Verbraucherrecht Info - 01.2023

6.01.2023
|
Kfz-Kaskoversicherung:

Falsche Angabe einer Pkw-Gesamtlaufleistung

| Die falsche Angabe der Gesamtlaufleistung eines Pkw ist unerheblich und wirkt sich nicht zum Nachteil des Versicherers aus, wenn der Versicherungsnehmer eine Neuwertentschädigung geltend macht. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Dresden klargestellt. |

Selbst, wenn zugunsten des Versicherers ein vorsätzliches Handeln des Versicherungsnehmers unterstellt würde, wäre die falsche Angabe der Laufleistung allenfalls ein untergeordnetes Indiz für eine Unredlichkeit. Das gäbe schon deshalb zu Zweifeln an der Redlichkeit keinen hinreichenden Anlass, weil der Versicherungsnehmer die Neuwertentschädigung geltend macht. Dafür spielt die Laufleistung keine Rolle.

Der Versicherungsnehmer hat zu der Abweichung um immerhin rund 27 Prozent angegeben, dass das Display des Fahrzeugs regelmäßig nicht die Gesamtfahrleistung angezeigt habe, sondern nur die Geschwindigkeit und die Restkilometer bis zur nächsten Tankfüllung. Er sei deshalb von einer geschätzten Kilometeranzahl ausgegangen. Die habe er aufgrund des ihm bekannten Kilometerstands bei der letzten Inspektion im Vorjahr „hochgerechnet“. Dieser Vortrag wurde durch die „ca.“-Angabe im Fragebogen und die gerundete Kilometerzahl gestützt. Dem OLG hat das nicht gereicht, um vorsätzliches oder gar arglistiges Handeln des Versicherungsnehmers zu beweisen.

Quelle | OLG Dresden, Urteil vom 20.6.2022, 4 U 87/22, Abruf-Nr. 230468 unter www.iww.de


BGH-Entscheidung:

Zulässigkeit einer negativen Bewertung bei eBay

| Bewertungen im Internet haben eine hohe Relevanz: Ob Kaufabsichten, Reisebuchungen oder Arztbesuche nahezu alles wird anhand von Erfahrungsberichten und Bewertungen „abgecheckt“. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun über die Frage entschieden, unter welchen Voraussetzungen der Verkäufer, der ein Produkt über die Internetplattform eBay verkauft, einen Anspruch gegen den Käufer auf Entfernung einer abgegebenen negativen Bewertung hat. |

Das war geschehen

Der Beklagte erwarb von der Klägerin über die Internetplattform eBay vier Gelenkbolzenschellen für 19,26 Euro brutto. Davon entfielen 4,90 Euro auf die dem Beklagten in Rechnung gestellten Versandkosten. Der Verkauf erfolgte auf der Grundlage der zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von eBay, denen die Parteien vor dem Geschäft zugestimmt hatten. Dort heißt es auszugsweise unter „§ 8 Bewertungen“, dass der Nutzer verpflichtet ist, in den abgegebenen Bewertungen ausschließlich wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Die von Nutzern abgegebenen Bewertungen müssen sachlich gehalten sein und dürfen keine Schmähkritik enthalten. Nach Erhalt der Ware bewertete der Beklagte das Geschäft in dem von eBay zur Verfügung gestellten Bewertungsprofil der Klägerin mit dem Eintrag „Ware gut, Versandkosten Wucher!!“.

Bundesgerichtshof: Bewertung muss nicht entfernt werden

Der BGH hat nun entschieden, dass der Klägerin ein Anspruch auf Entfernung der Bewertung „Versandkosten Wucher!!“ nicht zusteht, auch nicht unter dem vom Berufungsgericht herangezogenen Gesichtspunkt einer (nach-)vertraglichen Nebenpflichtverletzung. Anders, als das Berufungsgericht es gesehen hat, enthält der o. g. § 8 der eBay-AGB über die bei Werturteilen ohnehin allgemein geltende (deliktsrechtliche) Grenze der Schmähkritik hinaus keine strengeren vertraglichen Beschränkungen für die Zulässigkeit von Werturteilen in Bewertungskommentaren.

Klausel ist nicht eindeutig: Was bedeutet „sachlich“?

Zwar ist der Wortlaut der Klausel nicht eindeutig. Für das Verständnis, dem dort enthaltenen Sachlichkeitsgebot solle gegenüber dem Verbot der Schmähkritik ein eigenständiges Gewicht nicht zukommen, spricht aber bereits der Umstand, dass hier genaue Definitionen zu dem unbestimmten Rechtsbegriff „sachlich“ in den AGB fehlen. Es liegt in diesem Fall im wohlverstandenen Interesse aller Beteiligten, die Zulässigkeit von grundrechtsrelevanten Bewertungen eines getätigten Geschäfts an den gefestigten Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Schmähkritik auszurichten und hierdurch die Anforderungen an die Zulässigkeit von Bewertungskommentaren für die Nutzer und eBay selbst möglichst greifbar und verlässlich zu konturieren.

