Verbraucherrecht Info - 07.2024

1.07.2024
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Impfpflicht:

Vorlage eines Masernimmunitätsnachweises für schulpflichtige Kinder

| Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat in mehreren Eilverfahren die Beschwerden von Eltern schulpflichtiger Kinder gegen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin zurückgewiesen, wonach Gesundheitsämter für den Schulbesuch den Nachweis einer Impfung oder Immunität gegen Masern fordern dürfen, sofern keine Kontraindikation besteht. Für den Fall, dass der Nachweis nicht vorgelegt wird, kann auch ein Zwangsgeld angedroht werden. |

Infektionsschutzgesetz verfassungskonform

Zur Begründung hat das OVG u. a. ausgeführt: Die Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes zur Nachweispflicht seien angesichts der hochansteckenden Viruskrankheit mit möglicherweise schwerwiegenden Komplikationen nicht offenkundig verfassungswidrig. Zwar greife die Nachweispflicht in das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 des Grundgesetzes ein. Die Regelung sei aber verhältnismäßig, weil sie wie das Bundesverfassungsgericht bereits zur Nachweispflicht bei noch nicht schulpflichtigen Kindern entschieden habe einen legitimen Zweck verfolge und nicht außer Verhältnis zur Schwere des Eingriffs stehe.

Impfpflicht besteht

Der Gesetzgeber des Masernschutzgesetzes sei von einer grundsätzlich bestehenden „Impfpflicht“ bzw. „verpflichtenden Impfung“ ausgegangen. Er habe lediglich von deren Durchsetzung im Wege des unmittelbaren Zwangs abgesehen. Andere Zwangsmittel, wie Zwangsgeld und Geldbuße, seien hingegen vorgesehen, um eine tatsächliche Erhöhung der Impfquote in Schulen und sonstigen Gemeinschaftseinrichtungen und damit letztlich in der gesamten Bevölkerung zu erreichen.

Die Beschlüsse sind unanfechtbar.

Quelle | OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 28.2.2024, OVG 1 S 80/23 u. a., PM 9/24


Tierüberlassungsvertrag:

Tierheim darf keine Katzen sicherstellen

| Das Amtsgericht (AG) Hanau hat entschieden: Ein Tierheim besitzt keine Befugnis, vermittelte Tiere ihren Besitzern eigenmächtig wieder wegzunehmen. |

Vertraglich geregelte Anbringung eines Fliegengitters

Der Antragstellerin war vom Antragsgegner, einem Tierheim, ein Kater überlassen worden. Nach dem „Tierüberlassungsvertrag“ müsse ihre Balkontür mit einem Fliegengitter gesichert werden, zudem solle das Tier abnehmen. Nach knapp einem Jahr erkundigte sich der Antragsgegner telefonisch, ob das Tier abgenommen habe und das Fliegengitter angebracht worden sei. Die Antragstellerin verneinte die Anbringung des Fliegengitters mangels Notwendigkeit, da der Kater sehr ängstlich sei und nie auf den Balkon gehe. Ob das Tier abgenommen habe, wisse sie nicht, da sie ihn nicht gewogen habe.

Gitter nicht angebracht: Tierheimpersonal erscheint und nimmt Kater mit

Knapp 30 Minuten später erschienen zwei Personen unangemeldet bei der Antragstellerin und teilten mit, sie kämen „vom Tierheim“. Sogleich nach Betreten der Wohnung stürzte eine der beiden Personen auf den Kater, der die Flucht ergriff, denn „man nehme den Kater jetzt mit“. Trotz Widerspruchs der Antragstellerin jagten die Personen den Kater und verrückten dabei sogar Wohnungsmöbel. Der Kater wurde schließlich mit einem Fangnetz eingefangen und mit den Worten „den kriegen Sie nicht wieder“ mitgenommen.

Tierheim muss Kater wieder herausgeben

Nachdem die Antragstellerin auf Herausgabe des Tiers geklagte hatte, wurde dieses noch während des Verfahrens an sie zurückgegeben. Das AG entschied dann, dass der Antragsgegner die Kosten des Verfahrens tragen müsse. Ob die Regelungen in dem „Tierüberlassungsvertrag“ wirksam waren und eventuell nicht eingehalten wurden, könne dahinstehen. Denn die eigenmächtige Wegnahme des Tieres stelle verbotene Eigenmacht dar. Mögliche Ansprüche müsse der Antragsgegner gerichtlich durchsetzen und könne sie nicht selbst vollstrecken.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle | AG Hanau, Beschluss vom 4.1.2024, 98 C 98/23, PM vom 4.3.2024


Nötigung:

