Ehrenamtliche Tätigkeit:
Steuerliche Behandlung der Aufwandsentschädigung eines Freiberuflers
| Erhält ein ehrenamtlich tätiger Steuerpflichtiger für öffentliche Dienste aus einer öffentlichen Kasse eine Aufwandsentschädigung, kann er im Einzelfall nachweisen, dass ihm höhere, nicht durch die steuerfreie Pauschale gedeckte tatsächliche Aufwendungen im Zusammenhang mit der ehrenamtlichen Tätigkeit entstanden sind, die zu Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten geführt haben. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) Thüringen ist aber Voraussetzung, dass diese Aufwendungen unmittelbar ausschließlich oder ganz überwiegend durch die ehrenamtliche Tätigkeit veranlasst sind. |
Als Nachweis genügt insoweit nicht der durch Belege untermauerte Vortrag anteiliger auf den Kläger entfallenden höheren Fixkosten einer Freiberuflerpraxis als „Sowieso-Kosten“. Denn diese Berechnung trägt Elemente in sich, die wirtschaftlich einem teilweisen Ausgleich eines Verdienstausfalls bzw. eines Zeitverlusts sehr nahekommen. Und solche Ersatzleistungen sind nach dem Einkommensteuergesetz (§ 3 Nr. 12 S. 2 EstG) ausdrücklich von der Steuerbefreiung ausgenommen.
Beachten Sie | Die Problematik betrifft alle Freiberufler und Gewerbetreibende, die neben ihrer freiberuflichen oder gewerblichen Tätigkeit eine ehrenamtliche Tätigkeit ausüben und dafür eine Aufwandsentschädigung erhalten. Es bleibt abzuwarten, wie sich der Bundesfinanzhof (BFH) im Revisionsverfahren positionieren wird.
Quelle | FG Thüringen, Urteil vom 11.5.2023, 4 K 401/22, Rev. BFH, VIII R 29/23
Außergewöhnliche Belastungen:
Prozesskosten bei drohendem Verlust der Existenzgrundlage
| Prozesskosten sind grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar. Eine gesetzliche Ausnahme gilt nur, wenn es sich um Aufwendungen handelt, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Über einen solchen Fall musste jüngst das Finanzgericht (FG) Niedersachsen entscheiden. |
Das war geschehen
Im Streitfall ging es um die Frage, ob Prozesskosten im Zusammenhang mit der drohenden Rückabwicklung der unentgeltlichen Übertragung eines Forstbetriebs als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können.
Der Steuerpflichtige hatte 2015 u. a. einen Forstbetrieb gegen Altenteilleistungen übertragen bekommen. In der Folge beendete er seine Angestelltentätigkeit für den Betrieb und führte diesen als Selbstständiger fort. Im selben Jahr forderte die Übergeberin aber dann gerichtlich die Rückübertragung des Betriebs bzw. die Grundbuchberichtigung. Begründung: Sie sei bei der Übertragung demenzbedingt geschäftsunfähig gewesen. Hiergegen setzte sich der Steuerpflichtige vor den Zivilgerichten zur Wehr.
Die entstandenen Prozesskosten machte er als außergewöhnliche Belastungen geltend, was das Finanzamt ablehnte. Vor dem FG Niedersachsen war er dann erfolgreich.
Gefahr für die Existenzgrundlage
Der Steuerpflichtige hat seine lebensnotwendigen Bedürfnisse ganz überwiegend aus den Erträgen des von der Rückübertragung bedrohten Forstbetriebs bestritten. Aus der maßgeblichen Sicht des Jahres der Inanspruchnahme wären ihm bei einer Rückübertragung übrige Einkünfte unterhalb des Grundfreibetrags verblieben. Die Berührung des steuerlichen Existenzminimums erfüllt den Tatbestand der Gefahr für die Existenzgrundlage.
Verlust der Existenzgrundlage muss nicht dauerhaft sein
Dem drohenden Verlust der Existenzgrundlage steht auch nicht entgegen, dass der Steuerpflichtige bei einer Rückübertragung erneut eine Angestelltentätigkeit hätte aufnehmen können. Der Verlust der Existenzgrundlage erfordert keinen dauerhaften Verlust der materiellen Lebensgrundlage. Auch kann, so das FG, dem Steuerpflichten nicht entgegengehalten werden, im Notfall die Leistungen der sozialen Sicherungssysteme in Anspruch nehmen zu können.
