Hochzeit mit Hindernissen I:
Hochzeitsfeier abgesagt – Anzahlung zurück
| Aufgrund der Corona-Pandemie musste ein Brautpaar seine Hochzeitsfeier absagen. Doch musste es auch die Anzahlung an den Caterer abschreiben? Nein so entschied es das Landgericht (LG) Frankenthal: Kann eine Hochzeitsfeier wegen der Corona-Pandemie nicht wie geplant stattfinden, darf das Brautpaar von dem vor Ausbruch der Pandemie geschlossenen Catering-Vertrag zurücktreten. Der Caterer muss die vom Brautpaar überwiesene Anzahlung in voller Höhe zurückzahlen. |
Ein Brautpaar wollte im Jahr 2020 seine Hochzeit mit 100 Personen in einem historischen Mühlenanwesen feiern und schloss mit dem Caterer etwa vier Monate vor dem geplanten Termin einen Vertrag darüber, dass dieser die Feier ausrichten und die Gäste verköstigen solle. Das Paar leistete Anzahlungen von mehr als 6.000 Euro. Wegen der staatlichen Auflagen in der ersten Corona-Pandemiewelle konnte die Feier nicht stattfinden und sollte 2021 nachgeholt werden. Doch auch 2021 war das Fest wegen der geltenden „Bundes-Notbremse“ pandemiebedingt nicht durchführbar. Das Ehepaar erklärte den Rücktritt vom Catering-Vertrag und forderte vergeblich die Rücküberweisung der Anzahlung.
Das LG gab dem Ehepaar Recht: Die Corona-Pandemie und deren Folgen seien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses unabsehbar gewesen. Es sei unausgesprochen Geschäftsgrundlage des Vertrags gewesen, dass die Feier im Innenbereich der Mühle rechtskonform und ohne Gesundheitsrisiko für die Gäste durchgeführt werden könne. Hätte es vorhergesehen, dass dies wegen der Auflagen über viele Monate hinweg nicht möglich sei, hätte es den Vertrag nicht abgeschlossen.
Die Eheleute müssten sich nicht darauf verweisen lassen, das Fest unter freiem Himmel auszurichten. Ein weiteres Abwarten sei ebenfalls unzumutbar. Denn eine Hochzeitsfeier sollte im zeitlichen Zusammenhang zur standesamtlichen Trauung stattfinden.
Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 21.12.2021, 8 O 198/21
Formerfordernis:
Kein Hartz IV-Widerspruch per E-Mail
| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden, dass es nicht der gesetzlichen Form entspricht, wenn ein Widerspruch mit einfacher E-Mail eingelegt wird. |
Geklagt hatten zwei Hartz-IV-Empfänger aus Lüneburg. Wegen schwankenden Einkommens berechnete das Jobcenter die Leistungen des Paares zunächst vorläufig, bis im Dezember 2019 die endgültige Festsetzung erfolgte. Die Bescheide enthielten eine Rechtsbehelfsbelehrung, wonach ein Widerspruch „schriftlich oder zur Niederschrift“ einzulegen sei. Nachdem das Paar mit einfacher E-Mail Widerspruch einlegte, wies das Jobcenter schriftlich darauf hin, dass die Formerfordernisse nicht gewahrt seien, da die technischen Voraussetzungen einer eindeutigen Urheberschaft so nicht gewährleistet seien. Das Paar müsse den Widerspruch formgerecht nachreichen, da er sonst unzulässig sei.
Dem hielten die Leistungsempfänger entgegen, dass in den Bescheiden nicht stehe, dass kein Widerspruch per E-Mail erfolgen könne. Nach ihrer Ansicht sage der Hinweis „schriftlich oder zur Niederschrift“ jedem, der „normal bei Verstand sei“, dass der Widerspruch per Fax, per Niederschrift oder per E-Mail eingelegt werden könne. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb Unterschiede zwischen Fax und E-Mail gezogen würden. E-Mails gehörten zur täglichen Kommunikation.
Das LSG hat die Rechtsauffassung des Jobcenters bestätigt. Zwar könne ein Widerspruch auch in elektronischer Form eingereicht werden, allerdings sei dann eine qualifizierte elektronische Signatur oder eine absenderauthentifizierte Übersendung (z.B. als De-Mail) erforderlich. Demgegenüber reiche eine einfache E-Mail nicht aus. Da das Jobcenter auf diesen Weg nicht hingewiesen habe, könne sich höchstens die Widerspruchsfrist von einem Monat auf ein Jahr verlängern. Allerdings hätten die Leistungsempfänger auch in diesem Zeitraum keinen formgerechten Widerspruch nachgereicht. Sie hätten allein darauf beharrt, dass eine einfache E-Mail ausreiche.
