Vermieterpflicht:
Das Treppenhaus darf nicht zur Falle werden
| Ist das Treppenhaus so zugestellt, dass die Mieter nicht mehr gefahrlos ins Freie gelangen können, muss die örtliche Bauaufsicht einschreiten. Aber: Kann der Vermieter sich gegenüber einer sofort vollziehbaren Beseitigungsverfügung auf Besitz- und Eigentumsrechte seiner Mieter berufen? Nein, sagt nun das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster. |
Dem Vermieter wurde mit für sofort vollziehbar erklärter Ordnungsverfügung unter Zwangsgeldandrohung aufgegeben, die von seinen Mietern im Treppenhaus des Hauses abgestellten Gegenstände aus Brandschutzgründen zu entfernen. Sein Antrag, vorläufigen Rechtsschutz hiergegen zu gewähren, scheiterte in zweiter Instanz. Das OVG: Mit der Vollstreckung der Ordnungsverfügung ist kein unzulässiger Eingriff in das Eigentum oder den Besitz bzw. ein Besitzrecht der Wohnungsmieter verbunden. Bei sachgerechter Auslegung ist die Anordnung der Antragsgegnerin, die Gegenstände seien zu entfernen, dahin zu verstehen, dass sie ohne Substanzverletzung an einen sicheren Ort zu verbringen sind, an dem sie den im Brandfall erforderlichen ersten Rettungsweg durch das Treppenhaus nicht beeinträchtigen. Die dazu notwendigen Handlungen sind dem Vermieter auch ohne Mitwirkung der Mieter zivilrechtlich gestattet. Eine Notstandslage i.S. dieser Norm ist gegeben, weil nach der Rechtsprechung des OVG bei hier wegen Beeinträchtigung der Passierbarkeit des ersten Rettungswegs im Brandfall gegebenen erheblichen Brandschutzmängeln regelmäßig eine akute Gefahrenlage anzunehmen ist.
In der Praxis passiert es immer wieder, dass Mieter Gegenstände (Blumenständer, Fahrräder, Kinderwagen, Rollatoren, Rollstühle, Schränke etc.) mit oder ohne Gestattung/Duldung des Vermieters in Treppenraum und Hausflur abstellen. Je nach Fallgestaltung kann der Mietgebrauch mit dem öffentlich rechtlichen Brandschutz kollidieren. Lässt die bauliche Gestaltung des Treppenhauses eine Nutzung als Abstellfläche nicht zu oder sind die Gegenstände so abgestellt, dass sie im jederzeit möglichen Brandfall, insbesondere bei Rauchentwicklung zu einer Stolperfalle für die Bewohner werden können, besteht aus Sicht des OVG wegen der Beeinträchtigung des Fluchtwegs eine akute Gefahrenlage. Das Recht zur Mitbenutzung von Gemeinschaftsflächen erlaubt keine Mitbenutzung, wenn von dieser Gefahren ausgehen. Fazit: Der Vermieter darf die störenden Gegenstände dann auch ohne Mitwirken des Mieters entfernen.
Quelle | OVG Münster, Beschluss vom 10.8.2021, 7 B 1083/21
Formerfordernis:
Wohnungskündigung mit „i. A.“ unterschreiben genügt nicht!
| Eine mit dem Kürzel i. A. unterschriebene Kündigung wahrt nur unter besonderen Umständen die notwendige gesetzliche Form. Das hat das Landgericht (LG) Wuppertal entschieden. |
Der Vermieter hatte mit zwei Schreiben aus August und Oktober 2020 die Wohnung gekündigt. Die Kündigungsschreiben hatte er jedoch nicht selbst unterschrieben, sondern ein Dritter hatte dies mit dem Zusatz „i. A.“ getan.
