Arbeitsrecht Info - 05.2023

2.05.2023
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Arbeitsunfall:

Schlägerei wegen zugeparkter Betriebseinfahrt: kein Unfallversicherungsschutz

| Kommt es während einer Betriebsfahrt zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit einem anderen Verkehrsteilnehmer, weil dieser sich beleidigend verhält, stellen die daraus resultierenden Verletzungen keinen Arbeitsunfall dar. Das hat jetzt das Sozialgericht (SG) Berlin klargestellt. |

Das war geschehen

Der Kläger war als Bauleiter tätig. Im Februar 2020 kehrte er von einem beruflichen Termin zurück, als er die Einfahrt zu seinem Betrieb durch einen LKW zugeparkt sah. Dieser fuhr trotz mehrfacher Aufforderung nicht beiseite. Der Kläger musste daraufhin sein Auto stehen lassen und das Betriebsgelände zu Fuß betreten. Als er kurze Zeit später wieder zu seinem Wagen zurückkam, um einen neuen betrieblichen Termin wahrzunehmen, kam es zu einem Wortwechsel, bei dem der Fahrer des Lkw den Kläger als „egoistisches Arschloch“ beschimpfte. Der Kläger, der im Begriff gewesen war, in sein Auto zu steigen, schlug die Wagentür wieder zu und ging zu dem Fahrer, um „die Sache auszudiskutieren“. Im Verlauf des Streitgesprächs schlug der Fahrer dem Kläger ins Gesicht. Der Kläger musste daraufhin wegen einer Mittelgesichtsfraktur operiert werden. Die beklagte Unfallversicherung erkannte den Vorfall nicht als Arbeitsunfall an.

Sozialgericht: Kein Arbeitsunfall

Das SG bestätigte dies. Das begründete das Gericht im Wesentlichen wie folgt: Zwar habe sich der Kläger auf einem an sich versicherten Betriebsweg befunden, als er vom Betriebsgelände wieder zu seinem Auto ging. Er habe diesen Betriebsweg jedoch wieder verlassen, als er die Wagentür nach den Beleidigungen noch einmal schloss, um die Angelegenheit auszudiskutieren. Darin liege eine Zäsur.

Kläger handelte als Privatperson

Ab diesem Moment habe das Handeln des Klägers privaten Zwecken gedient, nämlich dem Zur-Rede-Stellen des Fahrers. Während dieser Unterbrechung des Betriebswegs habe kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung bestanden. Es sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass insbesondere das Zurechtweisen anderer Verkehrsteilnehmer auf dem Weg zur Arbeit oder auf Betriebswegen nicht der betrieblichen Tätigkeit diene und etwaige hieraus resultierende Verletzungen unabhängig vom Verschulden dem privaten Lebensbereich zuzurechnen seien.

Dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann vom Kläger mit der Berufung zum Landessozialgericht angefochten werden.

Quelle | SG Berlin, Urteil vom 16.2.2023, S 98 U 50/21, PM vom 20.3.2023


Dienstrecht:

Beamtin hat keinen Anspruch auf Sabbatjahr

| Kann die einjährige Freistellung eines Beamten mit zumutbaren personellen und organisatorischen Maßnahmen nicht kompensiert werden und ist eine ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung im Tätigkeitsbereich des Beamten ohne diesen nicht mehr gewährleistet, kann der Dienstherr das Sabbatjahr ablehnen. Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz. |

Ein Jahr Freistellung

Die im Dienst des beklagten Landes Rheinland-Pfalz stehende Klägerin beantragte beim Beklagten, ihr Teilzeitbeschäftigung nach dem sog. Sabbatjahr-Modell zu bewilligen. Sie beabsichtigte, ihre Arbeitszeit von Mai 2023 bis April 2026 anzusparen, um von Mai 2026 bis April 2027 freigestellt werden zu können. Dies lehnte der Beklagte unter Hinweis auf entgegenstehende dienstliche Belange ab. Mangels Personalersatzes wäre während der Freistellung der Klägerin eine sachgerechte Aufgabenerfüllung in ihrem Aufgabenbereich nicht gewährleistet. Eine interne Vertretung scheide aufgrund der ohnehin bereits bestehenden Personalunterdeckung und der anhaltend hohen Arbeitsbelastung aus.

Weder Ersatz noch Vertretung möglich

Der Beklagte habe den Antrag der Klägerin auf ein Sabbatjahr zu Recht wegen entgegenstehender dienstlicher Gründe abgelehnt, so das VG. Zwar sei die Vertretungsnotwendigkeit als solche kein entgegenstehender dienstlicher Grund, weil sich dies als allgemeine, typischerweise mit der Teilzeitbeschäftigung verbundene zusätzliche Anforderung an Organisation und Personalwirtschaft darstelle. Jedoch sei der Beklagte im Rahmen des ihm zustehenden Organisationsermessens zutreffend zu der Einschätzung gelangt, dass während der Freistellungsphase der Klägerin mangels Personalersatzes und Möglichkeit interner Vertretung die Beeinträchtigung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebs im Tätigkeitsbereich der Klägerin drohe. Ihre Freistellung würde zu einer Verschärfung der ohnehin schon bestehenden personellen Engpässe und damit zu einer Gefährdung der adäquaten und reibungslosen Aufgabenerfüllung im Tätigkeitsbereich der Klägerin führen. Dies könne nicht hingenommen werden, weil den Beklagten nicht nur eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beamtinnen und Beamten, sondern auch die im öffentlichen Interesse liegende Pflicht zur sachgemäßen und reibungslosen Erfüllung der dienstlichen Aufgaben treffe.

