Schadenersatz:
Haftung für Verletzungen nach Foulspiel bei Verbandsfußballspiel
| Begeht ein Verbandsfußballspieler vorsätzlich ein brutales Foulspiel im Sinne der Regeln des Deutschen Fußballbundes, haftet er für die dadurch hervorgerufenen Verletzungen seines Gegners. Das hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgerichts (OLG) jetzt entschieden. |
Der Kläger war Stürmer, der Beklagte spielte auf einer Verteidigerposition. Sie gehörten unterschiedlichen Fußballmannschaften an. Im Mai 2017 trafen die beiden Fußballmannschaften in einem Kreisklassenpunktspiel aufeinander. In der 8. Spielminute nahm der Kläger in Höhe des Mittelkreises einen Ball an und wollte diesen weiterspielen. Dazu kam es nicht mehr, weil er von dem Beklagten gefoult wurde. Der Schiedsrichter ahndete das Foul mit einer roten Karte. Der Kläger erlitt infolge des Foulspiels erhebliche Verletzungen. Er verlangt nun von dem Beklagten Schmerzensgeld und die Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm auch zukünftig entstehende Schäden zu ersetzen. Das Landgericht (LG) hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers vor dem OLG hatte in vollem Umfang Erfolg.
Der Beklagte hat sich gegenüber dem Kläger schadenersatzpflichtig gemacht, denn er hat ein grobes Foulspiel im Sinne der Regel 12 der Fußball-Regeln des Deutschen Fußballbundes (DFB) für die Saison 2016/2017 begangen und die schwerwiegende Verletzung des Klägers bedingt vorsätzlich billigend in Kauf genommen.
Die Haftung für Verletzungen bei spielerischen Wettkämpfen mit erhöhtem Gefährdungspotenzial, wie etwa einem Fußballspiel, ist grundsätzlich reduziert. Insoweit ist davon auszugehen, dass jeder Teilnehmer die Verletzungen in Kauf nimmt, die auch bei einer Sportausübung nach den anerkannten Regeln nicht zu vermeiden sind. Handelt es sich um ein Fußballverbandsspiel, bieten die Fußballregeln des DFB einen wichtigen Maßstab dafür, was als ordnungsgemäßes Spielverhalten anzusehen ist. Jedoch führt nicht jeder objektive Regelverstoß zwingend zu einer Schadenersatzverpflichtung. Entscheidend ist vielmehr der Grad des Regelverstoßes und das Maß des Verschuldens, das den Verletzer trifft.
Hier hat der Beklagte einen erheblichen Regelverstoß begangen und die schwere Verletzung des Klägers billigend in Kauf genommen. Er hatte ein „brutales Spiel“ im Sinne der Regel 12 des DFB begangen. Er hat dieses grobe Foul begangen, ohne dass die Spielsituation einen Anlass dafür bot. Er hatte keine realistische Möglichkeit, den Ball zu erobern.
Quelle | Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 19.11.2020, 7 U 214/19; PM Nr. 12/2020 vom 24.11.2020
Düsseldorf:
Mietfahrräder dürfen nicht mehr überall abgestellt werden
| Die “Call a Bike“-Mietfahrräder der Deutschen Bahn dürfen in Düsseldorf nicht weiter im öffentlichen Straßenraum, etwa auf Gehwegen, abgestellt werden. Dies hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster im Eilverfahren entschieden und den vorausgehenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf geändert. |
Die Stadt Düsseldorf hatte der Antragstellerin, der Deutsche Bahn Connect GmbH, per Ordnungsverfügung aufgegeben, die „komplette Leihfahrräderflotte“ aus dem öffentlichen Straßenraum zu entfernen und das Abstellen der Fahrräder auch in Zukunft zu unterlassen, weil die dafür erforderliche Sondernutzungserlaubnis fehle. Auf Antrag des Unternehmens hatte das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf mit Eilbeschluss von Mitte September die Nutzung des öffentlichen Straßenraums zwar vorläufig weiter zugelassen, weil das Aufstellen und Anbieten der Mietfahrräder keine Sondernutzung sei. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Stadt Düsseldorf hatte aber Erfolg.
