Erbrecht:
Formunwirksames Testament muss keine unechte Urkunde sein
| Ein handschriftlich abgesetztes Testament, welches die Erblasserin im Text nicht selbst geschrieben, aber selbst unterschrieben hat, ist ein im zivilrechtlichen Sinne formunwirksames Testament. Es ist aber keine im strafrechtlichen Sinne unechte Urkunde. |
Das hat das Oberlandesgericht Hamm im Fall einer 85-jährigen Erblasserin entschieden. Sie war 2013 verstorben und hatte drei Kinder hinterlassen. Zu diesen gehörte der heute 50-jährige Beklagte aus Dortmund, den sie mit notariellem Testament aus dem Jahre 2007 zu ihrem alleinigen Erben bestimmte. In dem Testament ordnete sie zugleich an, dass ihre Tochter, die heute 63-jährige Klägerin aus Dortmund, den Pflichtteil erhalten sollte. Im Jahre 2009 unterzeichnete die Erblasserin ein handschriftlich nicht von ihr verfasstes Schriftstück, in dem sie einen wesentlichen Teil ihres Vermögens nicht mehr dem Beklagten, sondern ihrer Enkelin, der Tochter der Klägerin, zuwandte. Nach dem Tode der Erblasserin stritten die Beteiligten über die Erbfolge und insbesondere darüber, ob die Erblasserin mit dem Schriftstück aus dem Jahre 2009 entgegenstehende Regelungen des im Jahre 2007 errichteten Testaments widerrufen habe. Dabei versicherte die Klägerin an Eides statt, ihre Mutter – die Erblasserin – habe das Schriftstück aus dem Jahre 2009 in ihrer Gegenwart selbst geschrieben und unterschrieben. Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt die Klägerin vom Beklagten, den sie nunmehr als Alleinerben ihrer verstorbenen Mutter anerkennt, den Pflichtteil in Höhe von ca. 5.000 EUR. Der Bruder will nicht zahlen, weil er die Klägerin für erbunwürdig hält.
Das OLG hat der Klägerin den begehrten Pflichtteil zugesprochen. Von einer Erb- und Pflichtteilsunwürdigkeit der Klägerin sei, so der Senat, nicht auszugehen. Die Klägerin sei nicht deswegen erbunwürdig, weil sie an der Herstellung oder dem Gebrauch einer im strafrechtlichen Sinne unechten Urkunde beteiligt gewesen sei. Das im Jahre 2009 von der Erblasserin unterzeichnete Schriftstück sei zwar ein formunwirksames Testament. Das folgt daraus, dass die Erblasserin den Text der Urkunde nicht selbst geschrieben hat. Es sei aber keine im strafrechtlichen Sinne unechte Urkunde. Die Erblasserin habe die Erklärung selbst unterzeichnet. Es könne nicht von einem fehlenden Bewusstsein der Erblasserin ausgegangen werden, dass sie überhaupt irgendeine Erklärung abgebe. Damit habe sich die Erblasserin die in dem Schriftstück enthaltene Erklärung zu eigen gemacht und diese als eigene gelten lassen. Das schließe den Tatbestand einer Urkundenfälschung aus, dessen Erfüllung durch die Klägerin zu ihrer Erbunwürdigkeit führen würde.
Ein weiterer, im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelter Grund, nach welchem die Klägerin erbunwürdig sein könne, liege nicht vor. So brauche im vorliegenden Verfahren nicht beurteilt zu werden, ob die Klägerin eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben oder sich an einem versuchten Betrug ihrer Tochter zum Nachteil des Beklagten beteiligt habe. Diese Umstände stellen keinen gesetzlichen Erbunwürdigkeitsgrund dar. Auch hatte der Senat nicht über eine strafrechtliche Verantwortlichkeit der Klägerin zu befinden.
Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 12.7.2016, 10 U 83/15, Abruf-Nr. 188510 unter www.iww.de.