Mietrecht und WEG Info - 09.2023

Keine Mietminderung:

Vermieter darf sich im Hof nackt sonnen

| Die Miete mindern „auf Teufel komm raus“ funktioniert nicht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat sich mit zahlreichen geltend gemachten Mietmängeln hinsichtlich einer in einem gemischt genutzten Haus liegenden Büroetage befasst. Bemerkenswert: Nach dem OLG wird durch den sich im Hof nackt sonnenden Vermieter die sog. Gebrauchstauglichkeit der Mietsache nicht beeinträchtigt. Es fehle an einer unzulässigen, gezielt sittenwidrigen Einwirkung auf das Grundstück. |

Das war geschehen

Der Kläger vermietete an die Beklagte eine Büroetage in einem Gebäude im Frankfurter Westend, das zum Teil zu reinen Wohnzwecken u.a. vom ihm selbst genutzt wurde. Die Beklagte minderte die Miete nach knapp einjähriger Mietzeit. Mit seiner Klage begehrt der Vermieter u.a. rückständige Mieten. Das Landgericht (LG) hatte der Klage hinsichtlich der ausstehenden Mieten nach einer aufwändigen Beweisaufnahme überwiegend stattgegeben.

Mietminderung wegen Bauarbeiten gerechtfertigt…

Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG nur geringfügig Erfolg. Zu Recht habe die Beklagte die Miete allerdings wegen umfangreicher Bauarbeiten in der Nachbarschaft gemindert, führte das OLG aus. Wegen der Beeinträchtigung der Nutzbarkeit der Räume durch Lärm und Staubimmissionen im Umfeld des Mietobjekts habe die Beklagte für drei Monate die Miete um 15 Prozent mindern dürfen. Die Baumaßnahmen in der Nachbarschaft und damit verbundene Beeinträchtigungen seien hier als unwesentlich oder ortsüblich einzuordnen. Für die Höhe der Minderung sei wesentlich, dass einerseits keine Zugangsbeeinträchtigung für die Laufkundschaft entstanden sei, andererseits aber das Objekt in einer ruhigen Nebenstraße in einem sehr gehobenen Wohngebiet liege. Die „Ruhe und Gediegenheit“ des Umfelds sei in Form des Ambientes des Mietorts Bestandteil der vertraglichen Beschaffenheit geworden.

… aber nicht wegen „Gerümpel“ im Hausflur und Küchengerüchen…

Weitergehende Minderungsgründe bestehen nach Ansicht des OLG nicht. Soweit die Beklagte die Miete gemindert habe, da im Erdgeschossbereich „Gerümpel“ abgestellt worden sei, sei dies unbegründet. Das Verhalten der Mitbewohner sei zwar häufiger Anlass für Beanstandungen. „Da die Wohnung neben der Funktion der Unterkunft und Lebensmittelpunkt auch soziale Kontakte, individuelle Erholung und Entspannung ermöglichen soll, sind Konflikte vorprogrammiert“, so das OLG. Der Freiraum der Mitbewohner sei unter dem Gesichtspunkt der Sozialverträglichkeit zu werten und mit dem Gebot der Rücksichtnahme abzuwägen. Beeinträchtigungen durch abgestellte Sachen im Flur (Kinderwagen, Schuhe, Ranzen, Tüten oder Ähnliches) gingen nur in Ausnahmefällen über das als sozialadäquat hinzunehmende Maß der Beeinträchtigung hinaus. Hier sei nicht feststellbar, dass es zu einer massiven Beeinträchtigung gekommen sei.

Ohne Erfolg habe die Beklagte auch eine Minderung in Hinblick auf Küchengerüche vorgenommen. „Vor dem Hintergrund der gemischten Nutzung des Gebäudes ist auch mit sozialadäquatem Verhalten der Mitbewohner zu rechnen. Dazu gehört, dass man sich gelegentlich ein Mittagessen kocht und es gelegentlich auch riecht“, betonte das OLG. Im Rahmen des extra zur Mittagszeit durchgeführten Ortstermins seien im Treppenhaus zudem keine Küchengerüche festgestellt worden. Auch der behauptete „muffige Geruch“ sei nicht zu riechen gewesen.

