Verbraucherrecht Info - 05.2021

6.05.2021
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Unfallschadenersatz:

Tierbetreuung ist beim Haushaltsführungsschaden zu berücksichtigen

| In fast jedem zweiten Haushalt wird mindestens ein Haustier gehalten. Daher hat es große praktische Bedeutung, was jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Celle entschieden hat: Eine Tierbetreuung kann danach nämlich bei der Bemessung des Haushaltsführungsschadens zu Buche schlagen. |

Der zum Versorgen eines Haustieres erforderliche Zeitaufwand ist grundsätzlich erstattungsfähig, so die Grundaussage des OLG. Eine einschlägige Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) fehlt hierzu allerdings noch.

Doch Vorsicht: Es erscheint angebracht, so das OLG Celle, nicht den gesamten erforderlichen Aufwand zu berücksichtigen, sondern einen Abschlag vorzunehmen für die allgemeine Lebensfreude, die mit der Haltung von Haustieren einhergeht.

Hier war es so, dass die Klägerin unfallbedingt monatelang daran gehindert war, den Familienhund auszuführen. Allerdings gab es einen 730 qm großen Garten, in dem der Hund frei laufen konnte, und es waren auch noch der Ehemann, wenngleich schwerbehindert und nur am Wochenende zu Hause, sowie eine Tochter als Tierbetreuer vorhanden. Es kommt also auch immer auf den individuellen Fall an.

Quelle | OLG Celle, Urteil vom 16.12.2020, 14 U 108/20, Abruf-Nr. 220996 unter www.iww.de


Reitunfall:

Schmerzensgeld möglich

| Viele Kinder lieben das Ponyreiten. So harmlos dieses Vergnügen auf den ersten Blick scheint, kommt es immer wieder teils zu schweren Unfällen. So auch in einem vom Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschiedenen Fall. |

Ein achtjähriges Mädchen hatte mit zwei anderen Kindern an einer Pony-Reitstunde in einer Reithalle teilgenommen. Sie wurde dabei von der Angestellten der Reithalle an der Longe geführt. Die Klägerin stürzte vom Pferd, das wiederum auf sie stürzte. Die Klägerin erlitt einen Bein- und einen Schlüsselbeinbruch und musste operiert werden. Nach der Operation saß sie für sechs Wochen im Rollstuhl. Sie verklagte die Reithalle auf Schmerzensgeld.

Das Landgericht (LG) gab der Klägerin Recht und sprach ihr ein Schmerzensgeld von 10.000 Euro zu: Die Reithalle hafte als Halterin des Ponys. Bei dem Unfall habe sich eine typische Tiergefahr realisiert. Dies gelte auch, wenn die Klägerin möglicherweise die Kommandos der Angestellten nicht richtig umgesetzt habe. Denn zu berücksichtigen sei das Alter des Kindes und seine mangelnde Reiterfahrung.

Die Berufung der Reithalle hatte keinen Erfolg. Das OLG: Bei einem Kind sei im Rahmen einer Reitstunde besondere Vorsicht geboten, so der Senat. Die Reithalle könne sich auch nicht darauf berufen, dass das Pony stets ruhig gewesen sei, denn sie habe es erst ein halbes Jahr vor dem Unfall erworben und nicht explizit getestet, dass es kindliche Reitfehler toleriere. Die beklagte Reitsportanlage hat dann auf einen Hinweis des OLG die Berufung zurückgenommen.

Quelle | OLG Oldenburg, Hinweisbeschluss vom 30.11.2020, 2 U 142/20, PM Nr. 7/21 vom 3.3.2021


Verkehrssicherungspflicht:

Unfall mit automatischer Schiebetür: Schmerzensgeld, aber auch Mitverschulden möglich

| Das Landgericht (LG) Oldenburg hat einer 81-jährigen Rentnerin Ansprüche auf Schadenersatz- und Schmerzensgeld gegen die Betreiberin eines Bahnhofs aufgrund eines Unfalls mit einer automatischen Schiebetür zugesprochen. Durch das Schließen der Tür stürzte die Klägerin und erlitt eine Schenkelhalsfraktur, welche ärztlich behandelt werden musste. |

Verkehrssicherungspflicht der Bahnhofsbetreiberin

Die Bahnhofsbetreiberin als Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt, indem sie im Eingangsbereich des Bahnhofs eine automatische Schiebetür betrieben habe, die ihren Schließvorgang fortsetzte, obwohl sich eine Person im unmittelbaren Schließ- und damit Gefahrenbereich befand. Überdies schließe die automatische Tür mit einer derartigen Kraft bzw. Geschwindigkeit, dass zumindest ältere Menschen davon zu Fall gebracht werden können.

