Verbraucherrecht Info - 10.2024

2.10.2024
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Schmerzensgeldforderung:

Kleideranprobe: das „ins Auge springende“ Preisschild

| Das Landgericht (LG) München I hat die Klage einer Kundin gegen einen Outlet-Betreiber auf Schmerzensgeld abgewiesen. Die Kundin hatte sich bei der Kleideranprobe durch ein Preisschild eine Augenverletzung zugezogen. |

Bei der Kleideranprobe am Preisschild verletzt

Im April 2023 probierte die klagende Kundin im Outlet Store der Beklagten ein T-Shirt. Dabei verletzte sie sich durch ein an diesem T-Shirt angebrachtes Preisschild am rechten Auge.

Schmerzensgeld gefordert

Die Kundin hat gegen den Betreiber des Outlet Stores deswegen Klage erhoben und Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 5.000 Euro gefordert. Der Betreiber des Outlet Stores habe die ihm obliegenden Verkehrssicherungspflichten verletzt, da das Preisschild in seiner Ausgestaltung aufgrund fehlender Sicherung und Erkennbarkeit gefährlich gewesen sei. Das Preisschild habe ihr bei der Anprobe ins Auge geschlagen. Sie habe dadurch eine erhebliche Verletzung am rechten Auge erlitten. Es sei erforderlich gewesen, an dem verletzten Auge eine Hornhauttransplantation durchzuführen. Bis heute leide sie unter Schmerzen und sei weiterhin in ihrer Sicht eingeschränkt sowie besonders blendempfindlich.

Preisschilder vorgeschrieben

Der Betreiber des Outlet Stores hat eingewandt, bei dem verwendeten Preisschild handle es sich um ein übliches Standardpreisschild in der Größe von ca. 9 cm x 5 cm mit abgerundeten Ecken und einer flexiblen Rebschnur. Die Preisschilder seien durch ihre Größe und das Gewicht des Bündels deutlich fühlbar gewesen. Vergleichbare Fälle von aufgetretenen Verletzungen seien ihm nicht bekannt. Zudem sei es gesetzlich vorgeschrieben, entsprechende Preisschilder an den Waren anzubringen.

Amtsgericht weist Klage ab

Das AG hat die Klage abgewiesen. Unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt stehe der Kundin ein Anspruch auf Schmerzensgeld gegenüber dem Betreiber des Outlet Stores zu. Wenn sich im Zuge einer Kleideranprobe in einem Outlet eine Kundin durch ein übliches Preisschild am Auge verletzt, hafte der Betreiber dafür nicht, so das AG.

Zur Begründung hat das AG ausgeführt, sichernde Maßnahmen seien nur in dem Maße geboten, in dem sie ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Dabei müsse der Geschäftsbetreiber nicht für alle denkbar entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge treffen. Es komme vielmehr auch entscheidend darauf an, welche Möglichkeiten der Geschädigte hat, sich vor erkennbaren Gefahrquellen selbst zu schützen.

Im hier entschiedenen Einzelfall habe der Betreiber des Outlet Stores den an ihn gerichteten Verkehrssicherungspflichten Genüge getan. Für die Kundin sei das Vorhandensein eines Preisschildes erwartbar und das Treffen eigener Sicherheitsvorkehrungen zumutbar gewesen.

Nach allgemeiner Lebenserfahrung werfe ein Kunde bereits vor der Anprobe einen Blick auf das Preisschild und könne daher ohne Weiteres selbst dafür sorgen, dass er sich bei der Anprobe nicht verletze. Die Forderung der Kundin, gesondert auf das Vorhandensein von Preisschildern an der Kleidung hinzuweisen, hielt das Gericht für lebensfremd und nicht zumutbar.