Das OVG hat ausgeführt: Die Ordnungsverfügung sei voraussichtlich rechtmäßig. Das stationsunabhängige Aufstellen der Fahrräder im öffentlichen Straßenraum zwecks Vermietung sei eine Sondernutzung, wofür die Antragstellerin nicht die erforderliche Erlaubnis habe. Die Nutzung des öffentlichen Straßenraums durch das Abstellen der Fahrräder sei kein Gemeingebrauch. Denn die Straße werde hier nicht vorwiegend zum Verkehr genutzt; insbesondere seien die Mieträder nicht nur zum Parken abgestellt. Nach dem Geschäftsmodell der Antragstellerin („Call a Bike“) stünden sie zwar auch zwecks späterer Wiederinbetriebnahme im Straßenraum. Im Vordergrund stehe aber der gewerbliche Zweck, mithilfe des abgestellten Fahrrads den Abschluss eines Mietvertrags zu bewirken. Die Nutzung der Straße unterscheide sich insofern nicht von sonstigem Straßenhandel, der regelmäßig als Sondernutzung zu qualifizieren sei. Die deshalb erforderliche Sondernutzungserlaubnis liege nicht vor, die Antragstellerin habe eine solche auch nicht beantragt.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Quelle | OVG Münster, Beschluss vom 20.11.2020, 11 B 1459/20; PM vom 20.11.2020
Kein Schadenersatz:
Wenn der demente Patient aus dem Bett ohne Bettgitter fällt
| Bettgitter und Fixierungen in Pflegeheimen können zu Verletzungsgefahren führen. Daher ist es nicht zu beanstanden, wenn diese Maßnahmen nicht ergriffen werden, um demente Patienten zu schützen. So hat es jetzt das Landgericht (LG) Köln entschieden. |
Die Klägerin machte Ansprüche auf Schmerzensgeld von mindestens 35.000 Euro wegen fehlerhafter Pflege gegen die Beklagte, die Trägerin einer Pflegeeinrichtung, geltend. Die bereits verstorbene Mutter der Beklagten war im Pflegeheim gestürzt. Sie litt an einer fortgeschrittenen Demenz (Pflegegrad V). Eines Nachts stand sie aus ihrem Bett auf, stürzte und erlitt eine Platzwunde. In einer anderen Nacht verließ sie ihr Zimmer und wurde vor einem Balkon im Speisesaal des Pflegeheims liegend schwer verletzt gefunden (Oberschenkelhalsbruch, Gehirnblutung). Sie kam ins Krankenhaus und musste operiert werden. Danach war sie in deutlich höherem Maße pflegebedürftig.
Die Klägerin meinte, der Tod ihrer Mutter sei auf den Sturz zurückzuführen. Das Pflegeheim habe entweder die bei der Mutter bestehende Sturzgefahr verkannt bzw. nicht richtig darauf reagiert. Bettgitter seien erforderlich gewesen, das Bett hätte tiefer eingestellt werden, ihre Mutter im Bett fixiert werden müssen und sie sei genauer zu beobachten gewesen.
Das LG hat die Ansprüche abgewiesen, da es Pflegefehler nicht als erwiesen ansah. Das Gutachten eines Pflegesachverständigen hatte ergeben, dass die Pflegekräfte alle erforderlichen Maßnahmen getroffen hatten. Bettgitter oder Fixierung seien kontraproduktiv (Strangulationsgefahr). Außerdem führe die erzwungene Unbeweglichkeit zu einem Muskelabbau und dieser zu einer fortschreitenden motorischen Verunsicherung. Sie erhöhe die Sturzgefahr sogar. Die Bettgitter könnten ebenfalls eine Sturzgefahr erhöhen, weil demente Patienten, denen die Einsicht in die Sinnhaftigkeit der Maßnahme fehle, den Seitenschutz zu überklettern versuchen und damit Stürze aus größerer Höhe begünstigen.