Das LG stellte fest: Der Sturz sei darauf zurückzuführen, dass der Bewegungsmelder die Klägerin, die in einem sehr spitzen Winkel auf die Tür zugelaufen sei, nicht erfasst habe. Hierdurch habe die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Denn in einem derart hoch frequentierten Bereich einer Bahnhofshalle sei stets damit zu rechnen, dass eine Tür von allen Seiten und Winkeln durchschritten werde. Auch sei damit zu rechnen, dass ein Durchschreiten der Tür bei verschiedenen Personen in allen Altersklassen in unterschiedlichen Geschwindigkeiten erfolge. Dass eine Tür trotzdem schließe, obwohl sich eine Person zwischen den Türflügeln befindet, schaffe eine Gefahr, die ohne Weiteres durch die Beklagte hätte verhindert werden können. Selbst wenn Bewegungsmelder den spitzen Winkel, in dem die Klägerin auf die Tür zugelaufen ist, nicht erfassen (können), hätte die Beklagte den Eingangsbereich baulich so gestalten müssen, dass ein Zulaufen auf die Tür aus einem spitzen Winkel nicht möglich gewesen wäre. Eine solche bauliche Veränderung zu schaffen, wäre für einen umsichtigen und vorsichtigen Betreiber der Automatiktür ohne Weiteres zumutbar gewesen und hätte den Sicherheitsgrad so erhöht, dass auch der konkrete Unfall vermieden worden wäre.

Darüber hinaus stellte das LG fest, dass die Tür im zu entscheidenden Fall zu kraftvoll schloss. Hierzu führte sie aus, dass eine Tür so konstruiert sein muss, dass Personen jeden Alters bei „normalem“ Durchschreiten der Tür nicht umgestoßen werden. Die Klägerin sei durch den Schließvorgang der Tür so kraftvoll getroffen worden, dass sie unvermittelt auf die Seite stürzte.

Mitverschulden der Klägerin

Die Klägerin musste sich jedoch nach Auffassung der Kammer ein Mitverschulden von 30 Prozent anrechnen lassen. Insoweit ging die Kammer insbesondere von Folgendem aus: Hätte die Klägerin ihre Geschwindigkeit vor Betreten des Eingangsbereiches der Bahnhofshalle reduziert und/oder ein genaues Augenmerk auf die Automatiktür geworfen, wäre ihr aufgefallen, dass sich die Tür bereits im Schließvorgang befunden hatte.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Quelle | LG Oldenburg, Urteil vom 23.2.2021, 4 O 2137/20, PM vom 3.3.2021


Fluggastrechte:

Verspätung aufgrund Anordnung der Flugsicherheitsbehörde

| Ganz im Sinne von Fluggästen hat das Amtsgericht (AG) Nürnberg in einem Urteil entschieden. Es ging um Ausgleichsansprüche nach der Fluggastrechteverordnung aufgrund einer mehr als dreistündigen Flugverspätung. |

Die Fluggäste sollten gemäß Buchungsbestätigung von London nach Nürnberg befördert werden. Der Flug mit der Flugnummer sollte planmäßig um 18:30 Uhr starten und am selben Tag um 20:10 Uhr landen. Der Flug war außergewöhnlich verspätet und erreichte Nürnberg erst um 23:12 Uhr. Er war damit drei Stunden und zwei Minuten verspätet. Hierfür machten die Reisenden Ausgleichsansprüche geltend.

Die beklagte Fluggesellschaft hat den Flug durchgeführt. Sie trägt vor, die Maschine habe auf dem Vorumlauf von London nach Glasgow durch Zuteilung eines späteren Zeitfensters zum Start (Slot) durch die Flugsicherheitsbehörde Eurocontrol eine Verspätung von 35 Minuten erlitten, die sich bis zum streitgegenständlichen Flug fortgesetzt habe. Die Maschine habe sich um 19:00 Uhr in London Stansted startbereit gemeldet. Aufgrund eines Gewitters sei ihr jedoch bereits um 17:02 Uhr ein Slot für 19:45/48 Uhr zugewiesen worden. Anschließend habe sie Slotrestriktionen durch Eurocontrol unterlegen, wobei zuletzt um 21:00 Uhr ein Slot für 22:00 Uhr zugeteilt worden sei. Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass neben der wetterbedingten Verschiebung auch Slotzuteilungen durch Eurocontrol einen außergewöhnlichen Umstand darstellen würden. Ersatzmaßnahmen hätten nicht zur Verfügung gestanden. Daher müsse sie nicht zahlen.

Das sah das AG Nürnberg anders. Das Vorliegen einer Anordnung der Flugsicherheitsbehörde stelle nicht per se einen außergewöhnlichen Umstand i. S. d. Fluggastrechteverordnung dar und befreie daher nicht automatisch von Ausgleichsansprüchen. Entscheidend sei, ob der der Anordnung zugrunde liegende Umstand die Kriterien des „außergewöhnlichen Umstands“ rfüllt. Beruht die Anordnung auf einem Umstand, den die Fluggesellschaft zu vertreten hat, kann sie sich nicht darauf berufen, dass die Anordnung für sie nicht beherrschbar sei. „Außergewöhnliche Umstände“ sind nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Vorkommnisse, „die ihrer Natur oder Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Luftfahrtunternehmens sind und von ihm nicht tatsächlich beherrschbar sind“. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Hierzu hatte die Beklagte letztlich nicht genug vorgetragen. Sie musste daher 250 Euro pro Fluggast zahlen.

