Kündigungsrecht:
Verstoß gegen Handyverbot ist kein zwingender Grund für eine Kündigung
| Wenn ein Arbeitnehmer gegen ein betriebliches Handyverbot verstößt, ohne dass dies nachteilige Folgen für den Arbeitgeber hat, ist eine deswegen ausgesprochene Kündigung unwirksam bzw. sozial ungerechtfertigt. |
Das hat das Arbeitsgericht Karlsruhe am 29.12.15 entschieden (1 Ca 206/15). In dem Verfahren hatte eine Arbeitnehmerin gegen ihre Kündigung geklagt. Ihr Arbeitgeber, ein Hersteller von Fensterprofilen, hatte zum Schutz vor Industriespionage den Mitarbeitern den Einsatz mobiler Endgeräte verboten. Dennoch fotografierte die Klägerin mit ihrem privaten Handy eine vor ihrem Arbeitsplatz stehende Pinnwand. Diese enthielt Informationen, die sie für ihre Arbeit brauchte. Der Arbeitgeber kündigte der Klägerin wegen dieses Verstoßes gegen das Handyverbot fristlos und hilfsweise ordentlich. Er begründete die Kündigung damit, dass die Klägerin hochsensible Daten und Werkzeuge fotografiert habe, die einen großen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Unternehmen darstellten. Als Grund für ihre Klage gegen die Kündigung führte die Klägerin an, dass sie die Liste nur aus Bequemlichkeit fotografiert habe, weil diese so hoch gehangen habe und sie stark kurzsichtig sei. Sie habe das nur einmal getan und keine Information nach außen getragen. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Der Arbeitgeber hat hiergegen Berufung eingelegt, die beim Landesarbeitsgericht (LAG) Stuttgart unter dem Aktenzeichen 11 Sa 12/16 anhängig ist.
MERKE | Der Verstoß eines Arbeitnehmers gegen ein betriebliches Handyverbot, gerade wenn es – wie hier – der Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen dient, kann zwar grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Voraussetzung hierfür wäre im Streitfall aber gewesen, dass die Klägerin das Foto gegen die Interessen der Beklagten gerichtet weiterverwendet oder wenigstens eine entsprechende Absicht gehabt hätte. Hierfür gibt es jedoch keine Anhaltspunkte.
Quelle | Arbeitsgericht Karlsruhe, Urteil vom 29.12.2015, 1 Ca 206/15, Abruf-Nr. 186544 unter www.iww.de.
Elternzeit:
Elternzeit kann nicht per Telefax verlangt werden
| Wer Elternzeit für den Zeitraum bis zum vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes beanspruchen will, muss sie spätestens sieben Wochen vor Beginn der Elternzeit schriftlich vom Arbeitgeber verlangen. Gleichzeitig muss erklärt werden, für welche Zeiten innerhalb von zwei Jahren Elternzeit genommen werden soll. Dabei müssen aber bestimmte Schriftformerfordernisse eingehalten werden. So kann die Elternzeit nicht per Telefax verlangt werden. |
Hierauf hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall einer Rechtsanwaltsfachangestellten hingewiesen. Ihr Arbeitgeber hatte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 15.11.13 gekündigt. Im Kündigungsrechtsstreit machte die Klägerin geltend, sie habe dem Beklagten nach der Geburt ihrer Tochter per Telefax am 10.6.13 mitgeteilt, dass sie Elternzeit für zwei Jahre in Anspruch nehme. Der Beklagte habe deshalb das Arbeitsverhältnis nicht kündigen dürfen. Die Vorinstanzen haben der Kündigungsschutzklage stattgegeben.
Die Revision des Beklagten hatte vor dem BAG Erfolg. Das Arbeitsverhältnis ist durch die Kündigung vom 15.11.13 aufgelöst worden. Die Klägerin genoss keinen Sonderkündigungsschutz. Sie hat mit ihrem Telefax vom 10.6.13 nicht wirksam Elternzeit verlangt.
Bei der Inanspruchnahme handelt es sich um eine rechtsgestaltende empfangsbedürftige Willenserklärung. Durch sie wird das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit – vorbehaltlich der Vereinbarung einer Teilzeitbeschäftigung – zum Ruhen gebracht. Es ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber zustimmt. Das Elternzeitverlangen erfordert die strenge Schriftform i.S.d. Bürgerlichen Gesetzbuchs. Es muss deshalb von der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden. Ein Telefax oder eine E-Mail wahrt die vorgeschriebene Schriftform nicht. Die Erklärung ist vielmehr nichtig.
Allerdings kann sich ein Arbeitgeber aufgrund der Besonderheiten des konkreten Falls treuwidrig verhalten, indem er sich darauf beruft, das Schriftformerfordernis sei nicht gewahrt. Solche Besonderheiten lagen hier jedoch nicht vor.
Quelle | BAG, Urteil vom 10.5.2016, 9 AZR 145/15, Abruf-Nr. 185962 unter www.iww.de.
