Ruhestand:
Nicht abgebaute Zeitguthaben auf Lebensarbeitszeitkonten: keine Relevanz für Versorgungsbezüge
| Maßgeblich für die Bestimmung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit ist die im Bescheid über die Bewilligung von Teilzeitbeschäftigung festgesetzte Teilzeitquote. Verrichtet der Beamte über die Teilzeitquote hinaus Dienst, um diese Zeit auf einem Lebensarbeitszeitkonto etwa zur Ermöglichung der Altersteilzeit anzusparen, führt dies im Fall der Unmöglichkeit der Inanspruchnahme der „erdienten“ Freistellung grundsätzlich nicht zur versorgungsrechtlichen Berücksichtigung. Dies gilt jedenfalls, wenn die Unmöglichkeit darauf zurückgeht, dass sich der Beamte später freiwillig für ein anderes Vorruhestandsmodell entschieden hat. So hat es das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |
Postbeamter trat in den „Engagierten Ruhestand“ ein
Der Kläger stand zuletzt als Postoberamtsrat im Dienst der Deutschen Post AG. Aufgrund der geplanten Inanspruchnahme eines Altersteilzeitmodells wurde dem Kläger ab Januar 2017 bis Dezember 2019 eine Teilzeitbeschäftigung mit einer Arbeitszeit von 50% der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit bewilligt. Im Umfang der Arbeitszeit, die der Kläger über die festgesetzte Teilzeitquote hinaus Dienst leistete, erfolgte eine Gutschrift auf einem Lebensarbeitszeitkonto mit dem Ziel, das Zeitguthaben in einer Freistellungsphase am Ende der Altersteilzeit abzubauen. Zum Eintritt in die Freistellungsphase kam es jedoch nicht, weil der Kläger ab Januar 2020 mit der Bewilligung eines „Engagierten Ruhestands“ ein anderes Vorruhestandsmodell in Anspruch nahm.
Versorgungsbezüge: Teilzeitquote berücksichtigt
Anlässlich der Festsetzung der Versorgungsbezüge des Klägers berücksichtigte die Beklagte die Dienstzeit von Januar 2017 bis August 2019 ausgehend von der Teilzeitquote in den Teilzeitbewilligungsbescheiden nur zur Hälfte. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb ebenso wie Klage und Berufung ohne Erfolg.
So entschied das Bundesverwaltungsgericht
Das BVerwG hat auch die Revision des Klägers zurückgewiesen. Ausgangspunkt für die Festsetzung der Beamtenversorgung ist die durch Verwaltungsakte festgesetzte Teilzeitquote. Zeitguthaben auf Lebensarbeitszeitkonten, die vorrangig einer Freistellung dienen, werden dabei nicht berücksichtigt. Einen Anspruch auf Änderung der Teilzeitbewilligungsbescheide hat der Kläger nicht.
Das BVerwG hob hervor: Es ist nicht schlechthin unerträglich, den Kläger an diesen Bescheiden festzuhalten. Der Kläger hat in Kenntnis der versorgungsrechtlichen Folgen den Wechsel in den sog. „Engagierten Ruhestand“ beantragt. Damit hat er es selbst unmöglich gemacht, die „erdiente“ Freistellung entsprechend des Zeitguthabens auf dem Lebensarbeitszeitkonto in Anspruch zu nehmen.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 2.5.2024, 2 C 13.23, PM 25/24
Öffentlicher Dienst:
Teilnahme an rechtsextremistischen Treffen allein genügt nicht für eine Kündigung
| Allein die Teilnahme an einem rechtsextremistischen Treffen rechtfertigt keine außerordentliche Kündigung. So sieht es das Arbeitsgericht (ArbG) Köln. |
Teilnahme am Treffen in der Villa Adlon
Die 64-jährige Arbeitnehmerin ist seit 2000 bei der Stadt Köln beschäftigt. Tariflich ist sie ordentlich nicht kündbar. Sie nahm am 25.11.2023 an einem Treffen in der Villa Adlon in Potsdam teil, über das bundesweit berichtet wurde. Daraufhin sprach der Arbeitgeber mehrere außerordentliche Kündigungen aus. Die Arbeitnehmerin habe gegen ihre Loyalitätspflicht ihm gegenüber verstoßen.
Keine gesteigerte Treuepflicht
Das ArbG entschied: Allein die Teilnahme am Treffen rechtfertige keine außerordentliche Kündigung. Die Arbeitnehmerin träfe aufgrund ihrer konkreten Tätigkeit nur eine einfache und keine gesteigerte politische Treuepflicht.
