BAföG:
Keine Verwertung eines Erbteils am Elternhaus
| Werden BAföG-Leistungen unter Anrechnung des Wertes eines Miterbenanteils von 1/12 an einer von einem angehenden Studenten, seiner Mutter und seinen schulpflichtigen Brüdern bewohnten Immobilie versagt, verstößt dies gegen das Grundgesetz (Art. 3 Abs. 1 GG). So sieht es das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) . |
Ein angehender Student beantragte erfolglos BAföG-Leistungen, da er 1/12 seines Elternhauses geerbt hatte, in dem er mit seiner Mutter und seinen Geschwistern wohnte. Erst seine Verfassungsbeschwerde war erfolgreich. Das BVerfG: Die Anrechnung wirtschaftlich unverwertbaren Vermögens ist eine unbillige Härte. Auch die Notwendigkeit, Vermögen im Wege der Zwangsversteigerung einzusetzen, kann ein Verwertungshindernis begründen. Denn dabei entsteht in der Regel ein erheblicher wirtschaftlicher Verlust. Unbeachtet geblieben ist, dass auch die Familie des Studenten gezwungen würde, ihren Anteil am Grundstück voraussichtlich unwirtschaftlich zu verwerten, obwohl sie ihr Vermögen nicht einsetzen muss, um diesem ein Studium zu ermöglichen, wobei ihm nur ein geringer Anteil am Grundstück zusteht.
Quelle | BVerfG, Beschluss vom 21.3.2023, 1 BvR 1620/22, Abruf-Nr. 235163 unter www.iww.de
Erbauseinandersetzung:
Anfechtung eines Testaments
| Auch wenn ein Testament aus Sicht des Erblassers klar formuliert ist, kann die gesetzliche Erbfolge einsetzen. So zeigt es nun das Landgericht (LG) Wuppertal. |
Das war geschehen
Die spätere Erblasserin war Eigentümerin eines neuwertigen Hausgrundstücks und verfügte über Barvermögen von rund 30.000 Euro. Ende 2002 verfasste sie ein handschriftliches Testament mit folgendem Wortlaut: „Mein Sohn S soll Erbe sein. Meine Tochter T soll ihren Pflichtteil erhalten. Das ist nicht als Straf- oder Benachteiligungsaktion zu sehen. Aber dieser Weg ist die einzige Möglichkeit, ablaufmäßig und verfahrenstechnisch zu gewährleisten, dass der Sohn unser Wohnhaus, das eine Belastung ist, erhalten kann. Ein Verschleudern-Müssen wollten wir nicht.“ Damit schien aus Sicht der Erblasserin alles klar geregelt. Doch das war ein Irrtum.
Testamentsanfechtung der Tochter nach Veräußerung der Immobilie
Für Zwecke der Pflichtteilbemessung wurde für die Immobilie vom Gutachterausschuss ein Wert von 710.000 Euro ermittelt. Auf dieser Basis erfolgte der Abschluss eines „Erbauseinandersetzungsvertrags“. Kurze Zeit später veräußerte der Sohn die Immobilie zu einem Preis von 819.000 Euro. Daraufhin hat die Tochter den Erbauseinandersetzungsvertrag und das Testament angefochten. Mit Erfolg: Nach der Entscheidung des LG ist infolge der Anfechtung die gesetzliche Erbfolge eingetreten.
Hintergrund: Jeder Motivirrtum berechtigt dazu, eine letztwillige Verfügung anzufechten. Hier war die Vorstellung der Erblasserin, der Sohn werde das Haus behalten, wenn er Alleinerbe wird, ein solches Motiv, das für die Verfügung der Erblasserin in ihrem Testament bestimmend war. Den Erhalt des Hauses hat die Erblasserin wörtlich verbunden mit der Erwägung, dass sie das Haus nicht verschleudert sehen wolle. Darin kommt zum Ausdruck, dass das Haus in der Familie bleiben und nicht verkauft werden sollte.
Quelle | LG Wuppertal, Urteil vom 5.12.2022, 2 O 317/21, Abruf-Nr. 233423 unter www.iww.de