Mietrecht und WEG Info - 09.2022

Legionellen im Trinkwasser:

Für eine Minderung muss keine konkrete Gefahr bestehen

| Um festzustellen, ob ein Mietmangel vorliegt, der zu einer Minderung berechtigt, kommt es nicht darauf an, ob die Nutzung der Trinkwasserversorgung tatsächlich zu einer Gesundheitsgefährdung geführt hat. Es reicht aus, dass eine Gefährdung nicht ausgeschlossen werden kann. In einem solchen Fall aufgrund einer Legionellenbelastung ist eine Minderung der Miete um 10 Prozent gerechtfertigt. So sieht es das Amtsgericht (AG) Berlin-Wedding. |

Vermieter informierte

2014 teilte der Vermieter den Mietern mit, dass bei einer Untersuchung der Trinkwasseranlage der technische Maßnahmewert für Legionellen überschritten worden sei. 2018 teilte er des Weiteren mit, dass der maximal gemessene Wert 800 KBE/100 ml betrage. Mit diversen Schreiben in 2019 bis 2021 informierte der Vermieter über die Ergebnisse weiterer Untersuchungen, die bei Werten zwischen 700 und 11.800 KBE/100 ml lagen. Er bat in dieser Zeit um vorbeugende Maßnahmen. So sollten die Mieter z. B. Tätigkeiten unterlassen, bei denen Warmwasser fein zerstäubt wird. Ferner sollten sie das Warmwasser vor dem Duschen ablaufen lassen und die Duschköpfe und -schläuche regelmäßig entkalken.

Mieter reagierten

Die Mieter forderten 2021 die Bestätigung einer Minderung der Miete i. H. v. 25 Prozent. Zudem sollte der Vermieter überzahlte Miete erstatten. Der Vermieter weigerte sich. Daraufhin klagten die Mieter. Sie argumentierten, der Gebrauch der Mietsache sei durch die deutlichen Überschreitungen der Grenzwerte im Trinkwasser erheblich beeinträchtigt. Folge: Eine Minderung sei berechtigt. Der Vermieter hielt dem entgegen, dass infolge der bisherigen und aktuellen Konzentration von Legionellen keine Gesundheitsgefährdung und damit kein Mietminderungsrecht bestehe.

So entschied das Amtsgericht

Das AG gab den Mietern Recht. Ein Mangel einer Mietwohnung, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebe oder mindere, sei eine nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustands der Mietsache vom vertraglich geschuldeten. Maßgebend sei, was der Mieter für den vereinbarten Nutzungszweck erwarten könne.

Mögliche Gesundheitsgefährdung rechtfertigt Mietminderung

Für die Annahme eines Mangels genüge es, wenn die Mietsache nur in Befürchtung einer Gefahr benutzt werden könne, die aufgrund des Zustands der Sache den Eintritt eines Schadens erwarten lasse. So habe es der Bundesgerichtshof (BGH) bereits im Jahr 2006 entschieden. Einer Sicherheit, dass eine Gesundheitsgefährdung bei Nutzung des Trinkwassers tatsächlich eingetreten sei, bedürfe es nicht. Entscheidend sei, dass eine Gesundheitsgefährdung nicht ausgeschlossen werden könne und der Mieter in ständiger Gefahrbesorgnis lebe. Der Mangel ende daher nicht, bevor der Mieter nachvollziehbar entwarnt worden sei.

Geringere Mietminderung: Gesundheitsgefährdung trat nicht ein

Doch das Gericht gewährte nur eine Minderung i. H. v. 10 Prozent. Es begründete den geringen Wert damit, dass eine höhere Mietminderung nur gerechtfertigt sei, wenn tatsächlich eine Gesundheitsgefährdung bestehe oder eine Erkrankung infolge der Legionellenbelastung eingetreten sei.