Das Maß an Loyalität und Treue zum öffentlichen Arbeitgeber sei von Stellung und Aufgabenkreis des Arbeitnehmers abhängig. Danach schulde ein Arbeitnehmer nur ein solches Maß an politischer Loyalität, das für die funktionsgerechte Verrichtung seiner Tätigkeit unabdingbar sei. Diese einfache Treuepflicht werde erst durch ein Verhalten verletzt, das in seinen konkreten Auswirkungen darauf gerichtet sei, verfassungsfeindliche Ziele aktiv zu fördern oder zu verwirklichen.
Allein die Teilnahme am Treffen rechtfertige nicht den Schluss, dass sich die Arbeitnehmerin in innerer Übereinstimmung mit dem Inhalt der Beiträge befunden habe. Ein Eintreten für verfassungsfeindliche Ziele, z. B. durch Wortbeiträge im Rahmen des Treffens, habe die Arbeitgeberin nicht behauptet.
Quelle | ArbG Köln, Urteil vom 3.7.2024, 17 Ca 543/24, Abruf-Nr. 244355 unter www.iww.de
Gleichbehandlungsgrundsatz:
Klage einer Arbeitnehmerin auf höheres Arbeitsentgelt
| Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg hat der Angestellten eines Unternehmens die von ihr unter Berufung auf das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) sowie den Gleichbehandlungsgrundsatz eingeklagte höhere Vergütung für die Jahre 2018 bis 2022 teilweise zugesprochen. |
Das war geschehen
In Teilen erfolgreich war die Klägerin, die im streitigen Zeitraum in hälftiger Teilzeit auf der dritten Führungsebene des Unternehmens tätig war, im Hinblick auf die Gehaltsbestandteile Grundgehalt, Company Bonus, „Pension One“-Kapitalbaustein sowie virtuelle Aktien nebst Dividendenäquivalente. Insgesamt wurden der Klägerin von den eingeklagten rund 420.000 Euro brutto ca. 130.000 Euro brutto für fünf Jahre zugesprochen. Das Arbeitsgericht (AG) hatte der Klage in erster Instanz noch in weiterem Umfang stattgegeben.
Hintergrund: Nach dem Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern (hier: § 3 Abs. 1 EntgTranspG) ist bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen verboten. Zudem ist dieses Verbot in § 7 EntgTranspG niedergelegt, wonach für gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts der oder des Beschäftigten ein geringeres Entgelt vereinbart oder gezahlt werden darf als bei einer oder einem Beschäftigten des anderen Geschlechts. Deshalb sind § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG entsprechend den Vorgaben europäischen Rechts unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) unionsrechtskonform auszulegen. Zudem gebietet der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz dem Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in gleicher oder vergleichbarer Lage befinden, gleich zu behandeln.
Im Fall des LAG lag das individuelle Entgelt der Klägerin sowohl unterhalb des Medianentgelts der weiblichen Vergleichsgruppe als auch unterhalb des Medianentgelts der männlichen Vergleichsgruppe der dritten Führungsebene. Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage primär die Differenz ihrer individuellen Vergütung zum Entgelt eines von ihr namentlich benannten männlichen Vergleichskollegen bzw. des weltweit bestbezahlten Kollegen der dritten Führungsebene, hilfsweise die Differenz ihrer individuellen Vergütung zum Medianentgelt der männlichen Vergleichsgruppe.
Gehalt war vergleichsweise niedrig, …
Das LAG sah indes nur ein hinreichendes Indiz für eine geschlechtsbezogene Benachteiligung in Höhe der Differenz des männlichen zum weiblichen Medianentgelt. Im vorliegenden Fall stand fest, dass die Vergütung des zum Vergleich herangezogenen Kollegen oberhalb des Medianentgelts der männlichen Vergleichsgruppe und die Vergütung der Klägerin zudem unterhalb des von der Beklagten konkret bezifferten Medianentgelts der weiblichen Vergleichsgruppe lag.
…aber geschlechtsbedingte Benachteiligung nicht nachzuweisen
Es bestand jedoch keine hinreichende Kausalitätsvermutung dahingehend, dass die volle Differenz des individuellen Gehalts der Klägerin zum Gehalt des namentlich benannten männlichen Kollegen bzw. dem Median der männlichen Vergleichsgruppe auf einer geschlechtsbedingten Benachteiligung beruhte.
Gleichbehandlungsgrundsatz auf Durchschnittswert gerichtet
Einen Anspruch auf Anpassung „nach ganz oben“ konnte die Klägerin nach Ansicht des LAG auch nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz sei bei Differenzierungen innerhalb der begünstigten Gruppe auf den Durchschnittswert gerichtet. Vorliegend gelang es der Beklagten schließlich nicht, eine Rechtfertigung der danach verbleibenden Ungleichbehandlung, etwa anhand der Kriterien „Berufserfahrung“, „Betriebszugehörigkeit“ oder „Arbeitsqualität“, konkret darzulegen.
Quelle | LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 1.10.2024, 2 Sa 14/24, PM vom 1.10.2024