Gegen die Nichtzulassung der Revision hat das Paar Beschwerde eingelegt.
Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 4.11.2021, L 11 AS 632/20, PM vom 13.12.2021
Hochzeit mit Hindernissen II:
Location wegen Corona-Pandemie gegen Ausgleichszahlung kündbar
| Wer Räume angemietet hat, um eine Hochzeitsfeier mit bis zu 120 Personen durchzuführen, die wegen der Corona-Pandemie nur mit einer beschränkten Personenzahl (50 Personen) durchgeführt werden könnte, kann ein Kündigungsrecht haben. Kündigt der Mieter dann, steht dem Vermieter jedoch eine Ausgleichszahlung zu. So entschied es jetzt das Oberlandesgericht (OLG Celle). |
Ein Paar hatte vor Beginn der Corona-Pandemie ein Schloss für seine Hochzeit für eine Feier mit bis zu 120 Personen gemietet. Der Mietpreis betrug netto 5.000 Euro zuzüglich weiterer Kosten. Aufgrund der Corona-Verordnung des Landes Niedersachsen (Corona-VO) waren Hochzeitsfeiern aber nur noch mit höchstens 50 Personen zulässig. Im Juli 2020 erklärte das Paar, nicht zu feiern. Der Vermieter verlangte die vereinbarte Miete. Die Klage war in zweiter Instanz nur zum Teil erfolgreich.
Auch wenn der Mietvertrag trotz der damals geltenden Corona-VO hätte durchgeführt werden können, war dies dem Paar nicht zumutbar. Aufgrund des Infektionsgeschehens bestand zumindest ein signifikantes medizinisches Risiko für die Anwesenden und ihre Kontaktpersonen. Es ist dem Brautpaar auch nicht zuzumuten gewesen, die Feier zu verschieben. Ein Hochzeitsfest ist aus Sicht des Brautpaars ein ganz besonderes einmaliges Ereignis, das nicht ohne Weiteres verlegbar ist.
Quelle | OLG Celle, Urteil vom 2.12.2021, 2 U 64/21
Klageerfolg:
Nutzer dürfen in sozialen Netzwerken ein Pseudonym angeben
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich mit der Pflicht des Anbieters eines sozialen Netzwerks befasst, dessen Nutzung unter Pseudonym zu ermöglichen. Das Urteil befasst sich allerdings mit Altfällen vor dem 25.5.2018. Wie es mit aktuellen Fällen aussieht, sagt der BGH leider nicht ausdrücklich. |
Ausgangssitutation
Die Kläger unterhalten jeweils ein Nutzerkonto für ein von der Muttergesellschaft der Beklagten betriebenes weltweites soziales Netzwerk, dessen Anbieter und Vertragspartner für Nutzer mit Sitz in Deutschland die Beklagte ist.
Verfahren 1
In dem einen Verfahren (Aktenzeichen III ZR 3/21) hatte der Kläger als seinen Profilnamen ursprünglich ein Pseudonym verwendet. Nachdem er auf Nachfrage nicht bestätigt hatte, dass es sich um seinen im Alltag verwendeten Namen handelt, sperrte die Beklagte sein Nutzerkonto. Sie schaltete es erst nach einer Änderung des Profilnamens wieder frei. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch, Änderungen seines von ihm in dem Netzwerk verwendeten Profilnamens zu verhindern.
Verfahren 2
In dem anderen Verfahren (Aktenzeichen III ZR 4/21) gab die Klägerin als Profilnamen ebenfalls ein Pseudonym an. Ihr Nutzerkonto wurde von der Beklagten im Januar 2018 gesperrt, nachdem sie der Aufforderung, ihren Profilnamen zu ändern, nicht nachgekommen war. Die Klägerin begehrt die Aufhebung dieser Sperrung.
So sieht es der BGH
In dem erstgenannten Verfahren hat der BGH die Beklagte verurteilt, es zu dulden, dass der Kläger seinen Profilnamen in ein Pseudonym ändert, und dem Kläger unter Verwendung des gewählten Profilnamens Zugriff auf die Funktionen seines Nutzerkontos zu gewähren.