Wegnehmen von Fan-Schal muss nicht immer Diebstahl sein

| Das Amtsgericht (AG) Frankfurt hatte nach der Wegnahme eines Fan-Schals keinen Diebstahl, sondern lediglich eine Nötigung angenommen. Ob ein Diebstahl vorliege, hänge davon ab, ob der Täter den Schal seinem Vermögen einverleiben wolle. |

Wegnahme nach Fußballspiel

Der angeschuldigte Eintracht-Fan soll bei einem Fußballspiel der Frankfurter Eintracht gegen den FC Schalke 04 im Deutsche Bank Park einem Fan der gegnerischen Mannschaft einen Fan-Schal abgenommen haben. Beim Verlassen des Stadions habe er dem Schalke-Anhänger den Fan-Schal im Vorbeilaufen vom Hals gezogen. Als der Schalke-Fan ihn zur Rückgabe aufforderte, habe er ihn mit beiden Händen weggeschoben.

Staatsanwaltschaft bejahte Diebstahl

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main wertete dies als Diebstahl. Da der Angeschuldigte zudem den Schalke-Fan mit Gewalt weggedrückt habe, um den erbeuteten Schal behalten zu können, erhob sie Anklage wegen räuberischen Diebstahls – einem Verbrechenstatbestand mit einer Mindeststrafe von einem Jahr.

Amtsgericht differenzierte

Das AG sah in der Handlung des Angeschuldigten jedoch keinen Diebstahl. Es fehle an der hierfür notwendigen „Zueignungsabsicht“. Diese liege nur vor, wenn der Täter sich die Sache aneignen, sie also seinem Vermögen zuführen wolle. Nehme der Täter den Schal aber lediglich an sich, um jemanden zu ärgern, fehle es an einer Zueignungsabsicht. Es handele sich dann lediglich um eine straflose „Gebrauchsanmaßung“ und sofern der Schal anschließend beschädigt würde um eine Sachbeschädigung.

Da das Gericht keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür sah, dass der Angeschuldigte den Schal behalten wollte, eröffnete es das Hauptverfahren nicht wegen räuberischen Diebstahls, sondern lediglich wegen Nötigung. Diese habe der Angeschuldigte durch das Wegdrücken des Schalke-Fans begangen.

Quelle | AG Frankfurt am Main, Beschluss vom 23.10.2023, 917 Ls 6443 Js 217242/23, PM vom 8.3.2024


Versicherungsfall:

Brand eines Oldtimers

| Mit den Besonderheiten bei der Versicherung historischer Fahrzeuge hat sich das Landgericht (LG) Frankenthal befasst. Es entschied: Steigt der Wert eines Oldtimers nach Abschluss der Versicherung an, ist der Betrag der Wertsteigerung womöglich vom Versicherungsschutz ganz oder teilweise nicht erfasst. Der Eigentümer des Fahrzeugs muss selbst darauf achten, den versicherten Wert regelmäßig dem etwa gestiegenen Marktwert anzupassen. Eine auf vollständigen Ersatz gerichtete Klage gegen die Kfz-Versicherung hat das Gericht im zugrundeliegenden Fall wegen Unterdeckung abgewiesen. |

Das war geschehen

Ein Oldtimerfan hatte sein historisches Fahrzeug gegen Beschädigung oder Zerstörung zum jeweils aktuellen Marktwert versichert. Später kam es dazu, dass das Fahrzeug bei einem Brand in einer Tiefgarage erheblich beschädigt worden war.

Die Kfz-Versicherung kam nach eingeholtem Gutachten zu einem Wert des Fahrzeugs am Schadenstag in Höhe von knapp 41.000 Euro und zahlte dem Eigentümer den entsprechenden Geldbetrag aus. Dieser war jedoch davon überzeugt, dass sein Oldtimer deutlich mehr wert gewesen sei und ließ deshalb ein weiteres Gutachten einholen. Dieses kam tatsächlich zu dem Ergebnis, dass das historische Fahrzeug im Wert deutlich gestiegen und fast 8.000 Euro mehr wert war, als von der Versicherung angenommen. Der Mann verlangte nun die Differenz.

Sonderbedingungen des Versicherungsvertrags entscheidend

Das LG verwies, wie auch zuvor bereits die Versicherung, den Oldtimerfan auf die im Versicherungsvertrag enthaltenen Sonderbedingungen für historische Fahrzeuge. Danach werde grundsätzlich ein Schaden bis zur Höhe des aktuellen Marktwerts ersetzt. Die Höchstentschädigung sei aber durch den Marktwert begrenzt, der bei Versicherungsabschluss vereinbart wurde.

