Bewerbungsverfahren:
Die Suche nach einem „Berufseinsteiger“ ist altersdiskriminierend
Die Suche nach einem „Berufseinsteiger“ in einer Stellenanzeige kann ältere Bewerber diskriminieren und daher zu einem Schadenersatzanspruch führen.
Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf. Beklagte war eine größere Rechtsanwaltspartnerschaft. Diese hatte in einer Anzeige darauf hingewiesen, dass sie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte suche. Mit dieser Anzeige war ein Link auf ihre Webseite mit konkreten Stellenanzeigen verbunden. Sie suchte dort einen Rechtsanwalt für den Bereich Restrukturierung und Immobilienwirtschaft. In dem Text dieser Stellenausschreibung hieß es u.a.: „Suchen Sie nach einer realen Chance auf eine Partnerschaft in einer renommierten Anwaltskanzlei? Wir bieten eine spannende Alternative zu internationalen Großkanzleien, sowohl in beruflicher, wirtschaftlicher als auch persönlicher Hinsicht. Sie sind Berufseinsteiger oder haben bereits ein bis zwei Jahre als Rechtsanwalt in einer wirtschaftlich ausgerichteten Kanzlei gearbeitet“. Hierauf bewarb sich der Klägerer, ein 60 Jahre alter promovierter Rechtsanwalt, der seit dem Jahre 1988 als Einzelanwalt tätig ist. Die Beklagte lehnte seine Bewerbung ab, weil sie sich anderweitig entschieden habe. Daraufhin begehrte der Kläger eine Entschädigung von 10.000 EUR wegen Altersdiskriminierung. Die darauf gerichtete Klage hatte das Arbeitsgericht Essen abgewiesen.
In der Berufungsverhandlung wies das LAG Düsseldorf darauf hin, dass bei der Stellenanzeige wohl von einem diskriminierenden Sachverhalt auszugehen sein dürfte, in dem Sinne, dass potenzielle Bewerber wegen ihres Alters ausgeschlossen würden. Die Kammer hat aber zu erkennen gegeben, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg haben werde, weil aufgrund der Gesamtumstände erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Bewerbung des Klägers bestünden, d.h. diese wohl als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren sei. Nachdem die Beklagte sich auf Anregung des Gerichts verpflichtet hatte, an eine gemeinnützige Einrichtung 2.000 EUR zu spenden, hat der Kläger seine Berufung zurückgenommen (LAG Düsseldorf, 13 Sa 1198/13).
Leiharbeit:
Verbot von Leiharbeit bei dauerndem Beschäftigungsbedarf
Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz verbietet die auch nur befristete Beschäftigung von Leiharbeitnehmern, wenn sie einen dauerhaft anfallenden Bedarf abdecken sollen.
Dies hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein entschieden. In dem betreffenden Fall ging es um ein großes Tochterunternehmen eines weltweit im Bereich der Gesundheitsvorsorge agierenden Konzerns. Dieses beschäftigt u.a. in einer Abteilung zehn festangestellte Ingenieure und vier Führungskräfte. Diese brauchen eine Assistenz, die ihnen regelmäßig zuarbeitet. Dafür ist aber keine Planstelle vorgesehen. Bereits zwei Jahre lang beschäftigte das Unternehmen auf dieser Position befristet eine Leiharbeitnehmerin. Es beantragte 2013 beim Betriebsrat die Zustimmung zur erneuten befristeten Beschäftigung dieser Leiharbeitnehmerin für weitere zwei Jahre. Dieser verweigerte die Zustimmung.
Da eine Einstellung nur mit Zustimmung des Betriebsrats erfolgen darf, hat das Unternehmen die gerichtliche Zustimmungsersetzung beantragt, aber vom Arbeitsgericht nicht erhalten. Dieses gab dem Betriebsrat recht. Die Beschwerde des Unternehmens blieb vor dem LAG ohne Erfolg. Ein Leiharbeitnehmer dürfe bei objektiv dauerhaft anfallender Arbeit nur zu deren aushilfsweiser Wahrnehmung herangezogen werden. Andernfalls sei sein Einsatz nicht mehr „vorübergehend“. Das gelte auch, wenn der Leiharbeitnehmer beim Entleiher – befristet oder unbefristet beschäftigt – Daueraufgaben erfüllt, ohne einen Stammarbeitnehmer abgelöst zu haben. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und die europäische Leiharbeitsrichtlinie würden seit dem 1.12.11 nur eine „vorübergehende“ Beschäftigung von Leiharbeitnehmern zur Abdeckung von Auftragsspitzen oder zeitlich begrenztem Vertretungsbedarf erlauben und den Missbrauch von Leiharbeit verbieten. Mit diesem Argument könne der Betriebsrat seine Zustimmung zur Einstellung eines Leiharbeitnehmers verweigern (LAG Schleswig-Holstein, 3 TaBV 43/13).
