Arbeitsrecht Info - 01.2022

2.01.2022
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Beschäftigungsende:

Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

| Kündigt ein Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis und wird er am Tag der Kündigung arbeitsunfähig krankgeschrieben, kann dies den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung insbesondere erschüttern, wenn die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfasst. So sieht es das Bundesarbeitsgericht (BAG). |

Das war geschehen

Die Klägerin war bei der Beklagten seit Ende August 2018 als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Am 8.2.2019 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis zum 22.2.2019 und legte der Beklagten eine auf den 8.2.2019 datierte, als Erstbescheinigung gekennzeichnete Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Die Beklagte verweigerte die Entgeltfortzahlung. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei erschüttert, weil diese genau die Restlaufzeit des Arbeitsverhältnisses nach der Eigenkündigung der Klägerin abdecke. Die Klägerin hat demgegenüber geltend gemacht, sie sei ordnungsgemäß krankgeschrieben gewesen und habe vor einem Burn-Out gestanden. Die Vorinstanzen haben der auf Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 8.2. bis zum 22.2.2019 gerichteten Zahlungsklage stattgegeben.

Bundesarbeitsgericht: Zusammenhang zwischen Kündigungsfrist und Dauer der Arbeitsunfähigkeit

Die vom BAG nachträglich zugelassene Revision der Beklagten hat Erfolg. Die Klägerin hat die von ihr behauptete Arbeitsunfähigkeit im Streitzeitraum zunächst mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachgewiesen. Diese ist das gesetzlich vorgesehene Beweismittel.

Dessen Beweiswert kann der Arbeitgeber erschüttern, wenn er tatsächliche Umstände darlegt und ggf. beweist, die Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit geben. Gelingt das dem Arbeitgeber, muss der Arbeitnehmer substanziiert darlegen und beweisen, dass er arbeitsunfähig war. Der Beweis kann insbesondere durch Vernehmung des behandelnden Arztes nach entsprechender Befreiung von der Schweigepflicht erfolgen.

Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert. Die Koinzidenz zwischen der Kündigung vom 8.2. zum 22.2.2019 und der am 8.2. bis zum 22.2. 2019 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit begründet einen ernsthaften Zweifel an der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit. Die Klägerin ist im Prozess ihrer Darlegungslast zum Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit auch nach Hinweis des Senats nicht hinreichend konkret nachgekommen.

Das BAG hat die Klage daher abgewiesen.

Quelle | BAG, Urteil vom 8.9.2021, 5 AZR 149/21, PM 25/21


Arbeitszeitkonto:

So leicht kann der Arbeitgeber den Saldo nicht bestreiten

| Führt der Arbeitgeber für den einzelnen Arbeitnehmer ein Arbeitszeitkonto und weist er vorbehaltlos eine bestimmte Anzahl von Guthabenstunden aus, stellt er damit den Saldo des Kontos streitlos. Will der Arbeitgeber im Nachhinein den sich aus dem Arbeitszeitkonto zugunsten des Arbeitnehmers ergebenden Saldo erheblich bestreiten, muss er folgendermaßen vorgehen: Ausgehend von einer gestuften Darlegungslast muss er im Einzelnen darlegen, aufgrund welcher Umstände der ausgewiesene Saldo unzutreffend sei oder sich bis zur vereinbarten Schließung des Arbeitszeitkontos reduziert habe. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern. |

Diese Grundsätze gelten nach der Entscheidung aber nicht, wenn sich der Arbeitnehmer zur Begründung seines Anspruchs auf selbst gefertigte Arbeitszeitaufstellungen beruft, die sich der Arbeitgeber nicht zu eigen gemacht hat. In diesem Fall sind zunächst vom Arbeitnehmer die den behaupteten Saldo begründenden Tatsachen im Einzelnen darzulegen. Die Darlegungslast richtet sich nach den für einen Überstundenprozess geltenden Maßstäben.

Quelle | LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 5.11.2019, 5 Sa 73/19, Abruf-Nr. 212721 unter www.iww.de


Sozialschutzpaket:

Informationen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales

| Die Corona-Pandemie hat nach wie vor Einfluss auf den Arbeitsmarkt in Deutschland. Die Bundesregierung reagiert mit unterschiedlichen Maßnahmen, u. a. dem Sozialschutzpaket und erleichtertem Kurzarbeitergeld. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) stellt sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber Informationen auf ihrer Website zur Verfügung. |

Quelle | BMAS, Coronavirus: Informationen zu Kurzarbeit und Sozialschutz, abrufbar unter www.iww.de/s5744


Vergütungsregelung:

Arbeitgeber will Weihnachtsgeld streichen? Das ist mitbestimmungspflichtig!

