Arztrecht:
Brücke mit erheblichen Mängeln – Zahnarzt muss Neuanfertigung anbieten
| Weist eine zahnprothetische Brücke so erhebliche Mängel auf, dass sie erneuert werden muss, muss der Zahnarzt dem Patienten eine Neuanfertigung anbieten. Unterlässt er dies, kann der Patient den Behandlungsvertrag fristlos kündigen, schuldet kein Zahnarzthonorar und kann seinerseits Schmerzensgeld beanspruchen. |
Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschieden und einem 72-jährigen Patienten recht gegeben. Dieser hatte sich von einem Zahnarzt Brücken eingliedern lassen. Der Zahnarzt stellte Behandlungskosten von ca. 8.600 EUR in Rechnung. Der Patient bezahlte diesen Betrag nicht. Nach seiner Ansicht wiesen die Brücken auch nach Nachbesserungsversuchen durch den Zahnarzt erhebliche Mängel auf. Daraufhin klagte der Zahnarzt den Betrag ein. Der Patient forderte im Gegenzug Schadenersatz und Schmerzensgeld.
Die Richter haben dem Patienten recht gegeben, die Klage abgewiesen und den Zahnarzt zur Zahlung von 2.500 EUR Schmerzensgeld verurteilt. Nach der Anhörung eines zahnmedizinischen Sachverständigen stehe fest, dass der Patient den Behandlungsvertrag habe fristlos kündigen dürfen. Er schulde dem Zahnarzt auch kein Honorar für bereits erbrachte Leistungen. Dem Zahnarzt seien erhebliche Behandlungsfehler vorzuwerfen. Die eingegliederte Brückenkonstruktion habe zahlreiche Mängel. Ihre Keramik weise Schäden auf, die Kontakte der Kauflächen seien nicht ausreichend und gleichmäßig ausgeführt. Zudem weise die Brückenkonstruktion erhebliche Schleifspuren auf, die die Versorgung insgesamt nutzlos machten. Die Brücke müsse neu hergestellt werden. Auf weitere Nachbesserungen durch den Zahnarzt habe sich der Patient nicht einlassen müssen, weil dieser keine Neuanfertigung angeboten habe. Die Behandlungsfehler hätten zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt, für die der Zahnarzt ein Schmerzensgeld von 2.500 EUR schulde.
Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 5.9.2014, 26 U 21/13, Abruf-Nr. 143372 unter www.iww.de.
Autokauf:
Was bedeutet „Automatik“ beim Pkw?
| Automatik ist nicht gleich Automatik. Das muss ein Autokäufer wissen. Fragt er nicht nach, um was für ein Automatikgetriebe es sich handelt und welche technischen Besonderheiten bestehen, kann er sich später nicht auf einen Sachmangel berufen. |
Das musste sich eine Autokäuferin vor dem Landgericht (LG) Coburg sagen lassen. Sie hatte bei einem Autohaus einen gebrauchten Opel gekauft. Vorher hatte sie bereits einen älteren Opel mit „Automatik“ in Form eines Wandlergetriebes gefahren. In der ausführlichen Fahrzeugbeschreibung und im Gespräch wurde sie darauf hingewiesen, dass nun als „Automatik“ ein easytronic-automatisiertes Schaltgetriebe verbaut sei. Nähere Erläuterungen gab der Verkäufer nicht ab. Die Frau machte eine Probefahrt und kaufte dann das Auto. Kurz nach der Übergabe des Fahrzeugs bemerkte sie, dass das Fahrzeug schon bei geringen Steigungen zurückrollt, wenn die Bremse nicht betätigt wird. Sie hielt dies für einen Mangel. Das Autohaus teilte ihr mit, dass es sich bei diesem Phänomen um eine Bauart bedingte Erscheinung der vorliegenden Getriebeart handele. Daraufhin klagte die Frau auf Rückzahlung des Kaufpreises.
