Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht Info - 10.2022

1.10.2022
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Rückforderungen:

NRW unterliegt im Rechtsstreit um die Rückzahlung von Corona-Soforthilfen

| Die Bescheide, mit denen die Bezirksregierung Düsseldorf geleistete Corona-Soforthilfen von den Empfängern teilweise zurückgefordert hat, sind rechtswidrig. Das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf hat den Klagen von drei Zuwendungsempfängern gegen das Land Nordrhein-Westfalen (NRW) stattgegeben. |Das war geschehen

Infolge von Ende März bzw. Anfang April 2020 erlassenen Bewilligungsbescheiden der zuständigen Bezirksregierung Düsseldorf erhielten die Kläger zunächst Soforthilfen in Höhe von jeweils 9.000 Euro. Im Zuge von Rückmeldeverfahren setzte die Behörde die Höhe der Soforthilfe später auf ca. 2.000 Euro fest und forderte demzufolge rund 7.000 Euro zurück. Das VG Düsseldorf hat nun entschieden, dass diese Schlussbescheide rechtswidrig sind.

Die in den Bewilligungsbescheiden zum Ausdruck gekommene Verwaltungspraxis des Landes stimmte mit den in den Schlussbescheiden getroffenen Festsetzungen nicht überein. Während des Bewilligungsverfahrens durften die Hilfeempfänger aufgrund der Formulierungen in den Hinweisen, den Antragsvordrucken und den Zuwendungsbescheiden davon ausgehen, dass pandemiebedingte Umsatzausfälle für den Erhalt und das Behalten der Geldleistungen ausschlaggebend sein sollten.

Demgegenüber stellte das Land bei den Schlussbescheiden auf einen Liquiditätsengpass ab, der eine Differenz zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Geschäftsbetriebs, also einen Verlust, voraussetzte. Dies ist nach Ansicht des VG Düsseldorf jedoch rechtsfehlerhaft, weil diese Handhabung von der maßgeblichen Förderpraxis abwich.

Richtlinie: Definition eines Liquiditätsengpasses

Die Richtlinie des damaligen Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes NRW (MWIKE.NRW) vom 31.5.2020 enthielt erstmals eine Definition des Liquiditätsengpasses. Trotz ihres rückwirkenden Inkrafttretens wurde sie bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Schlussbescheide vom VG Düsseldorf nicht berücksichtigt.

Abgesehen davon, so das VG Düsseldorf, waren die Bewilligungsbescheide hinsichtlich einer etwaigen Rückerstattungsverpflichtung auch missverständlich formuliert. So war nicht klar ersichtlich, nach welchen Parametern eine Rückzahlung zu berechnen ist.

Bereits 500 Verfahren

Beachten Sie | Mitte August 2022 waren etwa 500 Klageverfahren rund um den Komplex der Corona-Soforthilfen beim VG Düsseldorf anhängig. In den drei entschiedenen Verfahren, die repräsentativ für einen Großteil der weiteren Verfahren sind, wurde die Berufung zum Oberverwaltungsgericht (OVG) für das Land NRW zugelassen.

Quelle | VG Düsseldorf, Urteile vom 16.8.2022, 20 K 7488/20, 20 K 217/21 und 20 K 393/22; PM vom 16.8.2022


Bundesarbeitsgericht:

Einführung elektronischer Zeiterfassung: Müssen alle nun „zurück zur Stechuhr“?

| Der Arbeitgeber ist nach dem Arbeitsschutzgesetz (hier: § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG) verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. Aufgrund dieser gesetzlichen Pflicht kann der Betriebsrat die Einführung eines Systems der (elektronischen) Arbeitszeiterfassung im Betrieb nicht mithilfe der Einigungsstelle erzwingen. Ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht besteht nur, wenn und soweit die betriebliche Angelegenheit nicht schon gesetzlich geregelt ist. Das hat jetzt das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |

Das war geschehen

Der antragstellende Betriebsrat und die Arbeitgeberinnen, die eine vollstationäre Wohneinrichtung als gemeinsamen Betrieb unterhalten, schlossen im Jahr 2018 eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit. Zeitgleich verhandelten sie über eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeiterfassung. Eine Einigung hierüber kam nicht zustande. Auf Antrag des Betriebsrats setzte das Arbeitsgericht (ArbG) eine Einigungsstelle zum Thema „Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Einführung und Anwendung einer elektronischen Zeiterfassung“ ein. Nachdem die Arbeitgeberinnen deren Zuständigkeit gerügt hatten, leitete der Betriebsrat dieses Beschlussverfahren ein. Er hat die Feststellung begehrt, dass ihm ein Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems zusteht.

So entschieden die Instanzen

Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberinnen hatte vor dem BAG Erfolg. Der Betriebsrat muss in sozialen Angelegenheiten nur mitbestimmen, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Bei unionsrechtskonformer Auslegung des Arbeitsschutzgesetzes (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG) ist der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu erfassen. Dies schließt ein ggf. mithilfe der Einigungsstelle durchsetzbares Initiativrecht des Betriebsrats zur Einführung eines Systems der Arbeitszeiterfassung aus.