Quelle | LG Köln, Urteil vom 27.10.2020, 3 O 5/19
Feuerwehreinsatz:
Auf die Satzung kommt es an: Verursachen Kinder einen Brand, müssen Eltern (nicht) zahlen
| Das Verwaltungsgericht (VG) Hannover hat die Klage einer Mutter gegen einen Kostenbescheid der Stadt Elze abgewiesen. Die Kosten waren entstanden, weil zwei Kinder im Alter von 11 und 13 Jahren auf einem brachliegenden Industriegelände in Elze ein Großfeuer verursacht hatten, bei dem eine Lagerhalle vollständig abgebrannt ist. Die Freiwillige Feuerwehr war mit allen verfügbaren Einheiten mit mehr als 100 Personen über mehrere Stunden mit den Löscharbeiten beschäftigt und wurde dabei von der Ortswehr der Nachbargemeinde Alfeld unterstützt. |
Hohe Gebührenrechnung
Die Stadt Elze hat gegen die Eltern der Kinder Gebühren in Höhe von ca. 38.000 Euro für den Feuerwehreinsatz festgesetzt. Die Mutter des dreizehnjährigen Kindes hatte gegen diesen Bescheid Klage eingereicht und geltend gemacht, dass sie selbst ihre Aufsichtspflicht nicht verletzt habe. Auch der Brand sei jedenfalls durch ihren Sohn nicht fahrlässig oder vorsätzlich verursacht worden. Ihr Kind habe zwar zuhause ein Feuerzeug entwendet und mit auf das Industriegelände gebracht, das Feuer sei aber durch das andere Kind angezündet worden.
So argumentiert das Verwaltungsgericht
Das Gericht ist diesem Vortrag nicht gefolgt. Der Bescheid sei rechtmäßig, soweit er einen Betrag in Höhe von rund 36.000 Euro betreffe. Die Beklagte habe Gebühren für grundsätzlich gebührenfreie Brandeinsätze erheben dürfen, wenn diese durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln verursacht worden seien.
Der Brand sei durch grob fahrlässiges Handeln des Sohnes der Klägerin sowie dessen Freundes verursacht worden. Nach den Aussagen der Kinder bei der Polizei sei das Feuer dadurch entstanden, dass der elfjährige Freund des Sohnes der Klägerin eine Dämmmatte angezündet habe. Nachdem zunächst ein kleines Feuer entstanden sei, welches dieser sofort wieder ausgepustet habe, habe der Sohn der Klägerin ihn als Feigling bezeichnet und ihn damit angestachelt, die Dämmmatte ein zweites Mal anzuzünden, was sodann zu dem Großbrand geführt habe. Nach Ansicht des VG begründete dieses Verhalten ein grob fahrlässiges Handeln, denn die Kenntnis, dass Feuer außerhalb geschlossener Feuerstätten außer Kontrolle geraten könne, sei auch unter Berücksichtigung des Alters der Kinder bereits zu erwarten gewesen. Die Klägerin könne als Mutter des Verursachers herangezogen werden. Diese einschlägigen Vorschriften sähen vor, dass für Personen, die noch nicht 14 Jahre alt seien, die ordnungsrechtlichen Maßnahmen auch gegen die Person gerichtet werden könne, die zur Aufsicht über sie verpflichtet sei und zwar unabhängig davon, ob diese ihre Aufsichtspflicht verletzt habe.
Auf die Gebührensatzung kommt es an
Das VG stellte aber auch fest, dass die Heranziehung der Klägerin insoweit rechtswidrig gewesen sei, als die Beklagte auch Einsatzkräfte und Fahrzeuge der Stadt Alfeld im Umfang von knapp 2.000 Euro in Ansatz gebracht habe. Die Heranziehung zu den Kosten der Nachbarschaftshilfe anderer Gemeinden sei zwar grundsätzlich möglich, setze aber voraus, dass die Stadt Alfeld Gebühren für grob fahrlässig verursachte Brände erheben könnte. Dies sei hier nicht der Fall, weil die Satzung der Stadt Alfeld anders als die der Stadt Elze keine entsprechende Regelung habe.