Das LG wies die Klage ab. Es ging davon aus, dass die Käuferin wie vereinbart ein Automatikfahrzeug erhalten habe. Unter Automatik verstehe man eine Getriebeform, bei der die Fahrzeuggänge ohne Zutun des Fahrers gewechselt werden. Zur Erreichung dieses technischen Ziels haben sich allerdings verschiedene Wege herausgebildet. Der Käuferin sei auch mitgeteilt worden, dass das neue Auto nicht wie das alte über ein Wandlergetriebe verfüge. Über die neue Technik sei zwar nicht weiter gesprochen worden und die Käuferin habe auch nicht nachgefragt. Das Gericht gelangte aber zur Überzeugung, dass der Käuferin aufgrund des Verkaufsgesprächs klar sein musste, dass die Handhabung dieses neuen Getriebes nicht identisch mit dem vorherigen war. Wenn es der Käuferin so sehr darauf ankam, dass ihr Fahrzeug an Steigungen nicht zurückrollt, hätte sie nachfragen müssen. Das beklagte Autohaus sei nicht gehalten, sämtliche technische Eigenschaften zu erklären, auf die es ankommen könne. Insbesondere bei einer Probefahrt sei davon auszugehen, dass der Autokäufer diese technischen Eigenheiten selbst erkennt und ggf. im Anschluss danach fragt. Daher ging das Gericht davon aus, dass der gekaufte Opel mangelfrei war und wies die Klage ab.
Quelle | LG Coburg, Urteil vom 22.4.2014, 22 O 631/13, Abruf-Nr. 143447 unter www.iww.de.
Private Krankenversicherung:
Alterssichtigkeit ist keine Krankheit
| Die Kosten für die augenärztliche Behandlung von Alterssichtigkeit müssen nicht von der Versicherung erstattet werden. Diese ist allerdings verpflichtet, medizinisch notwendige Linsen zu erstatten, die eine Fehlsichtigkeit wegen Grauen Stars heilen. |
Diese Entscheidung traf das Amtsgericht München im Fall eines 54-jähringen Mannes, der privat krankenversichert war. Er litt an grauem Star, an Kurzsichtigkeit in Kombination mit einer Stabsichtigkeit (Hornhautverkrümmung) und an der sogenannten Alterssichtigkeit. Deshalb begab er sich in augenärztliche Behandlung und ließ an beiden Augen einen operativen Eingriff vornehmen. Dabei wurde in beide Augen jeweils eine torische Multifokallinse zum Preis von je 963 EUR eingesetzt. Durch die Behandlung wurde die Fehlsichtigkeit des Klägers vollständig geheilt. Die Krankenversicherung erstattete jedoch nur die Kosten für sogenannte Einstärkenlinsen in Höhe von jeweils 200 EUR. Sie behauptet, die darüber hinausgehende Behandlung sei medizinisch nicht notwendig gewesen. Einstärkenlinsen oder Monofokale Linsen können einen einfachen Sehfehler ohne Hornhautverkrümmung ausgleichen. Der Kläger erhob Klage gegen seine Krankenversicherung unter anderem mit dem Ziel, die Kosten für die torischen Multifokallinsen erstattet zu bekommen. Mit torischen Multifokallinsen kann nicht nur ein sphärischer und astigmatischer Sehfehler korrigiert werden, sondern zusätzlich auch die durch das Altern entstandene Leseschwäche ausgeglichen werden.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch ein Sachverständigengutachten und dem Kläger einen Teilbetrag in Höhe von 338 EUR für torische Intraokularlinsen zugesprochen. Diese Linsen können neben dem sphärischen Refraktionsdefizit auch noch eine Hornhautverkrümmung ausgleichen. Das Gericht stellte fest, dass der Kläger aufgrund des Versicherungsvertrags nur einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen für eine medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit hat.
Eine Heilbehandlungsmaßnahme ist dann medizinisch notwendig, wenn sie nach den medizinischen Befunden im Zeitpunkt der Behandlung vertretbar ist. Dies ist dann der Fall, wenn eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode zur Verfügung steht, die die Krankheit heilen, bessern oder lindern kann. Sie muss nicht sicher zum Erfolg führen. Eine Krankheit liegt nach dem Versicherungsvertrag vor, wenn nach ärztlichem Urteil ein anormaler, regelwidriger Körper- oder Geisteszustand besteht.
Auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens stellte das Gericht fest, dass die Alterssichtigkeit keinesfalls ein regelwidriger Zustand ist. Vielmehr gehöre die Entwicklung einer Alterssichtigkeit zum natürlichen Alterungsprozess des Menschen, die erstmals im 4. Lebensjahrzehnt auftrete und mit dem Ende des 5. Lebensjahrzehnts ihre maximale Ausprägung erreiche. Somit ist die Alterssichtigkeit eine physiologische und damit nicht krankhafte Veränderung des menschlichen Auges.
Erstattungsfähig nach dem Gerichtsurteil waren daher allein torische Intraokularlinsen, da deren Implantation die Krankheit des grauen Stars und des Refraktionsdefizits beheben konnte. Damit waren sie medizinisch notwendig. Eine Implantation einer Monofokallinse, wie es von der Versicherung als ausreichend angesehen wurde, in Kombination mit einer Brille wäre nach Überzeugung des Gerichts nicht ausreichend gewesen, da hierdurch die Krankheit nicht geheilt worden wäre.
Quelle | Amtsgericht München, Urteil vom 27.12.2013, 121 C 27553/12, Abruf-Nr. 143478 unter www.iww.de.
Autokauf:
Kaufpreisreduzierung durch gezielte Verunsicherung des privaten Verkäufers ist unwirksam
| Schließt ein Privatmann mit einem fachlich versierten Autoeinkäufer einen Vertrag über den Kauf eines Pkw und wirft der Autoeinkäufer dem Verkäufer bewusst wahrheitswidrig vor, dieser habe falsche Angaben zum Fahrzeugbaujahr gemacht, ist eine vom unter Druck gesetzten Verkäufer akzeptierte Reduzierung des Kaufpreises ggf. unwirksam. Die Drohung des Käufers mit – für ihn erkennbar – nicht bestehen Schadenersatzansprüchen gegen den Verkäufer ist widerrechtlich. |
Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz im Fall eines Privatmanns entschieden. Dieser hatte seinen Skoda Octavia im Internet angeboten. Er einigte sich mit einem Autohändler auf einen Kaufpreis von 8.000 EUR. Als dieser den Pkw abholte, kam es zu Meinungsverschiedenheiten über den Zustand des Fahrzeugs, die in einen Preisnachlass um 3.000 EUR mündeten. Diesen Betrag macht der Verkäufer zuletzt geltend, nachdem er die Reduzierung des Kaufpreises wegen Täuschung und Drohung angefochten hat. Er sei vom Beklagten unter Druck gesetzt und eingeschüchtert worden. Der Beklagte hat lediglich 5.000 EUR gezahlt.
Das OLG hat seiner Zahlungsklage nach Durchführung einer Beweisaufnahme stattgegeben. Der Verkäufer habe die nachträgliche Vereinbarung einer Reduzierung des Kaufpreises um 3.000 EUR wegen Drohung und Täuschung anfechten können. Daher sei der ursprüngliche Kaufpreis von 8.000 EUR zu zahlen. Die Reduzierung sei nur dadurch zustande gekommen, dass ein Mitarbeiter des Beklagten den Verkäufer mit Ausführungen zum Begriff des Baujahrs verwirrt und mit dem Hinweis auf ein angeblich falsch angegebenes Baujahr so unter Druck gesetzt habe, dass sich dieser mit der deutlichen Absenkung einverstanden erklärte. Dabei sei dem Käufer als Fachmann und erfahrenem Autoeinkäufer bewusst gewesen, dass das angegebene Baujahr im Angebot des Klägers zutreffend war. Erst durch die Drohung mit angeblichen Schadenersatzansprüchen sei der Käufer zur Zustimmung bewegt worden, der Kaufpreisreduzierung zuzustimmen. Eine derartige Drohung sei widerrechtlich.
Quelle | OLG Koblenz, Urteil vom 16.10.2014, 2 U 393/13, Abruf-Nr. 143444 unter www.iww.de.