Im Fall von Wertsteigerungen könne maximal zehn Prozent mehr als der damals vereinbarte Marktwert verlangt werden. Der habe im konkreten Fall rund 36.000 Euro betragen. Dem Oldtimerbesitzer stehe deshalb keine höhere Entschädigung zu, als von der Versicherung bereits ausgezahlt.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 17.1.2024, 3 O 230/23, PM vom 28.2.2024


Nachbarrecht:

Schadenersatz bei gravierendem Baumrückschnitt eines Nachbarn ohne Einwilligung des Eigentümers

| Bei der Zerstörung eines älteren Baumes ist in der Regel keine sog. Naturalrestitution zu leisten, also nicht der Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Der Anspruch geht vielmehr auf eine Teilwiederherstellung durch Anpflanzung eines jungen Baumes und darüber hinaus einen Ausgleich für eine etwa verbleibende Werteinbuße des Grundstücks. Das Oberlandgericht (OLG) Frankfurt am Main hat ein den eingeklagten Schadenersatzanspruch größtenteils zurückweisendes Urteil des Landgerichts (LG) aufgehoben und den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung an das LG zurückverwiesen. |

Rückschnitt ja, aber nicht so gravierend

Die Parteien sind Nachbarn. Die Klägerin ist Eigentümerin eines großen Grundstücks im Vordertaunus mit rund 70-jährigem Baumbestand. Der Baum- und Strauchbestand wird jährlich mehrfach durch ein Fachunternehmen beschnitten. An den hinteren Gartenbereich grenzt u.a. das Grundstück des Beklagten. Im Abstand von 1,60 m hierzu steht auf dem klägerischen Grundstück eine Birke, im Abstand von 3,35 m ein Kirschbaum. Beide Bäume waren zum Zeitpunkt des Erwerbs des Beklagten schon lange vorhanden. Die Klägerin war einverstanden, dass der Beklagte die auf sein Grundstück herüberhängenden Äste der Gehölze zurückschneidet.

Ende Mai 2020 betrat der Beklagte das klägerische Grundstück in ihrer Abwesenheit und führte gravierende Schnittarbeiten unter anderem an den beiden Bäumen durch. An der Birke verblieb kein einziges Blatt. Der kurz vor der Ernte befindliche Kirschbaum wurde vollständig eingekürzt. Ob sich die Bäume wieder komplett erholen oder die derzeitigen Triebe allein sog. Nottriebe sind, die an dem Absterben nichts ändern, ist zwischen den Parteien streitig.

Landgericht sprach Schadenersatz von 4.000 Euro zu

Das LG hat der auf Zahlung von Schadenersatz von knapp 35.000 Euro gerichteten Klage in Höhe von gut 4.000 Euro stattgegeben. Es führte aus, dass die Wertminderung der Bäume sowie die Kosten für die Entsorgung des Schnittguts zu ersetzen seien.

Oberlandesgericht: Sachverhalt muss aufgeklärt werden

Die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin führte zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LG. Der Sachverhalt sei zur Bemessung des Schadenersatzes weiter aufzuklären, begründete das OLG die Entscheidung.

Bei der Zerstörung eines Baumes sei in der Regel nicht Schadenersatz in Form von Naturalrestitution zu leisten, da die Ersatzbeschaffung in Form der Verpflanzung eines ausgewachsenen Baumes regelmäßig mit besonders hohen und damit unverhältnismäßigen Kosten verbunden sei. Der Schadenersatz richte sich vielmehr üblicherweise auf eine Teilwiederherstellung durch Anpflanzung eines neuen jungen Baumes sowie einen Ausgleichsanspruch für die verbleibende Werteinbuße des Grundstücks. Diese Werteinbuße sei zu schätzen. Nach einer möglichen Bewertungsmethode könnten dafür die für die Herstellung des geschädigten Gehölzes bis zu seiner Funktionserfüllung erforderlichen Anschaffungs-, Pflanzungs- und Pflegekosten sowie das Anwachsrisiko berechnet und anschließend kapitalisiert werden. Dieser Wert sei um eine Alterswertminderung, Vorschäden und sonstige wertbeeinflussende Umstände zu bereinigen.

Ausnahmsweise seien die vollen Wiederbeschaffungskosten zuzuerkennen, „wenn Art, Standort und Funktion des Baumes für einen wirtschaftlich vernünftig denkenden Menschen den Ersatz durch einen gleichartigen Baum wenigstens nahelegen würden“, erläutert das OLG weiter. Aufzuklären sei deshalb bei der Bewertung des Schadenersatzes die Funktion der Bäume für das konkrete Grundstück. Zu berücksichtigen sei dabei auch der klägerische Vortrag, wonach es ihr bei der sehr aufwändigen, gleichzeitig naturnahen Gartengestaltung auch darauf angekommen sei, Lebensraum für Vögel und sonstige Tiere zu schaffen und einen Beitrag zur Umwandlung von Kohlenstoffdioxid in Sauerstoff zu leisten.

Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 6.2.2024, 9 U 35/23, PM 12/24

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