Quelle | LG München I, Urteil vom 28.5.2024, 29 O 13848/23, PM 5/24


Reiserecht:

1,3 Kilometer sind nicht nur „wenige Gehminuten“ von wunderschönen Stränden entfernt

| Ein Hotel mit einem Fußweg von ca. 1,3 Kilometern befindet sich nicht „nur wenige Gehminuten“ von wunderschönen Stränden entfernt. So hat es das Amtsgericht (AG) München jetzt klargestellt. Es läge daher ein Reisemangel vor. |

Es ging um die Erstattung von Kosten eines Ersatzhotels und Schadenersatz

Das AG verurteilte einen Reiseveranstalter zur Erstattung von Kosten eines Ersatzhotels und Schadenersatz für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit in Höhe von insgesamt 1.795 Euro. Die Klägerin hatte für sich und ihre neunjährige Tochter bei der Beklagten eine Rundreise durch Costa Rica gebucht. Die Rundreise sollte einen Aufenthalt von 4 Nächten in einem Boutique-Hotel an der Pazifikküste beinhalten.

Tatsächlich 25 Gehminuten zum Strand

Die Klägerin bemängelte, das Hotel sei mit den Worten „nur wenige Gehminuten von den besten Restaurants und wunderschönen Stränden [..] entfernt“ beschrieben worden. Dies habe nicht der Realität entsprochen. An der Rezeption sei ihr mitgeteilt worden, dass man ein Taxi nehmen müsse, um den Strand zu erreichen, da dieser 25 Gehminuten entfernt läge. Die Klägerin wandte sich daraufhin an die lokale Ansprechpartnerin der Reiseveranstalterin und buchte in Abstimmung mit dieser über eine Buchungsplattform auf eigene Kosten ein Ersatzhotel. Mit ihrer Klage machte die Klägerin Ersatz der verauslagten Kosten für die Buchung des Ersatzhotels in Höhe von 733 Euro sowie Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit wegen eines verlorenen Urlaubstages aufgrund des Hotelwechsels in Höhe von 1.062 Euro geltend.

Entfernung zugesichert?

Die Beklagte behauptete, es sei nie eine bestimmte Entfernung oder Gehzeit zum Strand zugesichert worden. Tatsächlich sei der Strand in ca. 15 Minuten zu erreichen.

Das AG gab der Klägerin in vollem Umfang Recht und führte in den Entscheidungsgründen aus, dass das Hotel aufgrund seiner Entfernung zum Strand mangelhaft sei. Zwischen den Parteien sei zwar umstritten, wie lange der Fußweg vom Hotel zum Strand dauerte. Es sei allerdings unstreitig, dass der nächstgelegene Strand des Hotels einen Fußweg von 1,3 km entfernt war. Im Rahmen der Auslegung dieses vertraglich vereinbarten Merkmals „wenige Gehminuten“ müsse auch berücksichtigt werden, dass es sich bei der gebuchten Reise um eine Reise im Hochpreissegment handelte, wurden doch für 12 Tage knapp 9.000 Euro ausgegeben exklusive Flügen. Die Beklagte, die selbst damit wirbt, „unvergessbare Luxusreisen“ anzubieten, müsse sich insofern an ihren eigenen Ansprüchen messen lassen. Nach Überzeugung des Gerichts seien bei einer hochpreisigen Luxusreise „wenige Gehminuten“ eine Zeit, die bei normalem Gehtempo regelmäßig fünf Minuten nicht überschreite.

„Wenige Gehminuten“ = maximal 5 Minuten!

Die unstreitige Entfernung zum Strand von 1,3 km könne jedoch nur dann (noch) in fünf Minuten zurückgelegt werden, wenn eine Gehgeschwindigkeit von etwa 15,6 km/h eingehalten werden würde, was selbst für erfahrene Läufer ein ambitioniertes Tempo darstelle. Vor dem Hintergrund, dass der Beklagten bei der Reiseplanung bekannt war, dass die Klägerin mit einem neunjährigen Kind reiste passte sie doch ihr Freizeitprogramm kindgerecht an könne das Einhalten eines solchen Tempos nicht vorausgesetzt werden.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle | AG München, Urteil vom 22.11.2023, 242 C 13523/23, PM 20/24


Kaufvertrag:

