Inventurmodelle:
Inventur am 31.12.: Es muss nicht dieser Stichtag sein
| Das Jahresende steht vor der Tür und das heißt Inventurzeit. Denn in vielen Unternehmen erfolgt dann eine körperliche Bestandsaufnahme, oft am 31.12. Doch das ist nicht zwingend erforderlich, es gibt auch andere Möglichkeiten. |
Rechtsgrundlage: Handelsgesetzbuch
Die handelsrechtliche Grundlage für die Inventur bildet § 240 Handelsgesetzbuch (HGB). Demnach hat jeder Kaufmann zu Beginn seines Handelsgewerbes und zum Schluss eines jeden Geschäftsjahrs ein Inventar aufzustellen. Ein Inventar ist ein vollständiges Verzeichnis aller Vermögenswerte und Schulden. Um dieses zu erstellen, sind zunächst die Bestände zu ermitteln, d. h., es ist eine Inventur durchzuführen.
Bilanzstichtag
Die Inventur muss grundsätzlich am Bilanzstichtag erfolgen (Stichtagsinventur). Handels- und steuerrechtlich wird es aber nicht beanstandet, wenn die Inventur innerhalb einer Frist von zehn Tagen vor oder nach dem Bilanzstichtag vorgenommen wird. Der am Tag der Inventur ermittelte Bestand muss in diesem Fall mengen- und wertmäßig auf den Stichtag fortgeschrieben bzw. zurückgerechnet werden.
Vor- oder nachgelagerte Inventur
Auch eine zeitverschobene (vor- oder nachgelagerte) Inventur ist zulässig (§ 241 Abs. 3 HGB). Hier muss die Bestandsaufnahme innerhalb von drei Monaten vor oder zwei Monaten nach dem Abschlussstichtag erfolgen. Dies erfordert aber einen relativ langen Zeitraum der Fortschreibung bzw. Rückrechnung. Zudem gibt es zwei weitere Verfahren:
Permanente Inventur
Bei der permanenten Inventur (§ 241 Abs. 2 HGB) erfolgt die Aufnahme nicht zu einem bestimmten Stichtag, sondern laufend. Jeder Vermögensgegenstand ist im Laufe eines Jahres mindestens einmal körperlich aufzunehmen.
Stichprobeninventur
Bei der Stichprobeninventur (§ 241 Abs. 1 HGB) wird der Bestand mithilfe anerkannter mathematisch-statistischer Berechnungsmethoden ermittelt. Vorteil: Es müssen nicht alle Vermögensgegenstände körperlich aufgenommen werden. Nachteil: Komplexe Ermittlung und Dokumentation.
Freiberufler und Gewerbetreibende:
Informationen zur Durchführung von Kassen-Nachschauen
| Die Oberfinanzdirektion Karlsruhe hat darauf hingewiesen, dass die Finanzämter in Baden-Württemberg Kassen-Nachschauen nach § 146b der Abgabenordnung (AO) durchführen und hat in diesem Zusammenhang zu einigen Aspekten informiert. |
Prüfung in der Regel ohne Voranmeldung
Bei der Kassen-Nachschau handelt es sich um ein Kontrollinstrument der Finanzverwaltung zur Überprüfung der Ordnungsmäßigkeit von Kassenaufzeichnungen (Kasseneinnahmen, Kassenausgaben). Die Prüfung erfolgt in der Regel ohne Voranmeldung und wird von zwei Bediensteten der Finanzverwaltung durchgeführt. Die Prüfer weisen sich zu Beginn der Kassen-Nachschau mit ihren Dienstausweisen (im Scheckkarten- oder Papierformat) als Angehörige des Finanzamts aus und händigen ein Merkblatt zur Kassen-Nachschau aus.
Verschiedene Kassensysteme
Der Kassen-Nachschau unterliegen u. a. elektronische oder computergestützte Kassensysteme, App-Systeme, Waagen mit Registrierkassenfunktion, Taxameter, Wegstreckenzähler, Geldspielgeräte und offene Ladenkassen.
Auskunftspflicht
Die von der Kassen-Nachschau betroffenen Steuerpflichtigen haben den mit der Kassen-Nachschau betrauten Amtsträgern auf Verlangen Aufzeichnungen, Bücher sowie die für die Kassenführung erheblichen sonstigen Organisationsunterlagen über die der Kassen-Nachschau unterliegenden Sachverhalte und Zeiträume vorzulegen und Auskünfte zu erteilen. Bei der Kassen-Nachschau dürfen Daten des elektronischen Aufzeichnungssystems durch die Amtsträger eingesehen werden. Auch kann die Übermittlung von Daten auf einem maschinell auswertbaren Datenträger verlangt werden.
Beachten Sie | Die Prüfer verlangen von den Steuerpflichtigen keine Zahlungen von Bargeld.
