Arbeitsrecht Info - 10.2022

1.10.2022
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Kündigungsschutzverfahren:

Kein Wiedereinstellungsanspruch in der Insolvenz

| In der Insolvenz des Arbeitgebers besteht kein Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers. Ist ein solcher Anspruch vor Insolvenzeröffnung bereits gegenüber entstanden, erlischt er mit Insolvenzeröffnung. Die Insolvenzordnung bindet den Insolvenzverwalter nur an bereits vom Schuldner begründete Arbeitsverhältnisse, kennt jedoch keinen Kontrahierungszwang des Insolvenzverwalters, also keine Pflicht, Verträge einzugehen. Einen solchen Zwang kann nur der Gesetzgeber anordnen. So entschied es aktuell das Bundesarbeitsgericht (BAG). |

Der Kläger war bei einem Betten- und Matratzenhersteller mit rund 300 Arbeitnehmern beschäftigt. Dieser kündigte das Arbeitsverhältnis wirksam zum 31.7.19 wegen Betriebsstilllegung. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, noch während der Kündigungsfrist sei ein Betriebsübergang auf die spätere Schuldnerin beschlossen und am 1.8.19 vollzogen worden. Er nahm deshalb die spätere Schuldnerin, die etwa 20 Arbeitnehmer beschäftigte, auf Wiedereinstellung in Anspruch. Gegen eine von der späteren Schuldnerin erklärte vorsorgliche Kündigung erhob er fristgerecht Kündigungsschutzklage. Während des Berufungsverfahrens wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Das Verfahren wurde dadurch unterbrochen. Der Kläger erklärte mit Schriftsatz vom 29.6.20 die Aufnahme des Verfahrens. Der Beklagte widersprach der Aufnahme. Das LAG hat mit Zwischenurteil festgestellt, dass das Verfahren weiterhin unterbrochen ist.

Die Revision des Klägers hatte vor dem BAG aus prozessualen Gründen Erfolg. Der richterrechtlich entwickelte Wiedereinstellungsanspruch kommt zum Tragen, wenn sich die bei Zugang der Kündigung noch zutreffende Prognose des Arbeitgebers, der Beschäftigungsbedarf werde bei Ablauf der Kündigungsfrist entfallen, als fehlerhaft erweist, etwa, weil es zu einem Betriebsübergang kommt. Zwar besteht ein solcher Anspruch in der Insolvenz nicht, sodass der Rechtsstreit an sich nicht unterbrochen wird. Wird jedoch mit dem Wiedereinstellungsanspruch wie im vorliegenden Fall zugleich die Wirksamkeit einer Kündigung angegriffen, führt das zur Unterbrechung auch bezüglich des Streits über die Wiedereinstellung. Umgekehrt hat die Aufnahme des Kündigungsrechtsstreits, für die es genügt, dass bei Obsiegen des Arbeitnehmers Masseverbindlichkeiten entstehen können, auch die Aufnahme des Streits über die Wiedereinstellung zur Folge.

Quelle | BAG, Urteil vom 25.5.22, 6 AZR 224/21, PM 19/22


Schwarzarbeit:

Leistungsempfänger wegen Betrugs verurteilt

| Schwarzarbeit lohnt sich nicht noch dazu, wenn man gleichzeitig Arbeitslosengeld II kassiert. Das musste ein 48-Jähriger vor dem Amtsgericht (AG) Dessau-Roßlau erfahren. Er wurde zu neun Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Um die Aussetzung der Strafe nicht zu gefährden, hat er nun für die Dauer von zwei Jahren Zeit, sich zu bewähren. |

Die Bediensteten des Hauptzollamts Magdeburg Finanzkontrolle Schwarzarbeit Dessau ermittelten, dass der Mann zwischen November 2017 und November 2018 eine selbstständige Tätigkeit ausübte und dabei im genannten Zeitraum ein Einkommen von über 20.400 Euro erzielte. Zur Verschleierung seiner Aktivitäten gründete der Unternehmer zwei Limited Unternehmen (britische Kapitalgesellschaften) in Großbritannien. Zusätzlich war der Verurteilte auf Geringfügigkeitsbasis tätig. Der Sachverhalt wurde im Zuge einer Geschäftsunterlagenprüfung nach dem Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz – SchwarzArbG) bei einem Auftraggeber bekannt.

Während der Zeit der Selbstständigkeit bezog er von Oktober 2017 bis August 2018 zu Unrecht Arbeitslosengeld II in Höhe von 7.400 Euro. Er verschwieg pflichtwidrig gegenüber dem Jobcenter Dessau-Roßlau die Ausübung seiner selbstständigen Tätigkeit und das erzielte Einkommen hieraus. Lediglich die geringfügige Tätigkeit und das daraus stammende Einkommen zeigte er beim Jobcenter an. Damit erfüllte der Mann nach Ansicht des Gerichts den Tatbestand des Betrugs (strafbar nach § 263 Strafgesetzbuch StGB). Diese Vorschrift sieht im Fall des Betrugs eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vor.

Das Urteil ist bereits rechtskräftig. Neben der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung muss der Verurteilte den verursachten Schaden wiedergutmachen.