Vertraglicher Gewährleistungsausschluss bei Kauf eines 40 Jahre alten Gebrauchtwagens

| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich mit der Frage befasst, ob sich der Verkäufer eines fast 40 Jahre alten Fahrzeugs mit Erfolg auf einen vertraglich vereinbarten allgemeinen Gewährleistungsausschluss berufen kann, wenn er mit dem Käufer zugleich vereinbart hat, dass die in dem Fahrzeug befindliche Klimaanlage einwandfrei funktioniere, und der Käufer nunmehr Mängelrechte wegen eines Defekts der Klimaanlage geltend macht. |

Das war geschehen

Der Kläger erwarb im März 2021 im Rahmen eines Privatverkaufs von dem Beklagten zu einem Kaufpreis von 25.000 Euro einen erstmals im Juli 1981 zugelassenen Mercedes-Benz 380 SL mit einer Laufleistung von rund 150.000 km. In der Verkaufsanzeige des Beklagten auf einer Onlineplattform hieß es unter anderem: „Klimaanlage funktioniert einwandfrei. Der Verkauf erfolgt unter Ausschluss jeglicher Sachmängelhaftung“.

Im Mai 2021 beanstandete der Kläger, dass die Klimaanlage defekt sei. Nachdem der Beklagte etwaige Ansprüche des Klägers zurückgewiesen hatte, ließ dieser die Klimaanlage im Wesentlichen durch eine Erneuerung des Klimakompressors instand setzen. Mit der Klage verlangt er von dem Beklagten den Ersatz von Reparaturkosten in Höhe von rund 1.750 Euro.

So sah es der Bundesgerichtshof

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgte der Kläger sein Klagebegehren erfolgreich weiter. Der BGH hat entschieden, dass der Beklagte sich gegenüber dem hier im Streit stehenden Schadenersatzanspruch des Klägers nicht auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss berufen kann.

Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung ist in den Fällen einer (ausdrücklich oder stillschweigend) vereinbarten Beschaffenheit ein daneben vereinbarter allgemeiner Haftungsausschluss für Sachmängel dahin auszulegen, dass er nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit, sondern nur für sonstige Mängel gelten soll. Eine von diesem Grundsatz abweichende Auslegung des Gewährleistungsausschlusses kommt nicht in Betracht.

Auf den Wortlaut der Internetanzeige kam es an

Der Umstand, dass der Beklagte nicht erst im schriftlichen Kaufvertrag, sondern bereits in seiner Internetanzeige unmittelbar im Anschluss an die Angabe „Klimaanlage funktioniert einwandfrei“ erklärt hat, dass der Verkauf „unter Ausschluss jeglicher Sachmängelhaftung“ erfolge, erlaubt es nicht, den vereinbarten Gewährleistungsausschluss dahingehend zu verstehen, dass er sich auf die getroffene Beschaffenheitsvereinbarung über die (einwandfreie) Funktionsfähigkeit der Klimaanlage erstreckt. Denn gerade das aus Sicht eines verständigen Käufers gleichrangige Nebeneinanderstehen einer Beschaffenheitsvereinbarung einerseits und eines Ausschlusses der Sachmängelhaftung andererseits gebietet es nach der Rechtsprechung des BGH, den Gewährleistungsausschluss als beschränkt auf etwaige, hier nicht in Rede stehende Sachmängel aufzufassen, da die Beschaffenheitsvereinbarung für den Käufer andernfalls außer im (hier nicht gegebenen) Fall der Arglist des Verkäufers ohne Sinn und Wert wäre.

