Trunkenheitsfahrt:
E-Scooter: Eher einem Fahrrad als einem Kfz gleichzusetzen
| Darf bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter die Fahrerlaubnis (vorläufig) entzogen werden? Das ist noch nicht abschließend geklärt. Aber das Amtsgericht (AG) Essen hat jetzt abgelehnt, einen solchen Einziehungs-Beschluss zu erlassen. |
Der Beschuldigte war nachts gegen 2:31 Uhr in Essen mit einem E-Scooter alkoholisiert auf einem Gehweg gefahren. Die Blutalkoholkonzentration betrug 1,68 Promille. Das AG: Hinsichtlich der Gefährlichkeit ist ein E-Scooter eher einem Fahrrad als einem Kraftfahrzeug gleichzusetzen. Zudem führte der Angeklagte den E-Scooter nachts, sodass eine Gefährdung anderer weniger wahrscheinlich war.
Quelle | AG Essen, Urteil vom 12.1.2022, 43 Cs-39 Js 1578/21-422/21, Abruf-Nr. 227067 unter www.iww.de
Fiktive Abrechnung:
Versicherung log bei Verweisungswerkstatt
| Eine Versicherung war bei der fiktiven Abrechnung wegen Alters und Wartungsstatus des unfallgeschädigten Fahrzeugs einfallsreich. Sie verwies auf eine Werkstatt, die es gar nicht mehr gab. Das Amtsgericht (AG) Coburg sagte nun: „So nicht!“ |
Die Werkstatt, auf die die Versicherung verwiesen hatte, gab es zum Verweisungszeitpunkt seit Monaten nicht mehr. Das hatte der Anwalt des Geschädigten im Rechtsstreit offengelegt, was ohne Widerspruch geblieben war.
Doch die Versicherung scherte das wenig: Sie trug vor, die Werkstatt gebe es zwar nicht. Aber deren Gleichwertigkeit sei ja nicht bestritten worden. Daraus folge, dass sie deshalb als gleichwertig anzusehen sei. Das ließ das AG nicht durchgehen. Und es hob hervor, dass dem Geschädigten auch im Rahmen der ihm obliegenden Schadensminderungspflicht eine etwaige eigene Recherche nicht abverlangt werden kann.
Quelle | AG Coburg, Urteil vom 16.2.2022, 12 C 1956/21, Abruf-Nr. 227696 unter www.iww.de
Betäubungsmittelgesetz:
Kokainabhängigem Busfahrer ist Fahrerlaubnis zu entziehen
| Bei der Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetztes (BtMG) entfällt die Fahreignung nach der Fahrerlaubnisordnung. Das entschied jetzt das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig-Holstein. |
Dieser Grundsatz gelte unabhängig von der Häufigkeit des Konsums und der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration. Folge: Auch ein kokainabhängiger Busfahrer, der noch im berauschten Zustand unabhängig von Ausfallerscheinungen am Straßenverkehr teilnimmt, ist fahruntüchtig. Es ist also schon dann gerechtfertigt, ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn ihm einmalig harte Drogen im Körper nachgewiesen wurden oder er deren Einnahme eingeräumt hat. Das gilt aber nicht für die Einnahme von Cannabis.
Quelle | OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 11.2.2022, 5 MB 2/22
Verkehrsunfall:
Urteil wegen fahrlässiger Tötung infolge von Textnachrichten am Steuer rechtskräftig
| Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat die Verurteilung eines Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung bestätigt. Es hat zwar die ursprüngliche Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf ein Jahr und neun Monate herabgesetzt. Die Vollstreckung der Strafe wurde jedoch nicht, wie es der Angeklagte erstrebt hatte, zur Bewährung ausgesetzt. Die Verurteilung ist damit rechtskräftig. |
Das war geschehen
Der Angeklagte befuhr eine Straße, bei der die Geschwindigkeit auf 70 km/h beschränkt war. Während er mit überhöhter Geschwindigkeit fuhr, las er auf seinem Mobiltelefon zwei Textnachrichten, schrieb eine sehr kurze Antwort und legte das Telefon anschließend in der Mittelkonsole ab. Infolgedessen hatte er nicht bemerkt, dass sich in einer langgezogenen Rechtskurve drei Personen auf Fahrrädern näherten: eine Mutter mit ihrer dreijährigen Tochter auf dem Fahrradkindersitz und die davor mit ihrem Kinderrad fahrende sechsjährige Tochter. Als er wieder aufschaute, bemerkte er die Familie zu spät. Er versuchte noch zu bremsen, kollidierte aber mit einer Geschwindigkeit von 82 km/h oder mehr mit den Fahrradfahrern. Dabei wurden die Mutter getötet und die beiden Mädchen schwer verletzt.
Das Landgericht (LG) hat bei der Strafzumessung das umfassende Geständnis des Angeklagten, das auch den Kindern eine belastende Aussage in der Hauptverhandlung ersparte, und Schmerzensgeld von 10.000 Euro, für das der Angeklagte einen Kredit aufnahm, sowie mehrere Entschuldigungen des Angeklagten berücksichtigt. Außerdem hat es zu seinen Gunsten berücksichtigt, dass er zuvor weder strafrechtlich noch verkehrsrechtlich belastet war.