Keine Pflicht des Dienstherrn, individuelle Arbeitszeit zu ermöglichen

Soweit die Klägerin geltend mache, der Beklagte könne die befürchtete Personaldeckung durch eine vorausschauende Personalplanung kompensieren, greife sie in unzulässiger Weise in das Organisationsermessen ihres Dienstherrn ein. Der Dienstherr sei unter keinem denkbaren Gesichtspunkt verpflichtet, die Dienststellen des Landes derart personell auszustatten, dass Wünschen der Beamtinnen und Beamten nach individueller Gestaltung ihrer Arbeitszeit entsprochen werden könne.

Gegen die Entscheidung können die Beteiligten einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen.

Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 28.2.2023, 5 K 1182/22.KO, PM 4/23


Variable Vergütung:

Tantieme bei unterjährigem Ausscheiden nur anteilig

| Die für ein ganzes Jahr vereinbarte Tantieme, deren Zahlung vom Erreichen eines vorher definierten Ziels abhängig sein soll, ist bei unterjährigem Ausscheiden des Arbeitnehmers anteilig zu kürzen. Dies gilt selbst dann, wenn der Zeitpunkt, bis zu dem das Ziel zu erreichen war (und erreicht worden ist), vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses bereits verstrichen war. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln. |

Im Fall des LAG bedeutet das: Ein arbeitsvertraglich versprochener Jahresentgeltbetrag war um 5/12 zu kürzen, wenn fünf Monate im Bezugsjahr keine Arbeitsleistung erbracht worden ist oder im gleichen Zeitraum ein Arbeitsverhältnis nicht mehr bestanden hat.

Quelle | LAG Köln, Urteil vom 7.7.2022, 6 Sa 112/22, Abruf-Nr. 231606 unter www.iww.de


Ruhestandsregelung:

Lehrkraft ist nur, wer auch an der Schule unterrichtet

| Eine Lehrerin, die ausschließlich als Referentin in der Schulverwaltung tätig ist und daher nicht an der Schule unterrichtet, hat keinen Anspruch darauf, früher in den Ruhestand zu gehen, als die übrigen Beamten des Landes. Für sie gilt die allgemeine Regelaltersgrenze (Ablauf des Monats, in dem das 67. Lebensjahre vollendet wird). Die für Lehrkräfte seit dem Jahr 2015 nach dem Landesbeamtengesetz geltende Privilegierung, dass diese bereits mit dem Ende des Schuljahres, in dem sie das 65. Lebensjahr vollenden, in den Ruhestand treten, gilt für sie nicht. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz und bestätigte damit ein Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Trier. |

Das war geschehen

Die Klägerin war ursprünglich als Realschullehrerin im Schuldienst des Landes tätig. Nachdem sie im Jahr 2011 für schuldienstunfähig befunden worden war, erfolgte zur Vermeidung einer Versetzung in den Ruhestand zunächst ihre Abordnung und später Versetzung als Referentin in den Verwaltungsdienst bei der Schulbehörde. Die Klägerin begehrte die Feststellung, dass sie früher als nach der allgemeinen Regelaltersgrenze in den Ruhestand trete. Sie machte geltend, da sie weiterhin die Dienstbezeichnung „Realschullehrerin“ führe und dieses Statusamt innehabe, müsse sie unabhängig von ihrer konkreten Verwendung auch in den Genuss der speziellen und vorgezogenen Altersgrenze kommen, die für Lehrkräfte gelte.

Verwaltungsgericht: Klageabweisung

Das VG wies die Klage ab und bestätigte die Auffassung der Behörde, wonach unter den Begriff der Lehrkraft nur solche Lehrer fallen, die auch tatsächlich aktiv im Schuldienst eingesetzt sind. Den hiergegen gerichteten Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung lehnte das OVG ab.

Lehrkraft ist Lehrer nicht gleichzusetzen

Bereits durch die Verwendung des Begriffs „Lehrkraft“ statt „Lehrer“ im Landesbeamtengesetz (§ 37 Abs. 1 S. 4 LBG) habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass die besondere Altersgrenze nur für diejenigen Lehrer gelten solle, die tatsächlich an der Schule unterrichteten. Seinem Sinn und Zweck nach wolle die Vorschrift in erster Linie sicherstellen, dass Lehrkräfte nicht mitten im Schuljahr ausschieden und es so zu für die Schüler nachteiligen Wechseln komme. Es werde derart in erster Linie organisatorischen und pädagogischen Bedürfnissen der Arbeit an der Schule Rechnung getragen.

Hieran ändere auch der Umstand nichts, dass der Gesetzgeber im Jahr 2015 die Altersgrenze für Lehrkräfte lediglich um ein Jahr und nicht wie für die übrigen Landesbeamten stufenweise um zwei Jahre angehoben habe. Dafür, dass der Gesetzgeber diese Privilegierung auch auf Lehrer erstrecken wollte, die tatsächlich nicht im Schuldienst eingesetzt seien, gebe es im Gesetz und auch in der Gesetzesbegründung keinerlei Anhaltspunkte.

Quelle | OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29.11.2022, 2 A 10864/22.OVG, PM 17/22 vom 12.12.2022

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