Zudem hätte es der gesonderten Erwähnung der Schmähkritikgrenze nicht bedurft, wenn dem Nutzer schon durch die Vorgabe, Bewertungen sachlich zu halten, eine deutlich schärfere Einschränkung hätte auferlegt werden sollen. Außerdem würde man der grundrechtlich verbürgten Meinungsfreiheit des Bewertenden von vorherein ein geringeres Gewicht beimessen als den Grundrechten des Verkäufers, wenn man eine Meinungsäußerung eines Käufers regelmäßig bereits dann als unzulässig einstufte, wenn sie herabsetzend formuliert ist und/oder nicht (vollständig oder überwiegend) auf sachlichen Erwägungen beruht. Eine solche, die grundrechtlichen Wertungen nicht hinreichend berücksichtigende Auslegung entspricht nicht dem an den Interessen der typischerweise beteiligten Verkehrskreise ausgerichteten Verständnis redlicher und verständiger Vertragsparteien.

Grenze zur Schmähkritik war nicht überschritten

Die Grenze zur Schmähkritik ist durch die Bewertung „Versandkosten Wucher!!“ nicht überschritten. Wegen seiner das Grundrecht auf Meinungsfreiheit beschränkenden Wirkung ist der Begriff der Schmähkritik nach der Rechtsprechung des BGH eng auszulegen. Auch eine überzogene, ungerechte oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund steht, der jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll.

Kritik in scharfer Form, aber keine Diffamierung

Daran fehlt es hier. Bei der Bewertung „Versandkosten Wucher!!“ steht eine Diffamierung der Klägerin nicht im Vordergrund. Denn der Beklagte setzt sich wenn auch in scharfer und möglicherweise überzogener Form kritisch mit einem Teilbereich der gewerblichen Leistung der Klägerin auseinander, indem er die Höhe der Versandkosten beanstandet. Die Zulässigkeit eines Werturteils hängt nicht davon ab, ob es mit einer Begründung versehen ist.

Quelle | BGH, Urteil vom 28.9.2022, VIII ZR 319/20, PM 141/22


Fluggastrechte:

Trotz Insolvenz Beförderung aus Kulanz: Keine Ansprüche mehr

| Nach einer Insolvenz kulanzweise durchgeführte Beförderungen von Passagieren, die ihre Tickets vor der Insolvenz bezahlt haben, sind als „kostenlos“ im Sinne der EU-Fluggastrechte-VO zu werten. Fluggäste, die kostenlos reisen, haben keine Ansprüche nach der EU-Fluggastrechte-VO. Der bezahlte Flugpreis steht der Wertung als kostenlos nicht entgegen; er wandelt sich nach Insolvenzeröffnung in eine Insolvenzforderung. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat jetzt die landgerichtliche Entscheidung im Ergebnis bestätigt und Ausgleichsansprüche des Klägers abgelehnt. |

Das war geschehen

Der Kläger buchte bei der Beklagten im April 2019 eine Flugreise von Frankfurt auf die Seychellen. Der Hinflug sollte am 3.1.2020 und der Rückflug am 4.4.2020 erfolgen. Im Dezember 2019 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten eröffnet. Die Beklagte entschloss sich, aus Kulanz und, um ihren guten Ruf zu wahren, Passagiere mit vor der Insolvenzantragstellung bezahlten Tickets dennoch zu befördern. Der Hinflug wurde aufgrund eines technischen Defekts am Flugzeug um einen Tag verspätet durchgeführt. Den Rückflug buchte die Beklagte wegen der Corona-Pandemie mehrfach um. Vor dem letztlich für den 8.10.2020 in Aussicht gestellten Rückflug der Beklagten organisierte sich der Kläger am 1.8.2020 eine alternative Beförderung. Er begehrte nun Erstattung der Hotelkosten in Höhe von 4.000 Euro für die Zeit vom 4.4. bis 1.8.2020, hälftige Erstattung des Rückflugs und Entschädigung wegen des verzögerten Hinflugs. Das Landgericht (LG) hatte die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg.

