Einkommensteuer:
Müllabfuhr und Abwasserentsorgung: Keine haushaltsnahen Dienstleistungen
| Häufig kommt es zu Streitigkeiten mit den Finanzbehörden, ob Steuerpflichtige Dienstleistungen hier der öffentlichen Entsorgungsbetriebe bei ihrer Steuererklärung berücksichtigen können. Das Finanzgericht (FG) Münster hat entschieden, dass Müllentsorgungs- und Abwassergebühren nicht unter die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen fallen. Letztlich entscheiden wird nun der Bundesfinanzhof (BFH), da die Revision eingelegt wurde. |
Eine Gemeinde erhob Abgaben für die Restmüll- und die Komposttonne sowie für die Schmutzwasserentsorgung. Hierfür begehrte die Steuerpflichtige eine Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen. Doch das lehnten sowohl das Finanzamt (FA) als auch das FG Münster ab.
Das FG hat die Klage u. a. aus folgenden Gründen abgewiesen: Die Müllentsorgung und die Schmutzwasserableitung sind keine typischen hauswirtschaftlichen Arbeiten. Die hierfür von der Gemeinde erhobenen Abgaben decken gerade nicht die von der Steuerpflichtigen auf ihrem Grundstück erbrachten Leistungen, wie das Sortieren des Mülls, ab. Es handelt sich um Aufgaben, die typischerweise von den Kommunen übernommen werden.
Die Gesamtleistung „Müllentsorgung“ ist auch dann nicht als haushaltsnahe Dienstleistung zu qualifizieren, wenn ein (untergeordneter) Bestandteil im Haushalt des Steuerpflichtigen beginnt, der Hauptteil der Dienstleistung aber gerade außerhalb des räumlich funktionalen Bereichs erbracht wird. Gleiches gilt für die Gebühren zur Entsorgung des Schmutzwassers.
Beachten Sie | Bis zur höchstrichterlichen Entscheidung des BFH empfiehlt es sich, Müllentsorgungs- und Abwassergebühren in der Steuerklärung geltend zu machen, und ggf. (unter Berufung auf das Revisionsverfahren) Einspruch bem FA einzulegen.
Quelle | FG Münster, Urteil vom 24.2.2022, 6 K 1946/21 E, Rev. BFH, VI R 8/22, Abruf-Nr. 228467 unter www.iww.de
Energetische Sanierung:
Steuerermäßigung für sommerlichen Wärmeschutz
| Für energetische Maßnahmen an einem zu eigenen Wohnzwecken genutzten eigenen Gebäude ist eine Steuerermäßigung möglich. Ab 2021 können auch Maßnahmen zur Verbesserung des sommerlichen Wärmeschutzes isoliert vorgenommen und gefördert werden. Darauf hat das Finanzministerium (FinMin) Schleswig-Holstein hingewiesen. |
Wurden solche Maßnahmen im Jahr 2020 durchgeführt, sind sie nur begünstigt, wenn sie im Zusammenhang mit der Wärmedämmung von Wänden oder der Erneuerung bzw. dem erstmaligen Einbau von Fenstern und Außentüren erfolgten.
Quelle | FinMin Schleswig-Holstein, ESt-Kurzinfo Nr. 2022/1 vom 3.1.2022; Änderungsverordnung zur Energetische Sanierungsmaßnahmen-Verordnung vom 14.6.2021, BGBl I 2021, S. 1780
Steuerprogression:
Steuerermäßigung für jahresübergreifend zusammengefasste Überstundenvergütungen
| Erfreuliche Nachrichten kommen vom Bundesfinanzhof (BFH): Danach sind nachgezahlte Überstundenvergütungen, die für einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten veranlagungszeitraumübergreifend geleistet werden, mit einem ermäßigten Steuersatz zu besteuern. |
Hintergrund: Mit steigendem Einkommen erhöht sich die Einkommensteuer progressiv. Werden Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit nicht laufend, sondern in einer Summe ausgezahlt, führt der Progressionseffekt zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Steuermehrbelastung. Um die progressive Wirkung des Einkommensteuertarifs bei dem zusammengeballten Zufluss von Lohnnachzahlungen zu mildern, sieht das Gesetz die Besteuerung dieser Nachzahlungen mit einem ermäßigten Steuersatz vor.
Beachten Sie | Voraussetzung ist jedoch, dass sich die Nachzahlung auf die Vergütung für eine Tätigkeit bezieht, die sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst.
Ein Arbeitnehmer hatte in den Jahren 2013 bis 2015 insgesamt ca. 330 Überstunden geleistet. Wegen einer längeren Erkrankung schloss er mit seinem Arbeitgeber im Jahr 2016 einen Aufhebungsvertrag. Dieser sah u. a. vor, dass die Überstunden mit 6.000 Euro vergütet werden sollen. Das Finanzamt unterwarf die Überstundenvergütung dem normalen Einkommensteuertarif jedoch zu Unrecht, wie das Finanzgericht (FG) Münster und der BFH entschieden.
Der BFH stellte in seiner Entscheidung heraus, dass die Tarifermäßigung nicht nur auf die Nachzahlung von Festlohnbestandteilen, sondern auch auf Nachzahlungen von variablen Lohnbestandteilen (hier in Form der Überstundenvergütungen) Anwendung findet. In beiden Fällen ist es danach allein entscheidend, ob die nachgezahlte Vergütung für einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten veranlagungszeitraumübergreifend geleistet worden ist.
