Unfallschadensregulierung:
Werden unfallbedingte Depressionen nicht behandelt, kann Anspruch gekürzt werden
| Wer nach einem Unfall nicht zum Arzt geht, muss damit rechnen, dass seine Ersatzansprüche gekürzt werden. |
Das ist das Fazit der Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Schleswig. Hintergrund der Entscheidung ist ein Unfall, den der Kläger 2004 erlitten hat. In der Zeit ab 2005 entwickelten sich aus streitiger Ursache psychosomatische Beschwerden. Diese führten zur Arbeitsunfähigkeit ab Anfang 2007. Der Kläger war zur Unfallzeit und danach bis zur Frühverrentung (wegen voller Erwerbsminderung) im Landesdienst beschäftigt. Er hat behauptet, seine durch die depressiven Störungen bedingte Erwerbsunfähigkeit sei eine Unfallfolge. Im Zeitraum 2/07 bis 10/16 sei ihm ein Verdienstausfallschaden in Höhe von 130.446 EUR entstanden.
Das OLG hat lediglich einen Teilbetrag zugesprochen. Jedenfalls ab 10/14 müsse sich der Kläger eine Anspruchskürzung um 50 Prozent und ab 10/15 eine solche von 75 Prozent wegen fehlender ärztlicher Behandlung seiner depressiven Störungen gefallen lassen. Hätte sich der Kläger – wie in den ersten Jahren nach dem Unfall – weiterhin der gebotenen psychiatrischen/psychologischen Behandlung unterzogen, wäre er, wenn auch eingeschränkt, wieder arbeitsfähig geworden, so das OLG nach umfassender Beweisaufnahme und Anhörung des Klägers.
Quelle | OLG Schleswig, Urteil vom 21.2.19, 7 U 134/16, Abruf-Nr. 210340 unter www.iww.de.
Unfallschadensregulierung:
Verweis auf andere Werkstatt, die sich als teurer entpuppt
| Wenn der Versicherer bei einer fiktiven Abrechnung auf eine andere Werkstatt verweist, die sich im Rechtsstreit als im Ergebnis teurer herausstellt, kann er in dem Prozess unter Berücksichtigung von Treu und Glauben diesen Verweis nicht zurückziehen und durch den Verweis auf eine andere Werkstatt ersetzen. |
So entschied das Amtsgericht Rudolstadt. Das Gericht hat hier offenbar nicht blind den Angaben im Verweis geglaubt. Es hat einen Gutachter beauftragt, zu ermitteln, was die Reparatur in der Verweiswerkstatt tatsächlich gekostet hätte. Und siehe da, sie wäre teurer als in der Werkstatt, deren Konditionen dem ursprünglichen vom Geschädigten eingeholten Schadengutachten zugrunde lagen. Als der Versicherer nun bemerkte, dass er sich offenbar verwählt hatte, hat er eine andere Werkstatt benannt. Doch das hat das Gericht nicht mitgemacht. Denn das widerspreche den Regeln von Treu und Glauben.
Quelle | Amtsgericht Rudolstadt, Urteil vom 26.2.2019, 3 C 415/17, Abruf-Nr. 209163 unter www.iww.de.
Ordnungswidrigkeit:
„Handyverstoß“ nach neuem Recht: In der Hand halten reicht
| Der neue § 23 Abs. 1a Straßenverkehrsordnung (StVO) verbietet es dem Fahrzeugführer, während der Fahrt ein elektronisches Gerät zu nutzen. Nach dem Wortlaut kommt es dabei nicht darauf an, ob das elektronische Gerät für die Benutzung grundsätzlich in der Hand gehalten werden muss. Entscheidend ist, ob es tatsächlich in der Hand gehalten wurde. |
So entschied es das Kammergericht (KG) in Berlin im Fall eines Autofahrers. Der hatte sich dahin eingelassen, dass es erforderlich war, das heiß gelaufene Mobiltelefon mit der Hand vor die Kühlung zu halten. Nur so hätte er das laufende Telefonat während der Fahrt über die aktivierte Freisprechanlage fortsetzen können. Das KG stellte auf den Zweck der Gesetzesvorschrift ab. Es sah darin eine zu ahnende Tätigkeit. Diese verhinderte nicht nur, dass dem Betroffenen beide Hände für die eigentliche Fahraufgabe zur Verfügung standen. Sie erforderte auch – wie das Führen eines Telefonats – eine erhöhte Konzentration.
Quelle | KG, Urteil vom 13.2.2019, 3 Ws (B) 50/19, Abruf-Nr. 209571 unter www.iww.de.
Kraftfahrzeugrennen:
„Autoposen“ ist kein Kraftfahrzeugrennen
| Eine sog. „Poserfahrt“ ist kein verbotenes Kraftfahrzeugrennen im Sinne des Strafgesetzbuchs. |
Das folgt aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamburg im Falle eines Autofahrers, der wegen eines illegalen Kraftfahrzeugrennens angeklagt war. Die Polizei hatte ihn beobachtet, als er mit seinem Audi R8 an einer roten Ampel neben einem Lotus Sport 135R stand. Beide Fahrzeuge ließen die Motoren aufheulen. Als die Ampel Grün zeigte, fuhren beide mit hoher Drehzahl los. Dies wiederholten beide Fahrzeugführer an mehreren Ampeln hintereinander. Das Amtsgericht hat darin die Teilnahme an einem illegalen Straßenrennen gesehen.
Das OLG hat das Urteil aufgehoben. Das Amtsgericht habe nicht berücksichtigt, dass es sich nicht zwingend um ein Straßenrennen, sondern insbesondere auch um eine Schaufahrt ohne wettbewerblichen Hintergrund gehandelt haben könnte. Dabei komme es den Beteiligten nicht auf ein Kräftemessen mit ihren Fahrzeugen im eigentlichen Sinne an. Sie würden alleine durch ihre Fahrweise die Aufmerksamkeit von Passanten zu erheischen versuchen. Ziel sei es, ihre Fahrzeuge optisch und akustisch in Szene zu setzen und sich zu profilieren. Auch habe das Amtsgericht nicht dargelegt, dass der Betroffene das „Rennen“ mit dem anderen Kraftfahrzeugführer zumindest durch kurzen kommunikativen Akt abgesprochen habe.
Quelle | OLG Hamburg, Urteil vom 5.7.2019, 2 RB 9/19 – 3 Ss-OWi 91/18, Abruf-Nr. 210286 unter www.iww.de.