Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht Info - 08.2022

5.08.2022
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Vermögensschaden-Haftpflicht:

Umfang der D&O-Versicherung für ehemaligen Vorstandsvorsitzenden

| Die „Directors and Officers“(D&O)-Versicherung des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Wirecard AG umfasst bei kritischer Medienberichterstattung und aufgrund dessen drohendem karrierebeeinträchtigenden Reputationsschaden auch vorläufigen Deckungsschutz für Public-Relations-Kosten. Dies gilt insbesondere für eine kritische Berichterstattung über das strafrechtliche Ermittlungsverfahren. Der Höhe nach ist der Anspruch aber auf 100.000 Euro begrenzt. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat an seiner in einem vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren vertretenen Auffassung festgehalten. |

Das war geschehen

Der Kläger ist ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Wirecard AG (im Folgenden Wirecard). Er nimmt die Beklagte auf Deckung von Public-Relations-Kosten (im Folgenden PR-Kosten) aus einer D&O-Versicherung (Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung) in Anspruch, welche Wirecard bei der Beklagten für ihre Organmitglieder und leitenden Angestellten abgeschlossen hatte. Gegen den Kläger wird ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft München I u.a. wegen des Verdachts des bandenmäßigen Betrugs, der Bilanzfälschung, Marktmanipulation und Verstößen gegen das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) geführt. Er befindet sich seit Sommer 2020 in Untersuchungshaft und weist die erhobenen Vorwürfe zurück. Inzwischen ist Anklage gegen ihn erhoben.

Wirecard: Kritische Medienberichterstattung

Die im Ermittlungsverfahren erhobenen Vorwürfe sind Gegenstand zahlreicher kritischer Medienberichte. Der Kläger beauftragte eine auf Presserecht spezialisierte Kanzlei sowie eine Presseagentur. Die insoweit anfallenden Kosten verlangt er von der beklagten Versicherung ersetzt. Die Beklagte lehnte die Deckung u.a. mit der Begründung ab, dass PR-Kosten nur in Bezug auf eine Berichterstattung über die zivilrechtliche Inanspruchnahme des Klägers, nicht aber in Bezug auf das strafrechtliche Ermittlungsverfahren zu ersetzen seien.

Das sagen die gerichtlichen Instanzen

Das Landgericht (LG) hat die (u.a.) auf Gewährung vorläufiger Deckung für PR-Kosten gerichtete Feststellungsklage durch Urteil vom 20.7.2021 abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem OLG teilweise Erfolg. Der Kläger habe Anspruch auf vorläufige Abwehrkosten. Diese umfassten auch den Ersatz von PR-Kosten, soweit der versicherten Person „durch kritische Medienberichterstattung über einen versicherten Haftpflicht-Versicherungsfall ein karrierebeeinträchtigender Reputationsschaden“ drohe. Es komme nicht darauf an, ob die Berichterstattung sich mit dem Versicherungsfall einer konkreten zivilrechtlichen Inanspruchnahme (Haftpflicht-Versicherungsfall) befasse oder sich auf den durch das Ermittlungsverfahren ausgelösten Versicherungsfall (Verfahrensrechtsschutz-Versicherungsfall) beziehe.

Bei verständiger Auslegung der Versicherungsbedingungen solle gerade Schutz vor existenzieller Beschädigung des Ansehens im Zusammenhang mit strafrechtlichen Vorwürfen gewährt werden. Soweit die Berichterstattung nicht ohnehin im Rahmen zulässiger Verdachtsberichterstattung hinzunehmen sei und durch die Einschaltung einer PR-Agentur oder durch gerichtliche Maßnahmen abgewendet oder gemindert werden könne, werde dem Versicherten ausdrücklich umfassender Reputationsschutz zugesagt. Dies umfasse nach den berechtigten Erwartungen des Versicherten insbesondere den Ersatz von PR-Kosten in Hinblick auf eine kritische Berichterstattung über das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, das im Mittelpunkt des medialen Interesses stehe. Anderenfalls liefe der Versicherungsschutz leer.

Begrenzung: 100.000 Euro pro versicherter Person

Der Höhe nach sei der Anspruch auf Gewährung von PR-Kosten allerdings auf 100.000 Euro pro versicherter Person und Versicherungsperiode begrenzt. Das zur Verfügung stehende Grundsublimit von 500.000 Euro werde „je versicherter Person und je Versicherungsfall“ auf 100.000 Euro limitiert, um einer vorschnellen Erschöpfung der Versicherungssumme entgegenzuwirken und eine möglichst gerechte Aufteilung im Kreise der Versicherten sicherzustellen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt werden.

Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 29.4.2022, 7 U 150/21 , PM Nr. 37/22 vom 29.4.2022


Partnerschaftsgesellschaft:

Partnerschaft zwischen Tierarzt und Betriebswirt

| Eine Partnerschaft zwischen einem Tierarzt und einem Betriebswirt ist nach dem Heilberufekammergesetz des Landes Baden-Württemberg zulässig. So hat es der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. |

Das war geschehen

Als Gegenstand der Partnerschaft benannten die Tierärztin und der Betriebswirt „die gemeinschaftliche Berufsausübung als Tierarzt und beratender Betriebswirt im Rahmen des berufsrechtlich zulässigen Umfangs insbesondere Einrichtung, Ausstattung und Betrieb von tiermedizinischen Zentren, Praxen und dazugehörigen Hausapotheken sowie die Erbringung von Dienstleistungen für solche“. Das Registergericht nahm die Eintragung vor. Hiergegen wandte die Landestierärztekammer Baden-Württemberg ein, nach ihrer Berufsordnung sei eine Partnerschaftsgesellschaft nur unter Tierärzten möglich.

Gesetz hat Vorrang vor Berufsordnung

Der BGH: Die hier einschlägige Berufsordnung (§ 21a Abs. 1 S. 2 BO) verstößt gegen den Vorrang des Gesetzes. Gemäß dem Heilberufe-Kammergesetz Baden-Württemberg (HBKG BW) können Tierärzte als Kammermitglieder eine Praxis gemeinsam mit Personen führen, die einem im Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (§ 1 Abs. 2 PartGG) in der jeweils geltenden Fassung genannten staatlichen Ausbildungsberuf lediglich im Gesundheitswesen, einem naturwissenschaftlichen oder einem sozialpädagogischen Beruf angehören. Die BO verbietet eine interprofessionelle Zusammenarbeit von Tierärzten in der Rechtsform der Partnerschaftsgesellschaft nach dem PartGG dagegen generell. Die demgegenüber nach der HBKG BW ausdrücklich erlaubten interprofessionellen Zusammenschlüsse von Kammermitgliedern können aber durch das Satzungsrecht der Kammern nicht eingeengt werden.

Quelle | BGH, Beschluss vom 15.2.2022, II ZB 6/21


Corona-Pandemie:

Gibt es Entschädigungen wegen Betriebsschließungen nach dem Infektionsschutzgesetz?

| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt klargestellt: Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) gewährt Gewerbetreibenden, die im Rahmen der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie als sog. infektionsschutzrechtliche Nichtstörer durch eine auf das IfSG gestützte flächendeckende Schutzmaßnahme wirtschaftliche Einbußen erlitten haben, weder unmittelbar oder mittelbar noch im Wege verfassungskonformer Auslegung einen Entschädigungsanspruch. Das gilt insbesondere für Betriebsschließungen oder -beschränkungen. |

Der Kläger ist Gastronom und Hotelier. Er begehrte von dem beklagten Land Entschädigung bzw. Schadenersatz für Einnahmeausfälle, die ihm entstanden sind, weil er die Gaststätte und das Hotel im Frühjahr 2020 aufgrund staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 und der dadurch verursachten COVID-19-Krankheit vorübergehend teilweise schließen musste.

Das lehnte der BGH in letzter Instanz nun ab. Er argumentierte dabei, dass das IfSG mit den Verdienstausfallentschädigungen (§ 56 Abs. 1, 1a), dem Anspruch auf Impfschadenversorgung (§ 60) und der Entschädigung für Nichtstörer (§ 65) nur punktuelle Anspruchsgrundlagen enthalte. Diesen wenigen Anspruchsgrundlagen liege das planmäßige Bestreben des Gesetzgebers zugrunde, die Entschädigungstatbestände auf wenige Fälle zu begrenzen und Erweiterungen ausdrücklich ins Gesetz aufzunehmen.

Der BGH weiter: Entschädigungsansprüchen aus dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht bzw. aus enteignendem Eingriff steht entgegen, dass die im Zwölften Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes enthaltenen Entschädigungsbestimmungen jedenfalls für rechtmäßige infektionsschutzrechtliche Maßnahmen eine abschließende spezialgesetzliche Regelung mit Sperrwirkung darstellen.

Quelle | BGH, Urteil vom 17.3.2022, III ZR 79/21, Abruf-Nr. 228782 unter www.iww.de


Entgeltleistung:

Sind Sachbezüge auf den gesetzlichen Mindestlohn anzurechnen?

| Ein Gastronom hatte seinen Arbeitnehmern freie Unterkunft und Verpflegung gewährt und diese Leistungen als geldwerte Vorteile auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet. Ein Betriebsprüfer sah das allerdings anders und zwar zu Recht, wie nun das Landessozialgericht (LSG) Bayern entschieden hat. Denn nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist der Mindestlohn nach der Entgeltleistung in Form von Geld zu berechnen. Sachbezüge bleiben außen vor. |

Quelle | LSG Bayern, Beschluss vom 28.2.2022, L 7 BA 1/22 B ER; BAG, Urteil vom 25.5.2016, 5 AZR 135/16

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