Nach den für diesen Fall maßgeblichen Nutzungsbedingungen muss der Kontoinhaber bei der Nutzung des Netzwerks den Namen verwenden, den er auch im täglichen Leben verwendet. Diese Bestimmung ist unwirksam, weil sie den Kläger zum Zeitpunkt ihrer Einbeziehung in den Nutzungsvertrag der Parteien entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligte. Sie ist mit dem Grundgedanken nicht zu vereinbaren, dass der Diensteanbieter die Nutzung der Telemedien anonym oder unter Pseudonym ermöglichen muss, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. Es ist der Beklagten zwar nicht zumutbar gewesen ist, die Nutzung des Netzwerks zu ermöglichen, ohne dass der jeweilige Nutzer ihr zuvor etwa bei der Registrierung im Innenverhältnis seinen Klarnamen mitgeteilt hatte. Für die anschließende Nutzung der von ihr angebotenen Dienste unter Pseudonym ist die Zumutbarkeit jedoch zu bejahen.
Die Unwirksamkeit der Bestimmung zur Klarnamenpflicht führt dazu, dass die Bestimmung ersatzlos wegfällt. In der Folge hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch darauf, das Netzwerk unter einem Pseudonym zu nutzen.
In dem anderen Verfahren hat der BGH die Beklagte verurteilt, das Nutzerkonto der Klägerin freizuschalten und der Klägerin unbeschränkten Zugriff auf die Funktionen dieses Kontos zu gewähren.
Die Beklagte kann von der Klägerin nicht verlangen, ihren Profilnamen in ihren wahren Namen zu ändern. Die Bestimmung zur Klarnamenpflicht in den hier maßgeblichen Nutzungsbedingungen der Beklagten ist ebenfalls unwirksam.
Quelle | BGH, Urteile vom 27.1.2022, III ZR 3/21 und III ZR 4/21, PM 13/22 vom 27.1.2022
Fluggastrechte:
Auch ein Firmentarif berechtigt zu einer Entschädigung
| Auch wer einen ermäßigten Firmentarif bei der Buchung eines Flugs in Anspruch nimmt, darf Ausgleichsansprüche nach der Fluggastrechteverordnung geltend machen. So entschied es jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) |
Nach der Fluggastrechteverordnung (Art. 3 Abs. 3 S. 1 FluggastrechteVO) gilt diese nicht für Fluggäste, die kostenlos oder zu einem reduzierten Tarif reisen, der für die Öffentlichkeit nicht unmittelbar oder mittelbar verfügbar ist. Ein vergünstigter Tarif, den ein Luftfahrtunternehmen für Geschäftsreisen von Mitarbeitern eines Unternehmens gewährt, das eine entsprechende Rahmenvereinbarung geschlossen hat, ist nach dem BGH aber für die Öffentlichkeit verfügbar.
Quelle | BGH, Urteil vom 21.9.2021, X ZR 79/20, Abruf-Nr. 225293 unter www.iww.de
Bankgebühren:
Bereitstellungsprovision ist unabhängig vom Darlehenszins
| Ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) einer Bank eine Bereitstellungsprovision nach Ablauf der vereinbarten Abruffrist vorgesehen, die höher als der vereinbarte Darlehenszins ist, stellt dies eine Preisabrede dar, deren Inhalt die Gerichte nicht überprüfen dürfen. Dies stellte jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe fest. |
Im Fall des OLG hatte ein Verbraucherschutzverband gegen eine entsprechende Klausel einer Bank geklagt. In dem zugrunde liegenden Fall zeigte sich die Bereitstellungsprovision rund zweieinhalbmal Mal so hoch wie der Darlehenszins. Das OLG ist der Ansicht, die Klausel regele gerade die Vergütung der von der Bank erbrachten Sonderleistung, dem Darlehensnehmer den Darlehensbetrag nach Abschluss des Darlehensvertrags auf Abruf bereitzuhalten.
Das OLG erkannte auch keinen Verstoß gegen den sog. Wucherparagrafen im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 138 BGB). Bereitstellungsprovision und Darlehenszins hätten unterschiedliche Gegenleistungen, sodass der Darlehenszins kein marktüblicher Zins für die Provision sei. Es dürfe aber auch nicht übersehen werden, dass die Überschreitung wegen der Niedrigzinsphase absolut geringfügig sei. Nach Ansicht des OLG ist in Niedrigzinsphasen die absolute Abweichung des effektiven Vertragszinses vom marktüblichen Effektivzins als Maßstab einer Sittenwidrigkeit (mit-)heranzuziehen.
Quelle | OLG Karlsruhe, Urteil vom 12.10.2021, 17 U 545/20, Abruf-Nr. 226323 unter www.iww.de