Weitreichende Folgen

Und nun? Müssen alle Arbeitnehmer „zurück zur Stechuhr“? Da das BAG keine Gesetzgebungskompetenz hat, ergibt sich daraus zunächst kein sofortiger Handlungsbedarf der Arbeitgeber. Hier muss auf eine gesetzliche Vorgabe gewartet werden. Bisher hat der deutsche Gesetzgeber auf die Vorgabe des EuGH noch nicht reagiert. Dies wird er aber tun müssen. Fraglich ist dabei, wie dies umgesetzt werden kann. So sollen auch künftig flexible Arbeitszeitmodelle (z.B. Vertrauensarbeitszeit) möglich sein. Auch darf der bürokratische Aufwand nicht zu hoch werden, um die Produktivität der Arbeitnehmer nicht einzuschränken. Fragen von Homeoffice, Überstunden, etc. sind zu beantworten. Das Bundesarbeitsministerium teilte dazu mit, dass die weitere Vorgehensweise geprüft werde. Mit schnellen Ergebnissen ist wohl vorerst nicht zu rechnen. Gleichwohl sollte sich jeder Arbeitgeber bereits jetzt Gedanken darüber machen, wie er eine entsprechende Dokumentation vornehmen könnte.

Quelle | BAG, Beschluss vom 13.9.2022, 1 ABR 22/21, PM 35/2


Markenrechtsstreit:

Markenverletzung durch Angebot von „The-Dog-Face“-Tierkleidung

| Zwischen den Zeichen „The North Face“ und „The Dog Face“ besteht keine Verwechslungsgefahr. Da die Marke „The North Face“ jedoch in erheblichem Maß bekannt ist, wird der Verkehr trotz der erkennbar unterschiedlichen Bedeutung von „Dog“ und „North“ die Zeichen gedanklich miteinander verknüpfen. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat der Antragsgegnerin eines markenrechtlichen Rechtsstreits die Verwendung des Zeichens „The Dog Face“ im Zusammenhang mit Tierbekleidung untersagt. |

Das war geschehen

Die Antragstellerin ist Inhaberin der Marke „The North Face“, die u.a. für Bekleidung eingetragen ist. Die Antragsgegnerin vertreibt online Bekleidung für Tiere und kennzeichnet diese mit „The Dog Face“. Im Eilverfahren geltend gemachten Unterlassungsansprüche der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin hatte das Landgericht (LG) abgewiesen.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte vor dem OLG nun Erfolg. Die Antragstellerin könne von der Antragsgegnerin verlangen, dass sie ihre Tierbekleidungsprodukte nicht mit „The Dog Face“ kennzeichnet, stellte das OLG fest. Die Marke „The North Face“ sei eine bekannte Marke. Sie sei einem bedeutenden Teil des Publikums bekannt.

Zeichenähnlichkeit durch Wortfolge

Die Antragsgegnerin benutze diese Marke in rechtsverletzender Weise, da die Verkehrskreise das Zeichen „The Dog Face“ gedanklich mit „The North Face“ verknüpften. Nicht erforderlich sei dabei, dass zwischen den Zeichen Verwechslungsgefahr bestehe. An dieser würde es hier fehlen. Es liege aber Zeichenähnlichkeit vor. Die Wortfolge „The Dog Face“ lehne sich erkennbar an die Marke „The North Face“ an. Da die Marke der Antragstellerin in erheblichem Maß bekannt sei und durch intensive Benutzung ein hohes Maß an Unterscheidungskraft besitze, verknüpfe der Verkehr trotz der unterschiedlichen Bedeutung von „Dog“ und „North“ das Zeichen der Antragsgegnerin mit der Marke der Antragstellerin. Dies gelte auch, da eine gewisse Warenähnlichkeit zwischen Outdoor-Bekleidung und Tierbekleidung bestehe. Insoweit genüge es, „dass das Publikum glauben könnte, die betreffenden Waren stammten aus demselben oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen“. Es liege die Vermutung nahe, dass die angesprochenen Verkehrskreise annehmen, die Antragstellerin habe ihr Bekleidungssortiment auf Hundebekleidung erweitert, etwa um es „dem sporttreibenden Hundebesitzer zu ermöglichen, seinen Outdoor-Sport im Partnerlook mit dem Tier zu betreiben“.

Markenwertschätzung sollte ausgenutzt werden

Die Zeichenverwendung beeinträchtige auch die Marke der Antragstellerin. Die Antragsgegnerin lehne sich mit dem Zeichen an die bekannte Marke der Antragstellerin an, um deren Wertschätzung für ihren Absatz auszunutzen.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 28.6.2022, 6 W 32/22, PM 57/22

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