Steuerrecht Info - 07.2024

1.07.2024
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Außergewöhnliche Belastungen:

Präimplantationsdiagnostik: Aufwendungen sind anzuerkennen

| Aufwendungen einer gesunden Steuerpflichtigen für eine durch eine Krankheit des Partners veranlasste Präimplantationsdiagnostik (PID) können als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sein. So lautet eine steuerzahlerfreundliche Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH). |

Hintergrund: Bei der PID handelt es sich um ein genetisches Diagnoseverfahren zur vorgeburtlichen Feststellung von Veränderungen des Erbmaterials, die eine Fehl- oder Totgeburt verursachen bzw. zu einer schweren Erkrankung eines lebend geborenen Kindes führen können. Es erfolgt eine zielgerichtete genetische Analyse von Zellen eines durch künstliche Befruchtung entstandenen Embryos vor seiner Übertragung und Einnistung in die Gebärmutter.

Das war geschehen

Bei dem Partner der Steuerpflichtigen lag eine chromosomale Translokation vor. Aufgrund dieser Chromosomenmutation bestand eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein auf natürlichem Weg gezeugtes gemeinsames Kind an schwersten körperlichen oder geistigen Behinderungen leidet und unter Umständen nicht lebensfähig ist. Daher wurde eine PID durchgeführt. Der Großteil der hierfür notwendigen Behandlungen betraf die Steuerpflichtige, die den Abzug der Kosten als außergewöhnliche Belastungen beantragte.

Das Finanzamt lehnte eine Berücksichtigung der Behandlungskosten ab. Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen gab der Klage hinsichtlich der von der Steuerpflichtigen selbst getragenen Aufwendungen hingegen statt.

Bundesfinanzhof: zwangsläufig entstandene Aufwendungen

Der BFH bestätigte nun die Vorentscheidung. Die Aufwendungen für die Behandlung der Steuerpflichtigen sind zwangsläufig entstanden, weil die ärztlichen Maßnahmen in ihrer Gesamtheit dem Zweck dienten, eine durch Krankheit beeinträchtigte körperliche Funktion ihres Partners auszugleichen. Wegen der biologischen Zusammenhänge konnte (anders als bei anderen Erkrankungen) durch eine medizinische Behandlung allein des erkrankten Partners keine Linderung der Krankheit eintreten. Daher steht der Umstand, dass die Steuerpflichtige selbst gesund ist, der Berücksichtigung der Aufwendungen nicht entgegen.

Auch auf den Familienstatus kam es nicht an

Unschädlich war auch, dass die Steuerpflichtige und ihr Partner nicht verheiratet waren und schließlich war auch das Erfordernis der Übereinstimmung der vorgenommenen Behandlungsschritte mit gesetzlichen Vorschriften (insbesondere dem Embryonenschutzgesetz) erfüllt.

Beachten Sie | Außergewöhnliche Belastungen wirken sich nur steuermindernd aus, wenn sie die im Einkommensteuergesetz (hier: § 33 Abs. 3 EstG) festgelegte zumutbare Belastung übersteigen. Die Höhe der zumutbaren Belastung hängt dabei u. a. vom Gesamtbetrag der Einkünfte ab.

Quelle | BFH, Urteil vom 29.2.2024, VI R 2/22, Abruf-Nr. 241432 unter www.iww.de, PM 23/24 vom 10.5.2024


Höchstrichterliche Rechtsprechung:

Betriebsveranstaltungen: Neues zur Lohnsteuerpauschalierung

| Nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist die pauschale Besteuerung (Steuersatz i. H. von 25 %) für Betriebsveranstaltungen auch für Veranstaltungen zulässig, die nicht allen Betriebsangehörigen offenstehen. Nicht so erfreulich ist dagegen ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG), wonach die verspätete Pauschalbesteuerung nicht zur Beitragsfreiheit in der Sozialversicherung führt. |

Hintergrund: Zuwendungen des Arbeitgebers an seinen Arbeitnehmer und dessen Begleitpersonen anlässlich von Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter (Betriebsveranstaltung) führen gemäß Einkommensteuergesetz (hier: § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a S. 1 EStG) zu Arbeitslohn.

Soweit die Zuwendungen den Betrag von 110 Euro je Betriebsveranstaltung und teilnehmendem Arbeitnehmer nicht übersteigen, gehören sie jedoch nicht zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, wenn die Teilnahme allen Angehörigen des Betriebs oder eines Betriebsteils offensteht. Dies gilt für bis zu zwei Betriebsveranstaltungen jährlich (§ 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a S. 3 und S. 4 EStG).

Urteil des Bundesfinanzhofs

Ungeklärt war bislang die Frage, ob eine „Betriebsveranstaltung“ auch bei einem geschlossenen Kreis (beispielsweise Vorstands- und Führungskräftefeiern) vorliegt.

Beachten Sie | In diesen Fällen kann zwar kein Freibetrag i. H. von 110 Euro gewährt werden, aber es wäre eine Lohnsteuerpauschalierung (nach § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EStG) mit 25 % möglich.