Das genügt nicht, so jetzt das LG. Die Kündigungen entsprechen nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform. Sie sind unwirksam. Zwar könne sich der Vermieter bei der Erklärung der Kündigung vertreten lassen. Dann würde die Unterschrift des Vertreters genügen. Dann müsste aber die Stellvertretung vor der Kündigung offengelegt worden sein. Hiervon könne bei einer Unterzeichnung mit dem Zusatz „i. A.“ nicht ohne Weiteres ausgegangen werden. Es sei auch denkbar, dass der Unterzeichnende mit diesem Zusatz nur zu erkennen gebe, dass er lediglich als Erklärungsbote auftrete und nicht von einer Übernahme der Verantwortung des Unterzeichners für den Inhalt des unterzeichneten Schriftstücks auszugehen sei.
Quelle | LG Wuppertal, Urteil vom 4.8.2021, 9 T 128/21
Wohnungseigentum:
Eigentümergemeinschaft muss die Selbstbeteiligung aus der Gebäudeversicherung bei Leitungswasserschaden tragen
| Der Selbstbehalt bei einer Gebäudeversicherung ist bei einem Leitungswasserschaden nicht anteilig zwischen geschädigtem Sondereigentümer und ebenfalls geschädigter Wohnungseigentümergemeinschaft aufzuteilen. Vielmehr trägt die Gemeinschaft diesen allein. So hat nun das Landgericht (LG) Frankfurt/Main entschieden. |
Ein Leitungswasserschaden führte zu Schäden an Sonder- und Gemeinschaftseigentum. Die Versicherung regulierte und zog die Selbstbeteiligung ab. Da 85 Prozent des Schadens auf das Sondereigentum entfielen, meint der Verwalter, dass auch die zu zahlende Versicherungssumme an den Sondereigentümer um 85 Prozent des Selbstbehalts zu kürzen sei.
Das LG: Dem Eigentümer steht die auf den Schaden am Sondereigentum gezahlte Versicherungsleistung in voller Höhe zu, ohne dass ein Abzug in anteiliger Höhe für den Selbstbehalt erfolgen darf. Die Wohnungseigentümergemeinschaft muss auch bei einem Schadenseintritt in nur einer Sondereigentumseinheit mit eigenen finanziellen Mitteln die Schadensbeseitigung dort in vollem Umfang ermöglichen und den Aufwand für den Selbstbehalt auf der zweiten Stufe in der Jahresabrechnung (auf alle Eigentümer) umlegen. Denn eigentlich ist der Selbstbehalt nur ein verkappter Bestandteil der Versicherungsprämie, weshalb alle von der wegen des Selbstbehalts niedrigeren laufenden Prämie profitieren. Im Zuge der Treuepflicht sind dann aber im Schadensfall auch solche Kosten zu „solidarisieren“. Der Ort des Schadenseintritts kann nicht zu einer ungleichen Kostenbelastung dadurch führen, dass der volle oder anteilige Selbstbehalt denjenigen Eigentümern aufgebürdet wird, bei denen sich (gegebenenfalls zufällig wie hier bei einem Leitungswasserschaden) das Schadensergebnis zeigt.
Quelle | LG Frankfurt/Main, Urteil vom 20.5.2021, 2-13 S 149/19
Mietbeendigung:
Renovierung „um des lieben Friedens willen“
| Führt ein Mieter nach Mietende unter Vorbehalt Schönheitsreparaturen durch, die er, wie sich später zeigt, nicht schuldete, hat er gegenüber dem ehemaligen Vermieter einen Zahlungsanspruch. Das entschied jetzt das Landgericht (LG) Berlin. |
Zwar gilt der Grundsatz, dass das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht mehr zurückgefordert werden kann, wenn der Leistende (hier: der Mieter) positiv gewusst hat, dass er zur Leistung (hier: zur Renovierung) nicht verpflichtet ist. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht, wenn er „um des lieben Friedens willen“ oder unter Druck leistet.
Quelle | LG Berlin, Urteil vom 20.7.2020, 65 S 112/20