Beförderungsanspruch wurde zu Insolvenzforderung

Der Kläger könne keinen Entschädigungsanspruch hinsichtlich des verzögerten Hinflugs und des mehrfach verschobenen Rückflugs nach der EU-Fluggastverordnung geltend machen. Wegen der Insolvenz der Beklagten sei der ursprüngliche Beförderungsanspruch zu einer Insolvenzforderung geworden; es habe nach der Insolvenzeröffnung daher kein durchsetzbarer Anspruch mehr auf Durchführung des Flugs bestanden. Die aus Kulanz gewährte Beförderung sei damit als „kostenlos“ im Sinne der Fluggastrechte-VO einzustufen. Fluggäste, die kostenlos reisten, seien von der Verordnung ausgenommen. Sie könnten keine Ausgleichsansprüche geltend machen. Ausgleichsansprüche, die keinen Vermögensschaden voraussetzten, sondern dem Ausgleich von „Ärgernissen und Unannehmlichkeiten“ dienten, bestünden nur im Fall der Entgeltlichkeit.

BGH muss entscheiden

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der entschiedenen Rechtsfrage hat das OLG die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen.

Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 20.7.2022, 13 U 280/21, PM 71/22


Corona-Pandemie:

Kein Schmerzensgeld wegen Einschränkungen in Kindertageseinrichtung

| Die Corona-Pandemie beschäftigt mit vielen Fragestellungen die Gerichte, so auch jüngst das Landgericht (LG) Düsseldorf. Es entschied: Im Fall einer Kindertageseinrichtung (KiTa) besteht kein Amtshaftungsanspruch auf Schmerzensgeld wegen Einschränkungen in der Corona-Pandemie. |

Im Frühjahr 2021 hatte die beklagte Stadt drei Mal für jeweils acht bis zehn Tage die häusliche Quarantäne eines fünfjährigen Kindes angeordnet. Grund war jeweils ein Corona-positiver Test eines anderen Kindes in der KiTa. Weder das Kind noch seine Eltern gingen gegen die Bescheide vor. Das Kind forderte erfolglos Schmerzensgeld, weil die Quarantäneanordnung rechtswidrig und unverhältnismäßig gewesen sei.

Das LG sagt: Die Stadt durfte als notwendige Maßnahme zum Schutz der Bevölkerung nach dem Infektionsschutzgesetz Ansteckungsverdächtige unter Quarantäne stellen, auch das hier klagende Kind. Denn in seiner Gruppe war ein Kind nach einem PCR-Test Corona-positiv. Im Kindergarten ist davon auszugehen, dass Kinder aus einer Gruppe sich auch über eine Dauer von mehr als 10 Minuten in einem Abstand von weniger als 1,5 Metern befinden, was der Definition einer engen Kontaktperson entspricht. Die Dauer der Quarantäne entspricht den im Frühjahr 2021 geltenden Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts. Sie war auch verhältnismäßig.

Quelle | LG Düsseldorf, Urteil vom 18.5.2022, 2b O 100/21, Abruf-Nr. 229364 unter www.iww.de


Immobiliar-Verbraucherdarlehen:

(Kein) Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung

| Ein häufiger Streitpunkt, der die Gerichte beschäftigt, ist die von Banken geforderte Vorfälligkeitsentschädigung. Die Durchsetzung des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung seitens der darlehensgebenden Bank setzt auch beim Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag nicht voraus, dass die für die genaue Berechnung zugrunde zu legenden Größen bereits im Darlehensvertrag präzise definiert sind. Vielmehr genügt es, die wesentlichen Parameter in groben Zügen zu nennen. So sieht es das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken. |

Der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ist nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB) ausgeschlossen, wenn im Vertrag die Angaben über die Laufzeit des Vertrags, das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind. Welche Angaben zur Berechnung erforderlich sind, ist allerdings weder gesetzlich noch abschließend in der Rechtsprechung geklärt.

Das OLG hat daher klargestellt: Einer Differenzierung zwischen „Zinsbindungsfrist“ und „rechtlich geschützter Zinserwartung“ bedarf es zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Beachten Sie | Das in diesem Verfahren beklagte Kreditinstitut hatte die finanzmathematischen Rahmenbedingungen zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung skizziert und nach Ansicht des OLG sämtliche wesentlichen Parameter dargestellt, die nach allen ernsthaft vertretenen Ansichten gefordert werden.

Diese sind:

  • der geschuldete Kreditbetrag und die Restlaufzeit bis zum Ende der Zinsbindung,
  • die Differenz zwischen Darlehenszinssatz und der erzielten Wiederanlagerendite aus den zurückgeflossenen Darlehensmitteln,
  • die schadensmindernd zu berücksichtigenden ersparten Verwaltungsaufwendungen und die eingesparte Risikomarge sowie
  • die Abzinsung des auf dieser Grundlage ermittelten Schadens.

Quelle | OLG Stuttgart, Urteil vom 18.5.2022, 9 U 237/21

Comments are closed.

Previous Next
Close
Test Caption
Test Description goes like this