Quelle | VG Hannover, Urteil vom 18.11.2020, 10 A 3988/19; PM vom 18.11.2020
Tierhalterhaftpflicht:
Versicherung muss vereinbarten Risikoausschluss beweisen
| Tierhalterhaftpflichtversicherungen können wirksam ihre Deckungspflicht für Ansprüche ausschließen, bei denen der Schaden durch „bewusstes Abweichen von der Haltung und Züchtung von Hunden dienenden Gesetzen, Verordnungen und behördlichen Verfügungen oder Anordnungen“ verursacht wurde. Dies muss aber die Versicherung nachweisen. So hat es jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. entschieden. |
Wenn ein Hund ein Kind beißt
Der Hund der Versicherungsnehmerin einer Tierhalterhaftpflichtversicherung hatte ein 10-jähriges Kind gebissen. Daraufhin verbot die Kreisverwaltung Begegnungskontakte des Hundes mit Kindern bis 14 Jahren. Später saß die Versicherungsnehmerin mit dem angeleinten Hund in einer öffentlichen Parkanlage mit Spielplatzgelände auf einer Parkbank. Da näherte sich ein zweijähriges Kind und streichelte den Hund. Der Hund biss das Kind ins Gesicht. Das Kind erlitt hierbei schwere Verletzungen. Die Versicherungsnehmerin verlangte von ihrer Versicherung, dass diese die Zahlungsansprüche des Kindes ausgleiche.
In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Tierhalterhaftpflichtversicherung heißt es: „Ausgeschlossen bleiben Ansprüche gegenüber jedem Versicherungsnehmer oder Versicherten, der den Schaden durch bewusstes Abweichen von der Haltung und Züchtung von Hunden dienenden Gesetzen, Verordnungen und behördlichen Verfügungen oder Anordnungen am Wohnort des Versicherungsnehmers verursacht hat.“ Auf diesen Risikoausschluss berief sich die Versicherung und wollte nicht zahlen.
So entschied das OLG
Das OLG Frankfurt gab der Klage jedoch statt. Die Versicherung könne sich nicht auf den Risikoausschluss berufen. Dieser sei zwar wirksam. Er enthalte weder eine unangemessene Benachteiligung noch sei er ungewöhnlich oder überraschend. Schließlich genüge er auch dem Transparenzgebot, da er eindeutige und festumrissene Begriffe aus der Rechtssprache verwende. Die Plicht, eine Klausel klar und deutlich zu formulieren, bestehe nur im Rahmen des Möglichen. „Allgemeine Geschäftsbedingungen können nicht stets so formuliert werden, dass dem Kunden jedes eigene Nachdenken erspart bleibt“, ergänzte das OLG. Daher sei es unschädlich, dass nicht alle Gesetze, Verordnungen, Verfügungen und Anordnungen, die dem Züchten und Halten von Hunden dienen, in der Klausel aufgezählt würden.
Hier habe aber die Versicherungsnehmerin nicht bewusst gegen „die Haltung und Züchtung von Hunden dienenden Gesetze“ etc. verstoßen. Es sei keine konkrete vorsätzlich begangene Pflichtverletzung festzustellen. Es sei nicht nachweisbar, dass die Versicherungsnehmerin gewusst habe, dass das Betreten des Geländes mit einem Hund verboten gewesen sei. Die Klägerin habe unwiderlegt ausgeführt, dass sie den Spielplatz zuvor nicht gekannt habe. Sie habe auch keine Verbotsschilder für Hunde wahrgenommen. Es sei auch nicht nachgewiesen, dass ihr der Bescheid der Kreisverwaltung vorher bekannt gewesen sei.
Quelle | OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 15.7.2020, 7 U 47/19, Abruf-Nr. 217518 unter www.iww.de