Erhebliche Sorg- und Verantwortungslosigkeit
Zu seinen Lasten hat es gewürdigt, dass der Angeklagte die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mindestens 15 km/h überschritt und während der Fahrt sein Mobiltelefon bediente. Vor allem das Verfassen der Textnachricht stelle eine massive Ablenkung vom Verkehrsgeschehen dar, sodass ihm insgesamt eine erhebliche Sorg- und Verantwortungslosigkeit vorzuwerfen sei.
Verbreitete Einstellung: „Handyverbot“ wird nicht ernst genommen
Eine Strafaussetzung zur Bewährung kam nicht in Betracht, da die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung geboten sei. Insbesondere der vorsätzliche Verstoß gegen das Verbot, elektronische Geräte, wie Mobiltelefone, aufzunehmen und zu bedienen, stelle sich hier als besonders schwerwiegend dar. Der Angeklagte habe sich für einen belanglosen Austausch von Textnachrichten über dieses Verbot und die dadurch geschützten Sicherheitsinteressen anderer Verkehrsteilnehmer ohne Bedenken hinweggesetzt. Die Tat sei dabei auch Ausdruck einer verbreiteten Einstellung, die eine durch einen erheblichen Unrechtsgehalt gekennzeichnete Norm nicht ernst nehme und von vornherein auf die Aussetzung einer etwaigen Freiheitsstrafe zur Bewährung vertraue.
Quelle | OLG Hamm, Beschluss vom 8.3.2022, III-4 RVs 13/22, PM vom 8.3.2022
Verkehrsunfall:
Schnell zum Arzt bei Verletzung der Halswirbelsäule
| Wer sich bei einem Verkehrsunfall verletzt, muss das auch aktenkundig machen. Die Klage eines Autofahrers gegen einen prominenten Fußballspieler vor dem Landgericht (LG) München I wegen eines Auffahrunfalls blieb aufgrund nicht mehr zu beweisender Verletzungen ganz überwiegend erfolglos, da sich der Patient nicht zeitnah zum Arzt begab. |
Hintergrund: Der Kläger konnte seine behaupteten, unfallbedingten Verletzungen nicht beweisen. Bei einem Streitwert von rund 50.000 Euro hat das Gericht dem Kläger lediglich etwa 4.500 Euro für die Reparatur seines Pkw sowie ein Ersatzfahrzeug und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zugesprochen. Verdienstausfall und Schmerzensgeld wegen einer vom Kläger vorgetragenen Sensibilitätsstörung seiner rechten Hand und einem sog. Schleudertrauma (HWS-Distorsion) erhielt er hingegen nicht.
Das war geschehen
Der Kläger hatte einen Spurwechsel mit seinem Maserati durchgeführt. Der Beklagte war im weiteren Verlauf mit seinem Mercedes aufgefahren. Das Gericht kam zu der Überzeugung, dass der Beweis des ersten Anscheins gegen den Auffahrenden hier zum Tragen komme und somit der Beklagte dem Grunde nach für den Verkehrsunfall verantwortlich sei. Deshalb seien dem Kläger die Reparaturkosten, die Kosten für ein Ersatzfahrzeug und die Einschaltung eines Rechtsanwalts zuzusprechen.
Landgericht: Verletzungen nicht mehr beweissicher feststellbar
Dem Kläger stehe gegen den Beklagten jedoch weder ein Schmerzensgeldanspruch noch ein Anspruch auf Ersatz von Erwerbsschaden, bzw. entgangenem Gewinn zu, da der Kläger den Eintritt unfallbedingter Verletzungen nicht habe beweisen können. Eine HWS-Distorsion beim Kläger sei nicht beweissicher feststellbar, ebenso wenig die vom Kläger geltend gemachten Sensibilitätsstörungen der rechten Hand. So komme zum einen das eingeholte biomechanisch und orthopädisch/unfallchirurgische Gutachten zu dem Ergebnis, dass die vom Kläger vorgetragenen Sensibilitätsstörungen der rechten Hand nicht dem streitgegenständlichen Unfall anzulasten seien. Sowohl aus biomechanischer als auch medizinischer Sicht sei nach dem Unfallhergang schon nicht eindeutig, dass der Kläger die unfallkausal geltend gemachten Beschwerden sicher erlitten habe.
Unverzüglicher Arztbesuch blieb aus
Zum anderen habe sich der Kläger nach eigener Einlassung erst ca. ein Monat nach dem Unfall in ärztliche Behandlung begeben, dies jedoch nicht wegen Beschwerden an der Halswirbelsäule, sondern wegen der Einschränkung der Funktionsfähigkeit der Hand. Hätte der Kläger entsprechende HWS-Distorsionsbeschwerden unfallbedingt erlitten, wäre zu erwarten gewesen, dass er sich unverzüglich zum Arzt begeben und dort die entsprechenden Symptome geschildert hätte, was nicht geschehen sei.
Dem Kläger stehe deshalb gegen den Beklagten mangels eindeutig unfallbedingter Verletzung weder ein Schmerzensgeldanspruch noch ein Anspruch auf Ersatz von Erwerbsschaden/entgangenem Gewinn zu.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Quelle | LG München I, Urteil vom 11.3.2022, 19 O 16989/20, PM 8/2022 vom 18.3.2022