… und nicht wegen Nacktheit im Hofbereich

Schließlich könne die Miete auch nicht gemindert werden, soweit sich der Kläger unstreitig nackt im Hof sonne. Rein das ästhetische Empfinden eines anderen verletzende Umstände führten grundsätzlich nicht zu einem Abwehranspruch, sofern sie sich nicht gezielt gegen den anderen richteten. Eine „grob ungehörige Handlung“ im Sinne des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (hier § 118 OWiG) liege nicht vor. Durch den sich im Hof nackt sonnenden Kläger werde die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache nicht beeinträchtigt. Es fehle an einer unzulässigen, gezielt sittenwidrigen Einwirkung auf das Grundstück. Der Ort, an dem der Kläger sich unbekleidet auf seine Liege lege, sei von den Räumlichkeiten der Beklagten aus nur dann sichtbar, wenn man sich weit aus dem Fenster herausbeuge. Dies stehe einer gezielten Einwirkung entgegen.

Soweit die Beklagte behaupte, dass der Kläger sich bereits unbekleidet durch das Treppenhaus zum Hof begebe, sodass „ein sich zufällig zu diesem Zeitpunkt auf der Treppe befindlicher Bewohner oder Besucher mit seiner Nacktheit“ konfrontiert würde, sei dies nicht nachgewiesen worden. Der Kläger habe vielmehr glaubhaft bekundet, stets einen Bademantel zu tragen, den er erst unmittelbar vor der Sonnenliege ausziehe.

Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 18.4.2023, 2 U 43/22, PM 26/23


WEG:

Bauaufsichtliche Verfügung richtet sich gegen die Gemeinschaft, nicht gegen die Eigentümer

| Eine bauaufsichtliche Verfügung, die brennbare Fassade zu entfernen, betrifft das Gemeinschaftseigentum und muss sich daher an die Wohnungseigentümergemeinschaft richten. Die einzelnen Wohnungseigentümer können die Befolgung der Verfügung nicht verhindern. Dies hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg entschieden (16.11.22, 1 Me 106/22). |

Im Juli 2019 wurde einer Wohnungseigentümergemeinschaft aufgegeben, bis Sommer 2021 die brennbare Fassadenverkleidung des zwölfgeschossigen Hochhauses, errichtet in den 70er Jahren, zu entfernen. Da die Frist ungenutzt verstrich, setzte die Behörde im Mai 2022 ein Zwangsgeld in Höhe von 100.000 Euro fest und drohte ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 200.000 Euro an.

Dagegen richtete sich der Antrag auf Eilrechtsschutz der Wohnungseigentümergemeinschaft. Diese meinte, es sei eine Duldungsverfügung gegen die einzelnen Wohnungseigentümer erforderlich. Zudem habe bis dato kein Beschluss über die brandschutzrechtliche Sanierung gefasst werden können. Das Verwaltungsgericht (VG) wies den Eilantrag ab.

Die Beschwerde der Wohnungseigentümergemeinschaft war erfolglos. Eine Duldungsverfügung gegen die einzelnen Wohnungseigentümer sei nicht erforderlich gewesen, so das OVG. Verstößt eine in Wohnungseigentum aufgeteilte bauliche Anlage hinsichtlich der in gemeinschaftlichem Eigentum stehenden Gebäudeteilen, wie etwa der Fassade, gegen öffentliches Baurecht, sei richtiger Adressat der bauaufsichtlichen Verfügung die Wohnungseigentümergemeinschaft. Diese übe die sich aus dem Gemeinschaftseigentum ergebenden Rechte aus und nehme die entsprechenden Pflichten der Wohnungseigentümer wahr. Die einzelnen Wohnungseigentümer seien insoweit von der Verwaltung ausgeschlossen. Sie könnten die Gemeinschaft nicht daran hindern, eine wirksame und vollziehbare bauaufsichtliche Verfügung zu befolgen. Aufgrund der wirksamen und vollziehbaren bauaufsichtlichen Anordnung stehe für die Gemeinschaft verbindlich und ohne Rücksicht auf eine fehlende oder gegenläufige Beschlussfassung fest, dass ein Handeln geboten ist. Der einzelne Wohnungseigentümer könne die Gemeinschaft nicht unter Berufung auf zivilrechtliche Bestimmungen zur Willensbildung im Innenverhältnis hindern, ihrer öffentlichen Handlungspflicht nachzukommen.

Quelle | OVG Lüneburg, Beschluss vom 16.11.2022, 1 Me 106/22

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