Arbeitsentgelt:
Voraussetzungen für den Anspruch auf Entgeltzahlung während einer ambulanten Kur
| Gesetzlich Versicherte haben während einer ambulanten Vorsorgekur gegen ihren Arbeitgeber ausschließlich dann Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn die vom Sozialleistungsträger (z.B. Krankenkasse) bewilligte Maßnahme in einer Einrichtung der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation i.S.d. § 107 Abs. 2 SGB V durchgeführt wird und keinen urlaubsmäßigen Zuschnitt hat. |
Diese Klarstellung traf das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall einer Frau, die seit 2002 beim beklagten Land als Köchin beschäftigt ist. 2013 unterzog sie sich einer von der AOK bezuschussten ambulanten Kur auf der Insel Langeoog. Im dortigen Kur- und Wellnesscenter erhielt sie nach ihrem Vorbingen insgesamt 30 Anwendungen, nämlich je sechs Meerwasserwarmbäder, Bewegungsbäder, Massagen, Schlickpackungen und Lymphdrainagen. Außerdem sollte sie täglich in der Brandungszone inhalieren. Das beklagte Land weigerte sich im Vorfeld, die Frau für die Dauer der Kur von der Arbeit freizustellen und ihren Lohn weiterzuzahlen. Daraufhin beantragte die Frau Urlaub, der ihr bewilligt wurde. Mit ihrer Klage hat sie geltend gemacht, der genommene Urlaub dürfe nicht auf den Urlaubsanspruch angerechnet werden. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die Berufung zurückgewiesen.
Auch vor dem BAG blieb die Frau erfolglos. Besteht – wie hier – keine Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit, dürfen Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation nach § 10 Bundesurlaubsgesetz nicht auf den Urlaub angerechnet werden, wenn ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach den gesetzlichen Vorschriften über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall besteht. Ein solcher Anspruch setzt bei gesetzlich Versicherten voraus, dass die vom Träger der Sozialversicherung oder einem sonstigen Sozialleistungsträger bewilligte ambulante Vorsorgekur in einer Einrichtung der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation durchgeführt wird. Das sind nur Einrichtungen, die den Anforderungen des § 107 Abs. 2 SGB V genügen. Weil dies vorliegend nicht der Fall war, bestand kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
Quelle | BAG, Urteil vom 25.5.2016, 5 AZR 298/15, Abruf-Nr. 186545 unter www.iww.de.
Mindestlohn:
Jahressonderzahlungen sind auf den gesetzlichen Mindestlohn anzurechnen
| Der Arbeitgeber schuldet den gesetzlichen Mindestlohn für jede tatsächlich geleistete Arbeitsstunde. Er erfüllt den Anspruch durch die im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis als Gegenleistung für Arbeit erbrachten Entgeltzahlungen, soweit diese dem Arbeitnehmer endgültig verbleiben. Die Erfüllungswirkung fehlt nur solchen Zahlungen, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung (z.B. § 6 Abs. 5 ArbZG) beruhen. |
So entschied es das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall einer Arbeitnehmerin, die in Vollzeit beschäftigt war. Ihr Arbeitsvertrag sah neben einem Monatsgehalt besondere Lohnzuschläge sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld vor. Im Dezember 2014 schloss der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung, wie die Jahressonderzahlungen ausgezahlt werden sollten. Danach erhält die Arbeitnehmerin seit Januar 2015 monatlich neben dem Bruttogehalt i.H.v. 1.391,36 EUR je 1/12 des Urlaubs- und des Weihnachtsgelds, in der Summe 1.507,30 EUR brutto.
Die Arbeitnehmerin hat geltend gemacht, ihr Monatsgehalt und die Jahressonderzahlungen müssten ebenso wie die vertraglich zugesagten Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit auf der Basis des gesetzlichen Mindestlohns i.H.v. 8,50 EUR brutto/Stunde geleistet werden. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Arbeitnehmerin Nachtarbeitszuschläge i.H.v. 0,80 EUR brutto zugesprochen.
Die Revision der Arbeitnehmerin ist erfolglos geblieben. Sie hat aufgrund des Mindestlohngesetzes keinen Anspruch auf erhöhtes Monatsgehalt, erhöhte Jahressonderzahlungen sowie erhöhte Lohnzuschläge. Der gesetzliche Mindestlohn tritt als eigenständiger Anspruch neben die bisherigen Anspruchsgrundlagen, verändert diese aber nicht. Der nach den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden bemessene Mindestlohnanspruch der Arbeitnehmerin für den Zeitraum Januar bis November 2015 ist erfüllt. Das folgt daraus, dass auch den vorbehaltlos und unwiderruflich in jedem Kalendermonat zu 1/12 geleisteten Jahressonderzahlungen Erfüllungswirkung zukommt.
Quelle | BAG, Urteil vom 25.5.2016, 5 AZR 135/16, Abruf-Nr. 186541 unter www.iww.de.