| Das Streichen des Weihnachtsgelds als Teil der Gesamtvergütung greift in die betriebliche Vergütungsstruktur ein und bildet daher eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme. Die betriebliche Mitbestimmung setzt in jeder Form einen Beschluss des Betriebsrats und eine entsprechende Verlautbarung gegenüber dem Arbeitgeber voraus. Zu diesem Ergebnis kam das Arbeitsgericht (ArbG) Halle. |

Da die Mitbestimmungsrechte dem Betriebsrat zustehen, könne in seinem Schweigen auf Vorschläge des ArbG ebenso keine Zustimmung und auch keine den gesetzlichen Anforderungen genügende Mitbestimmung gesehen werden. Gleiches gilt für die bloße Hinnahme eines mitbestimmungswidrigen Verhaltens.

Quelle | ArbG Halle, Urteil vom 21.6.21, 8 Ca 2112/20, Abruf-Nr. 225168 unter www.iww.de


Corona-Pandemie:

Lockdown: Arbeitgeber trägt nicht das Betriebsrisiko

| Muss der Arbeitgeber seinen Betrieb aufgrund eines staatlich verfügten allgemeinen „Lockdowns“ zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vorübergehend schließen, trägt er nicht das Risiko des Arbeitsausfalls und ist nicht verpflichtet, den Beschäftigten Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu zahlen. Das hat jetzt das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |

Sachverhalt

Die Beklagte betreibt einen Handel mit Nähmaschinen und Zubehör und unterhält in Bremen eine Filiale. Dort ist die Klägerin seit Oktober 2019 als geringfügig Beschäftigte gegen eine monatliche Vergütung von 432 Euro im Verkauf tätig. Im April 2020 war das Ladengeschäft aufgrund der „Allgemeinverfügung über das Verbot von Veranstaltungen, Zusammenkünften und der Öffnung bestimmter Betriebe zur Eindämmung des Coronavirus“ der Freien Hansestadt Bremen vom 23.3.2020 geschlossen. Deshalb konnte die Klägerin nicht arbeiten und erhielt auch keine Vergütung.

Mit ihrer Klage hat sie die Zahlung ihres Entgelts für den Monat April 2020 unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs begehrt. Sie hat gemeint, die Schließung des Betriebs aufgrund behördlicher Anordnung sei ein Fall des von der Beklagten als Arbeitgeberin zu tragenden Betriebsrisikos. Dagegen hat die Beklagte Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die von der Stadt Bremen zur Pandemiebekämpfung angeordneten Maßnahmen beträfen das allgemeine Lebensrisiko, das nicht beherrschbar und von allen gleichermaßen zu tragen sei.

Unterschiedliche Sichtweisen der Instanzen

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Die vom Landesarbeitsgericht (LAG) zugelassene Revision der Beklagten beim BAG hatte Erfolg. Das BAG: Die Klägerin hat für den Monat April 2020, in dem ihre Arbeitsleistung und deren Annahme durch die Beklagte aufgrund der behördlich angeordneten Betriebsschließung unmöglich war, keinen Anspruch auf Entgeltzahlung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs.

Arbeitgeber trägt nicht Risiko des Arbeitsausfalls

Der Arbeitgeber trägt auch nicht das Risiko des Arbeitsausfalls, wenn wie hier zum Schutz der Bevölkerung vor schweren und tödlichen Krankheitsverläufen infolge von SARS-CoV-2-Infektionen durch behördliche Anordnung in einem Bundesland die sozialen Kontakte auf ein Minimum reduziert und nahezu flächendeckend alle nicht für die Versorgung der Bevölkerung notwendigen Einrichtungen geschlossen werden. In einem solchen Fall realisiert sich nicht ein in einem bestimmten Betrieb angelegtes Betriebsrisiko. Die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung ist vielmehr Folge eines hoheitlichen Eingriffs zur Bekämpfung einer die Gesellschaft insgesamt treffenden Gefahrenlage.

Lücken im sozialversicherungsrechtlichen Regelungssystem

Es ist Sache des Staates, gegebenenfalls für einen adäquaten Ausgleich der den Beschäftigten durch den hoheitlichen Eingriff entstehenden finanziellen Nachteile zu sorgen wie es zum Teil mit dem erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld geschehen ist. Soweit ein solcher wie bei der Klägerin als geringfügig Beschäftigte nicht gewährleistet ist, beruht dies auf Lücken in dem sozialversicherungsrechtlichen Regelungssystem. Aus dem Fehlen nachgelagerter Ansprüche lässt sich jedoch keine arbeitsrechtliche Zahlungspflicht des Arbeitgebers herleiten.

Quelle | BAG, Urteil vom 13.10.2021, 5 AZR 211/21, PM 31/21

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