Vereinbarte Beschaffenheit kann nicht im Anschluss wieder ausgeschlossen werden

Insbesondere aber rechtfertigen in einem Fall, in dem wie hier die Funktionsfähigkeit eines bestimmten Fahrzeugbauteils den Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung bildet, weder das (hohe) Alter des Fahrzeugs beziehungsweise des betreffenden Bauteils, noch der Umstand, dass dieses Bauteil typischerweise dem Verschleiß unterliegt, die Annahme, dass ein zugleich vereinbarter allgemeiner Gewährleistungsausschluss auch für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit gelten soll. Diese Umstände (Alter des Fahrzeugs, Verschleißanfälligkeit eines Bauteils) können zwar für die übliche Beschaffenheit eines Gebrauchtwagens von Bedeutung sein. Sie spielen jedoch weder für die Frage einer konkret vereinbarten Beschaffenheit noch für die hier maßgebliche Frage eine Rolle, welche Reichweite ein allgemeiner Gewährleistungsausschluss im Fall einer vereinbarten Beschaffenheit hat. Vielmehr findet der Grundsatz, dass ein vertraglich vereinbarter allgemeiner Gewährleistungsausschluss die Haftung des Verkäufers für einen auf dem Fehlen einer vereinbarten Beschaffenheit beruhenden Sachmangel unberührt lässt, auch dann uneingeschränkt Anwendung, wenn der Verkäufer die Funktionsfähigkeit eines Verschleißteils eines Gebrauchtwagens zugesagt hat.

Quelle | BGH, Urteil vom 10.4.2024, VIII ZR 161/23, PM 82/2024


Nachbarrecht:

Eigentümer kann keine verschlossenen und blickdichten Nachbarfenster verlangen

| Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg hat die Klage eines Nachbarn auf Durchsetzung des „Fensterrechts“ in der Berufungsinstanz abgewiesen. In erster Instanz hatte das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth den vom Kläger gegen die Grundstücksnachbarn geltend gemachten Anspruch zuerkannt, die auf der Grundstücksgrenze befindlichen Fenster großflächig blickdicht zu gestalten und geschlossen zu halten. Das OLG hat nun die Entscheidung geändert. |

Kläger beriefen sich auf Nachbarrecht

Der Kläger verlangte unter Berufung auf die bayerischen Nachbarrechtsvorschriften von den beklagten Nachbarn, die zu seinem Grundstück zugewandten Wohnraumfenster so umzubauen, dass ein Öffnen und ein Durchblicken bis zur Höhe von 1,80 m über dem Boden nicht möglich sind. Er ist Eigentümer eines im Jahr 2017 errichteten Einfamilienhauses, die Beklagten wohnen seit 2019 auf dem Nachbargrundstück. Beide Grundstücke waren zunächst Teil eines größeren Grundstücks. Infolge der Grundstücksteilung im Jahr 2000 wurde das Wohnhaus, in dem die Beklagten wohnen, zu einem Grenzbau. Die Wohnung der Beklagten hat mehrere Fenster sowie eine Balkonfenstertür, deren Abstand zur Grundstücksgrenze des Klägers weniger als 60 Zentimeter beträgt.

Oberlandesgericht machte sich ein eigenes Bild

Das OLG sah die auf das „Fensterrecht“ gestützten Anspruchsvoraussetzungen zwar grundsätzlich als gegeben, erachtete die Durchsetzung des Anspruchs im konkreten Einzelfall in der Gesamtwürdigung aber als unbillige Härte. Es hatte sich in einem Ortstermin ein eigenes Bild von den konkreten Wohnverhältnissen gemacht und die streitgegenständlichen Fenster, insbesondere die etwaig zu verschattenden Fensterflächen, die Lichtverhältnisse in sämtlichen betroffenen Räumen und die Fluchtwege der Wohnung in Augenschein genommen.

Unter Berücksichtigung der baulichen Gegebenheiten der Wohnung und in Abwägung der jeweiligen Interessen beider Seiten kam das OLG zu dem Ergebnis, dass dem Kläger ein Berufen auf das nachbarrechtliche „Fensterrecht“ im konkreten Einzelfall verwehrt ist. Maßgeblich war aus Sicht des Gerichts zum einen, dass bis zu 80 % der Fensterflächen von der blickdichten Gestaltung betroffen wären und eine ausreichende Licht- und Luftzufuhr der Wohnung bei Durchsetzung des Anspruchs nicht mehr gewährleistet wäre. Zum anderen hat das Gericht berücksichtigt, dass bei einem dauerhaften Verschließen der Balkontür auch der notwendige zweite Fluchtweg nicht mehr gegeben wäre. In Gesamtbetrachtung der konkreten Umstände erachtete das Gericht die Ausübung des Fensterrechts daher als unzulässig.

Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 18.6.2024. 6 U 2481/22, PM 21/24

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