Verkehrsrecht Info - 11.2021

2.11.2021
|
BGH-Beschluss:

Strafbarkeit der sogenannten Polizeiflucht

| Auch sog. Polizeifluchtfälle können strafbar sein. Es muss aber festgestellt werden, dass es dem Täter darauf ankam, als notwendiges Zwischenziel für eine erfolgreiche Flucht über eine nicht ganz unerhebliche Wegstrecke die höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Das hat jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. |

Der BGH hatte dies bereits früher angedeutet. Nun hat er es ausdrücklich festgestellt. Er weist aber darauf hin, dass aus einer Fluchtmotivation nicht ohne Weiteres auf die Absicht geschlossen werden kann, die gefahrene Geschwindigkeit bis zur Grenze der situativ möglichen Höchstgeschwindigkeit zu steigern.

Quelle | BGH, Beschluss vom 29.4.2021, 4 StR 165/20, Abruf-Nr. 222663 unter www.iww.de


Fahrtenbuch:

Keine weiteren Ermittlungen bei nur vagen Angaben zu in Betracht kommenden Fahrern

| Die Fahrerlaubnisbehörde ist zu weiteren Ermittlungen nicht verpflichtet, wenn der Fahrzeughalter bei seiner Anhörung zu einer beabsichtigten Fahrtenbuchauflage nur vage Angaben zu einem in Frage kommenden großen Personenkreis macht und es deshalb an hinreichend konkreten Beweisanzeichen fehlt, die auf die Person des Fahrzeugführers hindeuten. Das hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) entschieden. |

Der VGH: Art, Zeitpunkt und Umfang der angemessenen und zumutbaren Ermittlungen stehen im pflichtgemäßen Ermessen der Polizei. Sie ist nicht verpflichtet, bestimmte Ermittlungsmethoden anzuwenden. Diese hängen vielmehr von der Art des jeweiligen Verkehrsverstoßes und der Bereitschaft des Kraftfahrzeughalters ab, an der Feststellung des Fahrers mitzuwirken.

Die Behörde darf ihre Bemühungen um die Feststellung des Fahrzeugführers vorrangig an den Erklärungen des Fahrzeughalters ausrichten und aus seinem Verhalten im Ordnungswidrigkeitenverfahren auf fehlende Mitwirkungswirkungsbereitschaft schließen. Der Fahrzeughalter ist für sein Fahrzeug verantwortlich und daher erster Ansprechpartner für die Ermittlungsbehörden. Er ist insoweit zur Mithilfe bei der Aufklärung verpflichtet, dass er zumindest den Personenkreis der möglichen Fahrzeugführer gegenüber der Straßenverkehrsbehörde einschränkt.

Unterbleiben dahingehende Angaben oder lehnt der Fahrzeughalter eine Mitwirkung erkennbar ab, ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen nach dem Fahrzeugführer zu betreiben.

Quelle | Hessischer VGH, Urteil vom 28.7.2021, 2 A 1463/20 unter www.iww.de


Unfallschaden:

Reifenpreis muss nicht der niedrigste sein

| Das Amtsgericht (AG) Hamburg-Wandsbek hat jetzt bei der fiktiven Abrechnung eines Unfallschadens klargestellt: Auch soweit der Prüfbericht den Ansatz eines zu hohen Reifenpreises beanstandet, belegt das Nennen einer Bezugsquelle mit einem niedrigeren Preis nicht, dass der vom Sachverständigen ermittelte Preis unangemessen oder unüblich ist. |

Oft wird in Prüfberichten auf den Preis eines Reifendiscounters abgestellt. Doch darauf kommt es nicht an. Der Preis muss im üblichen Rahmen liegen. Das genügt.

Quelle | AG Hamburg-Wandsbek, Urteil vom 1.6.2021, 715 C 81/21, Abruf-Nr. 223184 unter www.iww.de


Schadenersatz:

„Rennmodus“ erhöht Betriebsgefahr

| Wird eine Motorsport-Rennstrecke bei einer sogenannten Touristenfahrt mit einer den Sichtverhältnissen nicht angepassten, hohen Geschwindigkeit („Rennmodus“) befahren, erhöht das die Betriebsgefahr. Folge: Die Betriebsgefahr tritt bei einem Unfall nicht zurück. Dies gilt, selbst wenn den Unfallgegner ein grobes Verschulden trifft. Hierauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz hingewiesen. |

Unfall mit Folgen

Der Geschäftsführer der Klägerin unternahm mit einem ihrer Fahrzeuge eine sogenannte Touristenfahrt auf einer Motorsport-Rennstrecke. In einer nur eingeschränkt einsehbaren Linkskurve verlor er die Kontrolle über das Auto. Er krachte in die Leitplanke. Unfallursache war eine Kühlmittelspur. Diese hatte das Fahrzeug des Beklagten hinterlassen.