Quelle | AG Wedding, Urteil vom 17.3.2022, 13 C 335/21


Prozesskostenhilfe:

Vermietung von Wohnraum „pro Matratze“ sittenwidrig

| Die Vermietung von Wohnraum „pro Matratze“ ist sittenwidrig und damit nichtig. Eine beabsichtigte Klage eines Pächters nach fristloser Kündigung des Pachtvertrags auf Schadenersatz u.a. wegen entgangener Mieteinnahmen hat keine Erfolgsaussicht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. hat die Beschwerde eines Pächters von drei Gebäuden in Wiesbaden gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. |

Das war geschehen

Der Antragsteller pachtete vom Antragsgegner im Frühjahr 2014 für zehn Jahre in Wiesbaden drei Gebäude. Er durfte die Gebäude zu Wohnzwecken nutzen und untervermieten. 2015 erging eine polizeiliche Kontrolle der Gebäude, bei der man 61 Personen in den Gebäuden antraf. Durch lokale Berichterstattung wurde die dortige Wohnsituation Ende 2016 als unverändert geschildert und informiert, dass Wohnraum „pro Matratze“ an osteuropäische Personen vermietet werde und das Gebäude verwahrlose. Nach Angaben des Ordnungsamts waren in dem Objekt 85 Personen gemeldet. 2018 wurde anlässlich von Ortsterminen des Sozialdezernenten und Mitarbeitern des Baudezernats erneut von unveränderten Zuständen lokal berichtet. Es erfolgte u.a. ein Verwaltungsbescheid zur unverzüglichen Bekämpfung des infolge Vermüllung vorhandenen Rattenbefalls.

Der Antragsgegner kündigte den Pachtvertrag im Mai 2019 fristlos wegen Zahlungsverzugs und erteilte dem Antragsteller ein Hausverbot. Dieser forderte dagegen Erstattung von Renovierungskosten und verwies auf nicht eingehaltene Verkaufspläne. Mit dem streitgegenständlichen Antrag begehrt er Prozesskostenhilfe, um den Antragsgegner auf Zahlung von gut 100.000 Euro Schadenersatz zu verklagen. Das Landgericht (LG) hatte den Antrag zurückgewiesen.

Keine Aussicht auf Erfolg: keine Prozesskostenhilfe für Klage

Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Die beabsichtigte Klage sei nicht erfolgversprechend, begründete das OLG seine Entscheidung. Dem Antragsteller stünden keinerlei Zahlungsansprüche gegen den Antragsgegner zu. Pflichtverletzungen des Antragsgegners im Zusammenhang mit dem Verkauf lägen nicht vor. Das Pachtverhältnis sei zudem wegen Verwahrlosung der Pachtsache und Zahlungsverzugs wirksam fristlos gekündigt worden. Der Antragsteller habe die Pachtsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfaltspflichten erheblich gefährdet und sie unbefugt Dritten überlassen. Der Zustand ergebe sich aus den Feststellungen im ordnungspolizeilichen Bescheid. Zudem habe der Antragsteller die Angaben in den Presseberichten nicht konkret bestritten.

Sittenwidrigkeit: keine entgangenen Mieteinnahmen

Durch das Hausverbot habe der Antragsgegner zwar verbotene Eigenmacht ausgeübt. Ein Anspruch auf entgangene Mieteinnahmen stehe dem Antragsteller nicht zu, da das Pachtverhältnis wirksam gekündigt war. Zudem wäre eine Untervermietung der Räume angesichts des Zustands der Pachtsache schwer oder gar nicht möglich gewesen. Die Polizei habe im August 2019 festgestellt, dass der Aufenthalt von Menschen in den Räumen einen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle. Gesundheitsschutz und Gefahrenabwehr hätten gegen ein Aufenthaltsrecht gesprochen. Ob die zuvor praktizierte Untervermietung gegen die guten Sitten verstieß, bedürfe hier zwar keiner Entscheidung. Eine Vermietung von Wohnraum pro Matratze an osteuropäische Personen sei jedoch sittenwidrig und führe zur Nichtigkeit der Untermietverhältnisse. Diese Untermietverhältnisse verstießen auch gegen das Verbot der Überbelegung von Wohnraum gemäß Hessischem Wohnungsaufsichtsgesetz (§ 7 HWoAufG). Die Entscheidung kann nicht angefochten werden.

Quelle | OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 18.5.2022, 2 W 45/22, PM Nr. 51/2022 vom 23.6.2022

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