Quelle | AG Nürnberg, Urteil vom 11.12.2020, 240 C 8633/19, Abruf-Nr. 220427 unter www.iww.de


Nicht-binäre Person:

Anspruch auf eine geschlechtsneutrale Anrede

| Das Landgericht (LG) Frankfurt a.M. hat entschieden: Die obligatorische Angabe von „Herr“ oder „Frau“ kann eine nicht-binäre Person in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzen. |

Die Beklagte ist die Vertriebstochter eines Eisenbahnkonzerns. Bucht der Kunde eine Fahrkarte über das Internet, muss er die Anrede „Herr“ oder „Frau“ wählen. Auch die Registrierung erfordert die Festlegung als „Herr“ oder „Frau“. Die klagende Person wurde nach dem Kauf einer Rabattkarte in einer Rechnung als „Herr“ angesprochen.

Das LG: Die klagende Person kann von der Beklagten verlangen, nicht zwingend die Anrede „Herr“ oder „Frau“ angeben zu müssen, wenn sie deren Angebote nutzt. Es muss die Wahl einer geschlechtsneutralen Anrede bestehen. Auch in der Kommunikation und bei der Speicherung der Daten ist eine Bezeichnung als „Herr“ oder „Frau“ zu unterlassen. Durch die notwendige Festlegung als „Herr“ oder „Frau“ wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht der klagenden Person verletzt. Dieses Recht schützt auch die geschlechtliche Identität. Für das Auftreten in einer bestimmten Geschlechtsidentität ist nach allgemeinem Verständnis die Anredeform bedeutsam. Um die Dienstleistungen der Beklagten zu nutzen, ist das Geschlecht des Kunden irrelevant. Sie kann eine andere Grußformel schaffen, etwa „Guten Tag“, oder auf eine geschlechtsspezifische Anrede verzichten.

Quelle | LG Frankfurt a. M., Urteil vom 3.12.20, 2-13 O 131/20, Abruf-Nr. 219379 unter www.iww.de


Gesetzentwurf:

Bundesregierung wird „Bundesstiftung Gleichstellung“ errichten

| Das Bundeskabinett hat am 10.3.2021 beschlossen, eine „Bundesstiftung Gleichstellung“ zu errichten. Dies wurde bereits im Koalitionsvertrag vereinbart. Dieser sieht die Gründung einer Bundesstiftung vor, die sich „wissenschaftlich fundiert insbesondere Fragen der gerechten Partizipation von Frauen in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft widmet.“ Auf Bitte der Regierungsfraktionen hat das Bundesgleichstellungsministerium eine Formulierungshilfe für ein Errichtungsgesetz vorgelegt. |

Die „Bundesstiftung Gleichstellung“ verfolgt drei Ziele:

  • Sie soll zeigen, wo noch mehr Gleichstellung erforderlich ist und dafür Lösungen finden.
  • Engagierte sollen sich für die Gleichstellung vernetzen und sie unterstützen.
  • Das Wissen zu Gleichstellungsfragen soll vergrößert und mit Bürgerinnen und Bürgern diskutiert werden.

Die Bundesregierung hat in ihrer Formulierungshilfe vorgeschlagen, die Bundesstiftung als Stiftung des öffentlichen Rechts neben der Organisation des offenen Hauses für die Gleichstellung mit folgenden Aufgaben zu betrauen:

  • Die Stiftung soll leicht verständliche und gut aufbereitete Informationen zum Stand der Gleichstellung in Deutschland bereitstellen.
  • Sie soll die praktische Gleichstellungsarbeit von Verwaltung, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft stärken. Zudem soll sie die Bundesregierung bei der Umsetzung der ressortübergreifenden Gleichstellungsstrategie beraten und ihren Ausbau begleiten.
  • Die Stiftung soll ein Ort sein, an dem neue Ideen gemeinsam entwickelt und umgesetzt werden.

Der Gesetzentwurf wird auf Initiative der Regierungsfraktionen in den Deutschen Bundestag eingebracht werden. Nachdem im Bundeshaushalt bereits Mittel für die Bundestiftung eingestellt wurden, sollen noch in diesem Jahr wichtige Schritte zum Stiftungsaufbau, wie die Berufung eines Direktoriums, erfolgen. 2021 stehen für die Bundesstiftung bis zu drei Millionen Euro zur Verfügung, ab 2022 sollen jährlich fünf Millionen Euro eingeplant werden.

Quelle | Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, PM vom 10.3.2021

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