Quelle | Hauptzollamt Magdeburg, PM vom 1.7.2022


Kündigungsschutzklage:

Bei gefälschtem Genesenennachweis droht Kündigung

| Die Vorlage eines gefälschten Genesenennachweises anstelle eines tagesaktuellen Corona-Tests oder Impfnachweises kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Das hat das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin entschieden und eine Kündigungsschutzklage abgewiesen. |

Regeln des Infektionsschutzgesetzes

Nach dem Infektionsschutzgesetz (§ 28b Abs. 1 InfSchG in der vom 24.11.2021 bis 19.3.2022 gültigen Fassung) durften Beschäftigte Arbeitsstätten, in denen physische Kontakte untereinander oder zu Dritten nicht ausgeschlossen werden können, nur nach Vorlage eines Impfnachweises, eines Genesenennachweises oder eines tagesaktuellen Tests im Sinne der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung betreten.

Das war geschehen

Der als Justizbeschäftigter bei einem Gericht tätige Kläger legte einen Genesenennachweis vor, obwohl bei ihm keine Corona-Erkrankung festgestellt worden war, und erhielt so Zutritt zum Gericht ohne Vorlage eines aktuellen Tests oder Impfnachweises. Nachdem festgestellt wurde, dass es sich bei dem Genesenennachweis um eine Fälschung handelte, erklärte das Land Berlin als Arbeitgeber nach Anhörung des Justizbeschäftigten die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Diese Kündigung ist nach der Entscheidung des ArbG wirksam, weil der erforderliche wichtige Grund für eine außerordentliche Kündigung vorliege.

Justizbeschäftigter: erkennbar, dass Fälschung Konsequenzen haben würde

Der Arbeitgeber habe einen Zutritt nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 28b Abs. 1 InfSchG gewähren dürfen. Den hier geregelten Nachweispflichten komme auch im Hinblick auf den angestrebten Gesundheitsschutz für alle Menschen im Gericht eine erhebliche Bedeutung zu. Deshalb sei die Verwendung eines gefälschten Genesenennachweises zur Umgehung dieser geltenden Nachweispflichten eine erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Rücksichtnahmepflichten. Eine vorherige Abmahnung dieses Sachverhalts sei nicht erforderlich. Es sei für den Kläger als Justizbeschäftigten ohne Weiteres erkennbar gewesen, dass ein solches Verhalten nicht hingenommen werde. Auch im Hinblick auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses von drei Jahren überwiege das arbeitgeberseitige Interesse an einer sofortigen Beendigung.

Gegen das Urteil kann Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg eingelegt werden.

Quelle | ArbG Berlin, Urteil vom 26.4.2022, 58 Ca 12302/21, PM 12/22 vom 30.5.2022


Rettungsassistent:

Gleiche Arbeit, gleicher Lohn

| Die Differenzierung im Stundenlohn (17 Euro/12 Euro) zwischen „hauptamtlichen“ (Voll- und Teilzeit) und „nebenamtlichen“ Arbeitnehmern (geringfügige Beschäftigung) ist nicht sachlich gerechtfertigt. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) München. |

Ein als Minijobber beschäftigter Rettungsassistent wehrte sich, weil er fünf Euro weniger als die „hauptamtlichen“ Kollegen verdiene, obwohl er die gleiche Arbeit leiste. Seine Klage vor dem Arbeitsgericht (ArbG) München verlor der Arbeitnehmer zunächst.

Doch er blieb hartnäckig. Mit Erfolg: Das LAG München sah das nämlich anders als das ArbG: Die Tatsache, dass der Arbeitgeber die „hauptamtlich“ Beschäftigten in den Dienstplan einteilen würden und die „nebenamtlich“ Beschäftigten mitteilen müssten, welche angebotenen Dienste sie übernehmen bzw. wann sie Zeit haben, rechtfertige die unterschiedliche Bezahlung nicht. Hierfür seien keine objektiven Gründe gegeben, die einem wirklichen Bedürfnis des Unternehmens dienen würden und zur Zielerreichung geeignet und erforderlich seien. Auch würde die Unterscheidung nicht dem Zweck der Leistung entsprechen.

Die Sache ist noch nicht rechtskräftig. Denn der Arbeitgeber hat Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) eingelegt.

Quelle | LAG München, Urteil vom 19.1.2022, 10 Sa 582/21, Abruf-Nr. 228533 unter www.iww.de


Kündigung:

Urlaub bei einem anderen Arbeitgeber wird angerechnet

| Der Arbeitnehmer muss sich den ihm während des Kündigungsschutzrechtsstreits von einem anderen Arbeitgeber gewährten Urlaub auf seine Urlaubsansprüche gegen den alten Arbeitgeber anrechnen lassen. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen. Voraussetzung: Der Arbeitnehmer hätte die Pflichten aus beiden Arbeitsverhältnissen nicht gleichzeitig erfüllen können. Das gilt auch für den vertraglich vereinbarten Urlaub, der den Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigt. |

Eine Verkäuferin hatte nach ihrer fristlosen Kündigung eine Kündigungsschutzklage erhoben. Während des Verfahrens arbeitete sie bei einem anderen Arbeitgeber und nahm dort auch Urlaub.

Das LAG machte deutlich: Auch bei der Anrechnung des Urlaubs ist eine Gesamtberechnung anhand des im gesamten Anrechnungszeitraum gewährten Urlaubs vorzunehmen. Die Arbeitnehmerin konnte daher nicht einerseits bei dem neuen Arbeitgeber Urlaub nehmen und andererseits beim alten Arbeitgeber für die gleiche Zeit Urlaubsabgeltung verlangen.

Quelle | LAG Niedersachsen, Urteil vom 2.5.2022, 15 Sa 885/21

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