Auch bei eingeschränktem Kreis: Betriebsveranstaltung

Diese Frage hat der BFH im Gegensatz zur Vorinstanz nun zugunsten der Steuerpflichtigen entschieden. Nach der ab dem Veranlagungszeitraum 2015 geltenden Definition im Einkommensteuergesetz (§ 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a S. 1 EstG) kann eine Betriebsveranstaltung auch vorliegen, wenn sie nicht allen Angehörigen eines Betriebs oder eines Betriebsteils offensteht. Und da diese Definition dem Tatbestandsmerkmal „Betriebsveranstaltung“ (gemäß § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EstG) entspricht, ist eine pauschale Besteuerung möglich.

Urteil des Bundessozialgerichts

Im Streitfall des BSG ging es auch um Betriebsveranstaltungen und zwar um die Frage, welche Folgen eine verspätete Lohnsteuerpauschalierung für die Sozialversicherung hat.

Das war geschehen

Ein Unternehmen feierte mit seinen Beschäftigten am 5.9.2015 ein Firmenjubiläum. Am 31.3.2016 zahlte es für September 2015 auf einen Betrag von rund 163.000 Euro die für 162 Arbeitnehmer angemeldete Pauschalsteuer. Nach einer Betriebsprüfung forderte der Rentenversicherungsträger von dem Unternehmen Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen in Höhe von rund 60.000 Euro nach und zwar zu Recht, wie das BSG entschieden hat (die gegenteiligen Entscheidungen der Vorinstanzen wurden aufgehoben).

Aufwendungen von mehr als 110 Euro je Beschäftigten für eine betriebliche Jubiläumsfeier sind als geldwerter Vorteil in der Sozialversicherung beitragspflichtig, wenn sie nicht mit der Entgeltabrechnung, sondern erst erheblich später pauschal versteuert werden.

Pauschalversteuerung erfolgte zu spät

Es kommt entscheidend darauf an, dass die pauschale Besteuerung „mit der Entgeltabrechnung für den jeweiligen Abrechnungszeitraum“ erfolgt. Dies wäre im konkreten Fall die Entgeltabrechnung für September 2015 gewesen. Tatsächlich wurde die Pauschalbesteuerung aber erst Ende März 2016 durchgeführt und damit sogar nach dem Zeitpunkt, zu dem die Lohnsteuerbescheinigung für das Vorjahr übermittelt werden musste.

Beachten Sie | Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung vertreten im Besprechungsergebnis vom 20.4.2016 (TOP 5) die Auffassung, dass eine nachträgliche Pauschalbesteuerung nur bis zur Erstellung der Lohnsteuerbescheinigung geltend gemacht werden kann, also längstens bis zum 28.2. des Folgejahrs. Dem hat sich das BSG nun im Ergebnis angeschlossen.

Quelle | BFH, Urteil vom 27.3.2024, VI R 5/22, Abruf-Nr. 241427 unter www.iww.de; BSG, Urteil vom 23.4.2024, B 12 BA 3/22 R Abruf-Nr. 241172 unter www.iww.de, PM Nr. 15/24 vom 23.4.2024; Spitzenorganisationen der Sozialversicherung, Besprechungsergebnis vom 20.4.2016, TOP 5, Abruf-Nr. 230282 unter www.iww.de


Keine Werbungskosten:

Prozesskosten zur Erlangung nachehelichen Unterhalts

| Prozesskosten zur Erlangung nachehelichen Unterhalts sind privat veranlasste Aufwendungen und keine (vorweggenommenen) Werbungskosten bei den späteren Unterhaltseinkünften i. S. des Einkommensteuergesetzes (hier: § 22 Nr. 1a EStG). Mit dieser Entscheidung hat der Bundesfinanzhof (BFH) der anderslautenden Sichtweise des Finanzgerichts (FG) Münster (Vorinstanz) widersprochen. |

Hintergrund: Beim begrenzten Realsplitting kann der Unterhaltsverpflichtete die Unterhaltszahlungen bis zu 13.805 Euro im Jahr (zuzüglich der aufgewandten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung als Basisversorgung) als Sonderausgaben abziehen. Dies bedarf allerdings der Zustimmung des Unterhaltsberechtigten, der die Unterhaltszahlungen seinerseits als sonstige Einkünfte versteuern muss.

Erst durch den Antrag und die Zustimmung werden Unterhaltsleistungen in den steuerrelevanten Bereich überführt. Die Umqualifizierung markiert die zeitliche Grenze für das Vorliegen abzugsfähiger Erwerbsaufwendungen; zuvor verursachte Aufwendungen des Unterhaltsempfängers stellen keine Werbungskosten dar.

Beachten Sie | Der BFH hat den Streitfall an das FG Münster zurückverwiesen. Dieses muss nun klären, ob ggf. außergewöhnliche Belastungen vorliegen. Es besteht zwar ein Abzugsverbot für Prozesskosten (§ 33 Abs. 2 S. 4 EStG). Dieses greift aber nicht, wenn die Existenzgrundlage oder lebensnotwendige Bedürfnisse des Steuerpflichtigen betroffen sind.

Quelle | BFH, Urteil vom 18.10.2023, X R 7/20, Abruf-Nr. 240004 unter www.iww.de

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