Auch bei Bezug von vermögenswirksamen Leistungen besteht Anspruch auf Tarifmindestlohn
Auch wenn Arbeitnehmer vermögenswirksame Leistungen vom Arbeitgeber erhalten, haben sie Anspruch auf den ungekürzten Mindestlohn.
Diese Entscheidung traf der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Fall eines Gebäudereinigers bei der Deutschen Bahn. Er verlangte von seinem Arbeitgeber den vollen im Tarifvertrag festgelegten Mindestlohn. Der Arbeitgeber berief sich darauf, dass der Arbeitnehmer auch noch vermögenswirksame Leistungen beziehe. Rechne man diese zu seinem Lohn dazu, sei der Mindestlohn bereits überschritten. Das Bundesarbeitsgericht hat den Fall dem EuGH vorgelegt, um zu klären, ob diese Vergütungsbestandteile auf den geschuldeten Mindestlohn anzurechnen sind.
Der EuGH hat klargestellt, dass eine Anrechnung besonderer Vergütungsbestandteile auf den geschuldeten Mindestlohn grundsätzlich nicht ausgeschlossen sei. Voraussetzung sei jedoch, dass dadurch das Verhältnis zwischen der Leistung des Arbeitnehmers und dem Arbeitslohn als der geschuldeten Gegenleistung nicht verändert werde. Vorliegend sei bei den vermögenswirksamen Leistungen zu berücksichtigen, dass sie nicht als Lohn für die Arbeitsleistung gedacht seien. Vielmehr stehe hier die Vermögensbildung im Vordergrund. Daher seien sie nicht Teil des üblichen Verhältnisses zwischen der Arbeitsleistung und der hierfür vom Arbeitgeber zu erbringenden finanziellen Gegenleistung. Hieraus folge, dass eine Anrechnung im vorliegenden Fall ausgeschlossen sei (EuGH, C-522/12).
Teilzeitarbeit:
Rechtsmissbrauch bei Wunsch nach einer Arbeitszeitverringerung ist möglich
Ein Antrag auf eine nur geringfügige Arbeitszeitverringerung ist nicht stets ein Zeichen für einen Rechtsmissbrauch. Dieser liegt aber vor, wenn nur bestimmte Urlaubszeiten abgesichert werden sollen, auf die kein Anspruch besteht.
Diese Klarstellung traf das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Rechtsstreit eines Piloten, der als Flugkapitän arbeitete. Er verlangte eine Verringerung seiner Jahresarbeitszeit im Umfang von 3,29 Prozent bzw. etwa zehn Tagen. Dabei wollte er seine freie Zeit immer in die Weihnachtszeit legen. Der Arbeitgeber sah diese „Arbeitszeitverringerung“ als bloßen Vorwand an, um über Weihnachten und Neujahr Urlaub machen zu können.
So sahen es auch die Richter am BAG. Sie hielten den Antrag für rechtsmissbräuchlich und wiesen die Klage des Piloten ab. Der Umfang der begehrten Arbeitszeitverringerung sei mit 3,29 Prozent so gering, dass dieser Wunsch nur vorgeschoben sei. Dem Piloten ginge es offensichtlich darum, sich der betrieblichen Urlaubsplanung zu entziehen. Anderenfalls wäre er hin und wieder auch über Weihnachten und Neujahr zum Dienst eingeteilt worden. Zwar sei ein Antrag auf eine nur geringfügige Arbeitszeitverringerung nicht automatisch ein Anzeichen für einen Rechtsmissbrauch. Dieser liege aber vor, wenn besondere Umstände darauf schließen ließen, der Arbeitnehmer wolle die Mini-Teilzeit zweckwidrig nur dazu nutzen, eine bestimmte Verteilung der Arbeitszeit zu erreichen, auf die er sonst keinen Anspruch hätte. Die hier vorliegende Arbeitszeitverringerung sei minimal, erfasse aber den Zeitraum vom 22.12. bis zum 2.1., in dem erfahrungsgemäß viele Arbeitnehmer gern Urlaub hätten. Es sei dem Piloten nicht um eine Arbeitszeitverringerung, sondern um eine Absicherung seines Weihnachtsurlaubs gegangen (BAG, 9 AZR 786/11).
Außerordentliche Kündigung:
Kündigung wegen Arbeit während der Krankheit
Der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) wegen Bluthochdrucks und Atemnot ist durch Schleifarbeiten im privaten Bereich erschüttert. Hierin liegt auch ein genesungswidriges Verhalten.
Diese Entscheidung traf das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz im Fall eines 59-jährigen Masseurs, der für eine Woche wegen Bluthochdrucks und Atemnot krankgeschrieben war. Zuvor hatte er eine Krebserkrankung überstanden und war daher gesundheitlich beeinträchtigt. Während der Arbeitsunfähigkeit half er an drei Tagen seiner Tochter bei der Hausrenovierung. Dabei wurde er von einem Detektiv beobachtet, den sein Arbeitgeber eingeschaltet hatte. Der Arbeitgeber sprach daraufhin eine außerordentliche Kündigung aus. Die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers wurde in zweiter Instanz vom LAG abgewiesen.
Nach Auffassung der Richter war der Beweiswert der ärztlichen AUB hier im Streitfall erschüttert. Körperlich anstrengende Arbeiten seien nicht mit der ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit wegen Bluthochdrucks und Atemnot zu vereinbaren. Wer Schleifarbeiten mit Atemmaske verrichten könne, müsse auch die Arbeit als Masseur ausführen. Überdies habe der Arbeitnehmer die Pflicht zur Förderung seiner Genesung verletzt. Ein zur Kündigung berechtigender Pflichtverstoß könne auch darin liegen, dass er bei bescheinigter Arbeitsunfähigkeit den Heilungserfolg durch gesundheitswidriges Verhalten gefährde (LAG Rheinland-Pfalz, 10 Sa 100/13).
Arbeitsvertragsrecht:
Kein Anspruch auf „Weihnachtsgeschenk“
Ein Arbeitnehmer, der an einer betrieblichen Weihnachtsfeier nicht teilgenommen hat, hat keinen Anspruch auf das bei dieser Gelegenheit an die anwesenden Mitarbeiter verschenkte iPad mini im Wert von ca. 400 EUR.
So entschied es das Arbeitsgericht Köln im Fall eines Handelsunternehmens mit ca. 100 Mitarbeitern. Dieses wollte mit dieser nicht angekündigten Geschenkaktion die in der Vergangenheit geringe Teilnehmerzahl an Betriebsfeiern steigern. Das iPad wurde deshalb nur an die anwesenden ca. 75 Mitarbeiter bei der Weihnachtsfeier 2012 vergeben. Der klagende Arbeitnehmer, der zum Zeitpunkt der Weihnachtsfeier arbeitsunfähig war, berief sich auf die Gleichbehandlung und sah das iPad zudem als Vergütung an, die ihm auch während seiner Krankheit zustehe.
Dem folgte das Gericht nicht: Der Arbeitgeber habe mit seiner „Überraschung“ ein freiwilliges Engagement außerhalb der Arbeitszeit belohnen wollen. Deshalb handele es sich um eine Zuwendung eigener Art, die nicht mit einer Vergütung für geleistete Arbeit zu vergleichen sei. Der Arbeitgeber sei bei solchen Zuwendungen auch berechtigt, die Mitarbeiter unterschiedlich zu behandeln, wenn er damit das Ziel verfolgt, die Betriebsfeiern attraktiver zu gestalten und die Mitarbeiter zur Teilnahme zu motivieren (Arbeitsgericht Köln, 3 Ca 1819/13).