Wie viel Schadenersatz stand der Klägerin zu?

Die Klägerin verlangte von der Beklagten und deren Haftpflichtversicherung Schadenersatz in Höhe von ca. 65.000 Euro. Das Landgericht (LG) sprach der Klägerin hiervon 75 Prozent zu. Es wies die Klage im Übrigen ab. Begründung: Die vom Fahrzeug der Klägerin ausgehende Betriebsgefahr betrage 25 Prozent. Sie trete u. a. nicht hinter dem Verschulden des Beklagten zurück, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Unfall bei angepasster Geschwindigkeit zu verhindern gewesen wäre. Dagegen legte die Klägerin Berufung ein.

Doch nach Ansicht des OLG hatte das LG richtig entschieden. Denn die konkrete Nutzung des Fahrzeugs habe dessen Betriebsgefahr erhöht. Daher trete diese nicht hinter dem Verschulden des Beklagten zurück. Erhöht sei eine Betriebsgefahr, wenn die regelmäßig und notwendigerweise mit dem Kfz-Betrieb verbundenen Gefahren durch besondere Umstände vergrößert werden. Dies sei regelmäßig bei Fahrmanövern der Fall, die besondere Gefahren mit sich bringen.

Wer sich in Gefahr begibt …

Das sah das OLG hier als gegeben an: Das Kfz der Klägerin sei auf der Rennstrecke bei eingeschränkter Sicht mit hoher Geschwindigkeit im „Rennmodus“ gefahren worden. Der Spielraum, einen Unfall zu vermeiden, hätte dadurch quasi „null“ betragen. Die Betriebsgefahr könne somit nicht zurücktreten. Sie hatte daher mit 25 Prozent angesetzt werden können.

Folglich wies das OLG die Klägerin darauf hin, dass ihre Berufung keinen Erfolg haben werde. Daraufhin hat die Klägerin das Rechtsmittel zurückgenommen. Das Verfahren ist hierdurch rechtskräftig abgeschlossen.

Quelle | OLG Koblenz, Beschluss vom 5.1.2021, 12 U 1571/20, PM vom 15.6.2021


Schadensregulierung:

Nach Verkehrsunfall nicht zu lange warten

| Der Umstand, dass der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall mehrere Monate wartet, bevor er sich ein Ersatzfahrzeug anschafft, begründet eine tatsächliche Vermutung für einen fehlenden Nutzungswillen. So sieht es das Oberlandegericht (OLG) Dresden. |

Diese Vermutung wird nach Ansicht des OLG nicht durch den Vortrag entkräftet, zu einer Neuanschaffung nicht in der Lage zu sein, wenn der Geschädigte ein regelmäßiges Arbeitseinkommen erzielt, keine Zahlungsverpflichtungen bestehen und das Girokonto im Plus geführt wird. So ist nämlich davon auszugehen, dass der Geschädigte sich einen Kredit zur Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs ohne Schwierigkeiten beschaffen kann und hierdurch auch nicht über Gebühr belastet wird.

Quelle | OLG Dresden, Urteil vom 17.5.2021, 4 U 382/21, Abruf-Nr. 224635 unter www.iww.de


Unfallschaden:

Werkstatt darf Probefahrtkosten nach Reparatur berechnen

| Die Probefahrt nach der Unfallreparatur muss keine kostenfreie Serviceleistung der Werkstatt sein. Der Aufwand, der in einem erheblichen Zeitaufwand besteht, ist nach Ansicht des Amtsgerichts (AG) Stade wie jeder andere für die Reparatur erforderliche Arbeitsschritt auch gesondert zu vergüten. Er ist vom Schädiger bzw. dem dahinterstehenden Versicherer zu erstatten. |

Dies gilt aber nur, wenn die Probefahrt infolge der Unfallreparatur notwendig war. Eine Probefahrt, die etwa nur ein Gespräch über eine ggf. weitere unfallunabhängige Reparatur vorbereiten soll, ist nicht notwendig.

Quelle | AG Stade, Urteil vom 19.7.2021, 63 C 305/21, Abruf-Nr. 224115 unter www.iww.de

Comments are closed.

Previous Next
Close
Test Caption
Test Description goes like this