsersatz geltend machen zu können, und bezüglich des Fahrrads durch das von ihr gewährte Reparaturbudget ausgeglichen.
So entschieden die Instanzen
Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Die in den AGB vereinbarte Nutzung des eigenen Fahrrads und Mobiltelefons benachteiligt den Kläger unangemessen und ist daher unwirksam. Die Beklagte wird durch diese Regelung von entsprechenden Anschaffungs- und Betriebskosten entlastet und trägt nicht das Risiko, für Verschleiß, Wertverfall, Verlust oder Beschädigung der essenziellen Arbeitsmittel einstehen zu müssen. Dieses liegt vielmehr beim Kläger. Das widerspricht dem gesetzlichen Grundgedanken des Arbeitsverhältnisses, wonach der Arbeitgeber die für die Ausübung der vereinbarten Tätigkeit wesentlichen Arbeitsmittel stellen und für deren Funktionsfähigkeit sorgen muss.
Eine ausreichende Kompensation dieses Nachteils ist nicht erfolgt. Die von Gesetzes wegen bestehende Möglichkeit, Aufwendungsersatz verlangen zu können, stellt keine angemessene Kompensation dar. Es fehlt insoweit an einer gesonderten vertraglichen Vereinbarung. Zudem würde auch eine Klausel, die nur die ohnehin geltende Rechtslage wiederholt, keinen angemessenen Ausgleich schaffen. Die Höhe des dem Kläger zur Verfügung gestellten Reparaturbudgets orientiert sich nicht an der Fahrleistung, sondern an der damit nur mittelbar zusammenhängenden Arbeitszeit.
Der Kläger kann über das Budget auch nicht frei verfügen, sondern es nur bei einem vom Arbeitgeber bestimmten Unternehmen einlösen. In der Wahl der Werkstatt ist er nicht frei. Für die Nutzung des Mobiltelefons ist überhaupt kein finanzieller Ausgleich vorgesehen.
Arbeitgeber muss Arbeitsmittel zur Verfügung stellen
Der Kläger kann deshalb von der Beklagten verlangen, dass diese ihm die für die vereinbarte Tätigkeit notwendigen essenziellen Arbeitsmittel ein geeignetes verkehrstüchtiges Fahrrad und ein geeignetes Mobiltelefon, auf das die Lieferaufträge und -adressen mit der hierfür verwendeten App übermittelt werden bereitstellt. Er kann nicht auf nachgelagerte Ansprüche wie Aufwendungsersatz oder Annahmeverzugslohn verwiesen werden.
Quelle | BAG, Urteil vom 10.11.2021, 5 AZR 334/21, PM 38/21
Fristlose Kündigung:
23 Euro können ein wichtiger Grund sein
| Das Arbeitsgericht (ArbG) Oberhausen hat die Klage eines fristlos gekündigten stellvertretenden Store-Leiters des FC Bayern Fan-Shops in einem Einkaufszentrum teilweise abgewiesen. Die fristlose Kündigung ist damit wirksam. Das Arbeitsverhältnis ist beendet. |
Das ArbG vertritt die Ansicht, dass der Vorwurf, der Kläger habe einen Gutschein im Wert von 23 Euro unberechtigt verwendet, einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellt. Aus diesem Grund hat es die Kündigungsschutzklage abgewiesen.
Quelle | ArbG Oberhausen, Urteile vom 12.11.2021, 3 Ca 781/20 und 3 Ca 400/21, PM LAG Düsseldorf 21/21 vom 13.11.2021
Arbeitsvertrag:
Befristung in elektronischer Form unwirksam
| Immer wieder werden befristete Arbeitsverträge geschlossen. Doch Vorsicht! Ein befristeter Arbeitsvertrag, der von beiden Seiten nur in elektronischer Form unterzeichnet wird, genügt den Formvorschriften für eine wirksame Vereinbarung einer Befristung nicht. Er ist daher auf unbestimmte Zeit geschlossen. Dies hat das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin jetzt entschieden. |
Die Befristung eines Arbeitsvertrags bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Im Fall des ArbG Berlin hatten die Parteien den befristeten Arbeitsvertrag aber nicht durch eigenhändige Namensunterschrift auf dem Vertrag abgeschlossen, sondern eine elektronische Signatur verwendet.
Für das ArbG Berlin genügt die hier verwendete Form der Signatur nicht dem Schriftformerfordernis. Auch wenn man annehme, dass eine qualifizierte elektronische Signatur ausreiche, um eine Befristung wirksam zu vereinbaren, liege in diesem Fall keine solche vor. Für eine qualifizierte elektronische Signatur sei eine Zertifizierung durch die Bundesnetzagentur erforderlich. Da die Arbeitsvertragsparteien aber eine nicht zertifizierte Signatur verwendet hatten, sei die Vereinbarung der Befristung mangels Einhaltung der Schriftform unwirksam; der Arbeitsvertrag gelte als auf unbestimmte Zeit geschlossen.
Quelle | ArbG Berlin, Urteil vom 26.10.2021, 36 Ca 15296/20, Abruf-Nr. 225532 unter www.iww.de
Sonderkündigungsschutz:
Schwangerschaft zum Kündigungszeitpunkt muss bewiesen sein
| Der Sonderkündigungsschutz für schwangere Arbeitnehmerinnen knüpft an das tatsächliche Vorliegen einer Schwangerschaft zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung an. Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg klargestellt. |
Folge: Die Schwangere muss nachweisen, dass sie im Zeitpunkt der Kündigung tatsächlich schwanger war. Das ist nicht in jedem Fall einfach.
Will die Arbeitnehmerin das Vorliegen der Schwangerschaft über eine statistische Wahrscheinlichkeit herleiten, ist dies über einen Anscheinsbeweis möglich, der aber nur bei typischen Geschehensabläufen greifen kann. Ausgehend von einem typischen Geschehensablauf können nach Ansicht des LAG zur Ermittlung des Zeitpunkts der Konzeption vom ärztlich festgestellten voraussichtlichen Entbindungstermin nur 266 Tage zurückgerechnet werden.
Damit weicht diese Entscheidung von der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ab. Diese rechnet 280 Tage zurück. Das LAG meint, dies sei mit typischen Schwangerschaftsverläufen nicht in Deckung zu bringen.
Quelle | LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 1.12.2021, 4 Sa 32/21, Abruf-Nr. 226685 unter www.iww.de