Arbeitsentgelt:
Nachtzuschläge bei Betriebsratstätigkeit in der Tagschicht
Betriebsratsmitglieder haben – auch ohne nachts zu arbeiten – einen Anspruch auf Nachtzuschläge, wenn vergleichbare Arbeitnehmer für ihre Arbeit Nachtzuschläge erhalten haben und das Betriebsratsmitglied ohne die Übernahme der Betriebsratstätigkeit ebenso in der Nacht gearbeitet hätte.
Diese Entscheidung traf das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln im Fall eines Arbeitnehmers in einem Möbelhaus, der zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt worden war. Er war in Vollzeit in der Abteilung Logistik eingesetzt gewesen. Die Arbeitszeit der Vollzeitkräfte in dieser Abteilung beginnt spätestens um 4:00 Uhr morgens. Nach der Wahl vereinbarten das Unternehmen und der Betriebsrat, dass der Kläger täglich für 3,5 Stunden für Betriebsratsarbeit von der Arbeit befreit wurde. Gleichzeitig wurde der Arbeitsbeginn für ihn einvernehmlich auf 6:00 Uhr verschoben, um für die Mitarbeiter die Kontaktaufnahme zu verbessern.
Das LAG sprach dem Kläger die ihm in der Zeit von 4.00 Uhr bis 6.00 Uhr dadurch entgangenen Nachtzuschläge zu und begründete das im Wesentlichen mit den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes. Danach dürfe das Arbeitsentgelt von Betriebsratsmitgliedern nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Das Betriebsratsmitglied müsse daher so gestellt werden, als ob es keine Amtstätigkeit ausgeübt hätte (LAG Köln, 12 Sa 682/13).
Kirchlicher Arbeitgeber:
Entschädigungsanspruch einer konfessionslosen Bewerberin
Eine nicht berücksichtigte Bewerberin um eine Stelle bei einem kirchlichen Arbeitgeber kann eine Entschädigung in Höhe eines Bruttomonatsentgelts verlangen, wenn sie wegen ihrer fehlenden konfessionellen Bindung und damit aus Gründen der Religion benachteiligt worden ist.
Diese Entscheidung traf das Arbeitsgericht Berlin in einem entsprechenden Fall. Der Beklagte – ein Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) – schrieb eine Stelle für einen Referenten/eine Referentin aus, um einen unabhängigen Bericht zur Umsetzung der Antirassismuskonvention der Vereinten Nationen durch Deutschland erstellen zu lassen. In der Stellenausschreibung wurden entsprechend den kirchlichen Bestimmungen die Mitgliedschaft in einer evangelischen oder der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen angehörenden Kirche sowie die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag vorausgesetzt. Die Klägerin, die nicht Mitglied einer Kirche ist, bewarb sich erfolglos um die Stelle. Zu einem Vorstellungsgespräch wurde sie nicht eingeladen. Mit ihrer Klage hat sie den Beklagten auf Zahlung einer Entschädigung wegen einer Benachteiligung nach dem
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Anspruch genommen.
Das Arbeitsgericht hat eine Benachteiligung der Klägerin wegen ihrer Religion angenommen und den Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe eines Bruttomonatsgehalts verurteilt. Der Beklagte dürfe eine Einstellung von einer Kirchenmitgliedschaft nur abhängig machen, wenn es sich um eine „wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung“ handele. Dies könne in Bezug auf die hier fragliche Referententätigkeit nicht festgestellt werden. Das Thema „Antirassismus“ sei zwar auch nach „religiösen und diakonischen Wertvorstellungen“ von Bedeutung. Eine Religionszugehörigkeit sei für die ausgeschriebene Tätigkeit jedoch nicht erforderlich. Der Beklagte könne sich in Bezug auf die Besetzung der Stelle nicht auf das nach Art. 140 Grundgesetz (GG) garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen berufen. Auch liege keine nach § 9 AGG zulässige unterschiedliche Behandlung wegen der Religion vor (Arbeitsgericht Berlin, 54 Ca 6322/13).