Quelle | BFH, Urteil vom 2.12.2021, VI R 23/19, Abruf-Nr. 228235 unter www.iww.de; PM Nr. 12/22 vom 24.3.2022
Tagesmütter:
Betriebsausgabenpauschale trotz Lockdowns
| Selbstständige Tagesmütter und -väter dürfen für jedes Kind, das sie betreuen, entweder die tatsächlichen Aufwendungen im Zusammenhang mit der Betreuung als Betriebsausgaben abziehen oder es wird eine Betriebsausgabenpauschale je Kind im Monat abgezogen. Der Abzug der Betriebsausgabenpauschale kann auch bei eingeschränkter Betreuung wegen der Corona-Pandemie beansprucht werden. |
Nach der Verwaltungsauffassung gilt: Die Pauschale kann auch für Zeiten abgezogen werden, in denen die Kindertagespflegeperson durch behördliche Auflagen verhindert ist, die vereinbarten Betreuungszeiten zu absolvieren, wenn Betreuungsgelder oder sonstige Ausgleichs-/Entschädigungszahlungen für diese Zeit gezahlt werden und als Betriebseinnahme zu erfassen sind.
Quelle | BT-Drs. 20/534 vom 28.1.2022, Antwort auf Frage 3; FinMin Schleswig-Holstein, ESt-Kurzinfo Nr. 2020/20 vom 10.9.2020
Arztpraxis:
Arbeitsteilung kann zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führen
| Das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass eine Gemeinschaftspraxis von Zahnärzten insgesamt als Gewerbebetrieb einzustufen (und damit gewerbesteuerpflichtig) ist, wenn einer der Ärzte für die Organisation, Verwaltung und Leitung der Praxis zuständig ist und nur noch in geringem Umfang eigene zahnärztliche Beratungs- und Behandlungsleistungen am Patienten erbringt. Gegen diese Entscheidung ist inzwischen die Revision anhängig. |
Im Streitfall ging es um eine Partnerschaftsgesellschaft, in der sich mehrere approbierte Zahnärzte zur gemeinsamen Ausübung der zahnärztlichen Behandlung von Privat- und Kassenpatienten zusammengeschlossen hatten. Im Streitjahr erzielte die Praxis Umsatzerlöse von rund 3,5 Millionen Euro, wovon nur ca. 900 Euro auf einen der Seniorpartner entfielen, der hauptsächlich für die Organisation, Verwaltung und Leitung der Praxis zuständig war.
Nach einer Betriebsprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die Einkünfte der Gemeinschaftspraxis nicht mehr als freiberuflich, sondern als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren seien, weil bei einer freiberuflichen Personen- oder Partnerschaftsgesellschaft jeder Gesellschafter die Merkmale selbstständiger Arbeit in eigener Person erfüllen müsse. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat das FG die Klage der Ärzte nun abgewiesen.
Bei einer Gemeinschaftspraxis muss jeder der Gesellschafter (= Arzt) in eigener Person die Hauptmerkmale des freien Berufs erfüllen, d. h. nicht nur über die persönliche Berufsqualifikation verfügen, sondern die freiberufliche Tätigkeit auch tatsächlich entfalten. Dabei muss die Tätigkeit durch die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Berufsträgers geprägt sein.
Diese Tätigkeit kann nicht durch eine (besonders intensive) leitende Tätigkeit ersetzt werden (z. B. Organisation des Sach- und Personalbereichs, Arbeitsplanung, Aufsicht über Mitarbeiter und deren Anleitung).
Ein Arzt schuldet eine höchstpersönliche und individuelle Arbeitsleistung am Patienten und muss deshalb einen wesentlichen Teil der ärztlichen Leistungen selbst erbringen. Grundsätzlich ist zwar eine gewisse Arbeitsteilung bzw. „Teamarbeit“ unschädlich. So kann der Arzt z. B. in „Routinefällen“ die jeweils anstehenden Voruntersuchungen bei den Patienten durchführen, die Behandlungsmethode festlegen und sich die Behandlung „problematischer Fälle“ vorbehalten bzw. die Erbringung der eigentlichen ärztlichen Behandlungsleistung an angestellte Ärzte delegieren.
Beachten Sie | Erforderlich ist aber, dass sich jeder Gesellschafter kraft seiner persönlichen Berufsqualifikation an der „Teamarbeit“ im arzttypischen Heilbereich beteiligt.
Im Streitfall war somit die gesamte Tätigkeit der Gemeinschaftspraxis als gewerblich anzusehen. Denn sind Gesellschafter einer Personengesellschaft teilweise freiberuflich und teilweise gewerblich tätig, ist ihre Tätigkeit nach dem Einkommensteuergesetz (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 EStG) insgesamt als gewerblich zu qualifizieren. Die Tätigkeit des gewerblich tätigen Arztes „infiziert“ die Tätigkeit der freiberuflichen Ärzte.
Quelle | FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.9.2021, 4 K 1270/19, Rev. BFH VIII R 4/22, Abruf-Nr. 228693 unter www.iww.de; PM vom 12.4.2022