Beachten Sie | Die Finanzverwaltung hat gegen die Entscheidung die Revision eingelegt. Somit können geeignete Fälle über einen Einspruch vorerst offengehalten werden.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 15.5.2024, 9 K 28/23, Abruf-Nr. 243968 unter www.iww.de; Rev. BFH, VI R 22/24
Sonderleistungen:
Steuerfreie Corona-Sonderzahlung: Nun ist der Bundesfinanzhof gefragt
| Konnte ein Arbeitgeber Sonderleistungen, wie z. B. Urlaubsgeld worauf arbeitsrechtlich kein Anspruch bestand teilweise als steuerfreie Corona-Sonderzahlung nach § 3 Nr. 11a Einkommensteuergesetz auszahlen? Damit muss sich nun der Bundesfinanzhof (BFH) in einem Revisionsverfahren (VI R 25/24) befassen. Vorgelegt hat das Finanzgericht (FG) Niedersachsen. Es hat auf sein steuerzahlernachteiliges Urteil vom 24.7.2024 (9 K 196/22) die Revision zugelassen. |
(Kein) Veräußerungsgeschäft:
Doch keine Besteuerung teilentgeltlicher Grundstücksübertragungen?
| Wird ein Grundstück teilentgeltlich (z. B. im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge) innerhalb der zehnjährigen Veräußerungsfrist gemäß Einkommensteuergesetz (§ 23 EStG) übertragen, führt dies nach bisheriger Sichtweise hinsichtlich des entgeltlichen Teils zu einem steuerpflichtigen Veräußerungsgeschäft. Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen meint aber, dass § 23 EStG bei einer teilentgeltlichen Übertragung unterhalb der historischen Anschaffungskosten nicht anzuwenden ist. |
Hintergrund: Private Veräußerungsgeschäfte mit Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt, unterliegen der Besteuerung im Sinne des § 23 EStG. Ausgenommen sind aber Wirtschaftsgüter, die
- im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder
- im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden.
Bisherige Rechtslage: Trennungstheorie
Bei teilentgeltlicher Übertragung kann sich ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft hinsichtlich des entgeltlichen Teils ergeben. Hier ist nach Ansicht des Bundesfinanzministeriums die Trennungstheorie anzuwenden.
Beispiel
Vater V ist Eigentümer eines unbebauten Grundstücks, das er zum 1.8.2018 für 100.000 Euro angeschafft hat. Er überträgt das Grundstück im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge zum 1.1.2024 auf seinen Sohn S, der das Grundstück bebauen will. Das Grundstück hat zum Übertragungszeitpunkt einen Verkehrswert von 180.000 Euro. Entsprechend muss S seine Schwester X. mit 90.000 Euro auszahlen.
V hat das Grundstück innerhalb des Zehnjahreszeitraums des § 23 EStG hinsichtlich des Gleichstellungsbetrags teilentgeltlich (zu ½) an S veräußert und erzielt in diesem Umfang einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn. Dieser beträgt 40.000 Euro (90.000 Euro Teilentgelt abzüglich der hälftigen Anschaffungskosten von 50.000 Euro). Der unentgeltlich übertragene Teil löst bei V keine Steuerpflicht aus. Allerdings gehen die Besteuerungsmerkmale (Anschaffung am 1.8.2018 zu 50.000 Euro) auf S als unentgeltlichen Rechtsnachfolger über.
Ansicht des Finanzgerichts Niedersachsen
Das FG Niedersachsen hat es in einem vergleichbaren Fall abgelehnt, die teilentgeltliche Übertragung der Besteuerung nach § 23 EStG zu unterwerfen. Das FG verweist hierzu u. a. auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), wonach die gänzlich unentgeltliche Übertragung einer Immobilie im Wege der vorweggenommenen Erbfolge nicht den Tatbestand des § 23 EStG erfüllt und zwar selbst dann, wenn die auf diese Weise begünstigten Kinder die Immobilie alsbald weiterveräußern.
Das FG kommt zu dem Ergebnis, dass auch die teilentgeltliche Übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge aus dem Tatbestand des § 23 EStG ausscheidet.
Bei einer teilentgeltlichen Grundstücksübertragung realisiert der Schenker keinen tatsächlichen Wertzuwachs. Ein nach § 23 EStG zu besteuernder Gewinn kann nicht entstehen, da der Ertragsteuer keine Vermögensverschiebungen im Privatvermögen unterliegen. Ein Wertzuwachs erfolgt nur beim Beschenkten, der damit den Regularien des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (unter Berücksichtigung etwaiger Freibeträge) unterliegt.
Beachten Sie | Die Finanzverwaltung hat gegen die Entscheidung die Revision eingelegt. Man darf gespannt sein, wie die Entscheidung des BFH ausfallen wird. In geeigneten Fällen sollten Steuerpflichtige ihre Steuerbescheide im Einspruchsweg offenhalten und auf die gesetzliche Verfahrensruhe verweisen.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 29.5.2024, 3 K 36/24, Abruf-Nr. 243483 unter www.iww.de; Rev. BFH, IX R 17/24; BMFSchreiben vom 26.2.2007, IV C 2 – S 2230 – 46/06 IV C 3 – S 2190 – 18/06; BFH, Urteil vom 23.4.2021, IX R 8/20