Quelle | OFD Karlsruhe, Mitteilung vom 21.10.2024: „Durchführung von Kassen-Nachschauen nach § 146b Abgabenordnung (AO)“
Musterfeststellungsklagen:
Referenzzins für Zinsanpassungen in Prämiensparverträgen
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Rahmen von zwei Musterfeststellungsklagen über den Referenzzins für Zinsanpassungen in Prämiensparverträgen entschieden. |
Das war geschehen
Die Musterkläger in beiden Verfahren sind seit über vier Jahren als qualifizierte Einrichtungen in die Liste nach dem deutschen Unterlassungsklagengesetz (hier: § 4 UKlaG) eingetragene Verbraucherschutzverbände. Die beklagten Sparkassen schlossen in den Jahren 1993 bis 2006 bzw. in der Zeit vor Juli 2010 mit Verbrauchern sog. Prämiensparverträge ab, die eine variable Verzinsung der Spareinlage und ab dem dritten Sparjahr eine der Höhe nach bis zu 50% ab dem 15. Sparjahr gestaffelte verzinsliche Prämie vorsehen.
Die Musterkläger halten die Regelungen in den Sparverträgen zur Änderung des variablen Zinssatzes für unwirksam und die während der Laufzeit der Sparverträge von den Musterbeklagten vorgenommene Verzinsung für zu niedrig. Sie begehren u.a. die Bestimmung eines Referenzzinses, der für die von den Musterbeklagten vorzunehmenden Zinsanpassungen maßgebend ist. Der Musterkläger in dem Verfahren XI ZR 44/23 möchte darüber hinaus festgestellt wissen, dass sich die für die Ingangsetzung der dreijährigen Regelverjährung erforderliche Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Verbraucher auf die Unwirksamkeit der in den Sparverträgen enthaltenen Zinsanpassungsklausel und auf die Parameter für die Zinsanpassung bezieht, die höchstrichterlich festgelegt worden sind.
So entschied der Bundesgerichtshof
Der BGH entschied, dass die in den Prämiensparverträgen infolge der Unwirksamkeit der Zinsanpassunsgklauseln entstandene Regelungslücke durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen ist. Der zu bestimmende Referenzzins ist nicht nach der Methode gleitender Durchschnitte zu berechnen.
Denn Sparer wären bei Anwendung der sogenannten Gleitzinsmethode entgegen ihrer Erwartung bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses überwiegend an die Zinsentwicklung zurückliegender Jahre gebunden, da künftige Zinsänderungen in den maßgeblichen Durchschnittszins nur entsprechend ihrem Zeitanteil einfließen. Sparer vergleichen im Rahmen ihrer Anlageentscheidung bei der maßgebenden objektiv-generalisierenden Sicht den ihnen angebotenen variablen Zins mit dem gegenwärtigen durchschnittlichen Marktzins und nicht mit einem Zins, der aus überwiegend in der Vergangenheit liegenden Zinsen berechnet wird.
„Typischer Sparer“: keinerlei Risikobereitschaft
Der BGH weiter: Die Umlaufsrenditen von Hypothekenpfandbriefen (Zeitreihe WX4260) kommen als Referenzzins für die variable Verzinsung risikoloser Spareinlagen nicht in Betracht. Diese von den Musterklägern als Referenzzins befürworteten Umlaufsrenditen spiegeln trotz ihrer Besicherung durch Pfandbriefe nicht den „risikolosen“ Marktzins wider, sondern enthalten einen Risikoaufschlag, der im Vergleich zu den Umlaufsrenditen von Bundesanleihen zu einer vergleichsweise höheren Verzinsung führt. Der typische Sparer, der Sparverträge der vorliegenden Art abschließt, zeigt allerdings keinerlei Risikobereitschaft, sodass der im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung zu bestimmende Referenzzins ebenfalls keinen Risikoaufschlag enthalten darf.
Die Umlaufsrenditen inländischer Bundeswertpapiere mit Restlaufzeiten von über 8 bis 15 Jahren (Zeitreihe WU9554) genügen den Anforderungen, die im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung an einen Referenzzins für die variable Verzinsung der Sparverträge zu stellen sind. Sie werden von der Deutschen Bundesbank, einer unabhängigen Stelle, nach einem genau festgelegten Verfahren ermittelt sowie in deren Monatsberichten regelmäßig veröffentlicht und begünstigen daher weder einseitig die Sparer noch die beklagten Sparkassen. Die Umlaufsrenditen von Bundesanleihen spiegeln zudem die jeweils aktuellen risikolosen Zinsen am Kapitalmarkt wider und enthalten in Ermangelung eines Ausfallrisikos keinen Risikoaufschlag. Zudem kommen die Restlaufzeiten von über 8 bis 15 Jahre der herangezogenen Umlaufsrenditen der typisierten Spardauer bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe nach 15 Jahren hinreichend nahe.
In dem Verfahren XI ZR 44/23 hat der BGH darüber hinaus entschieden, dass sich die für die Ingangsetzung der dreijährigen Regelverjährung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB) erforderliche Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Verbraucher nicht auf die Unwirksamkeit der in den Sparverträgen enthaltenen Zinsanpassungsklausel und auf die Parameter für die Zinsanpassung beziehen muss, die höchstrichterlich festgelegt worden sind. Denn der Inhaber eines Anspruchs muss keine rechtlich zutreffenden Schlüsse nachvollziehen, damit der Lauf der Verjährung seines Anspruchs in Gang gesetzt wird.
Quelle | BGH, Urteile vom 9.7.2024, XI ZR 44/23 und XI ZR 40/23, PM 143/24