Verbraucherrecht Info - 07.2021

5.07.2021
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Leinenzwang:

Manchmal genügt ein einziger Hundebiss …

| Das Verwaltungsgericht (VG) Göttingen hat den Antrag eines Hundebesitzers abgelehnt, mit dem dieser sich gegen die von einem Landkreis verfügte Anordnung eines Leinenzwangs gewendet hatte. |

Sachverhalt

Im Mai 2020 führte der Bruder des Antragstellers dessen neunjährigen Schäferhund unangeleint spazieren. Dabei lief der Hund einer zufällig vorbeifahrenden Radfahrerin hinterher und biss ihr in die Wade. Daraufhin verfügte der Landkreis gegenüber dem Antragsteller als Halter des Hundes, dass dieser außerhalb ausbruchsicherer Grundstücke künftig angeleint zu führen sei, wobei die Leine nicht länger als 1,5 m sein dürfte, ein Halsband zu benutzen sei und weder Brustgeschirr noch Flexi- oder Schleppleine erlaubt seien. Ferner dürfe der Hund nur von erwachsenen Personen geführt werden, die über die o.a. Vorgaben in Kenntnis gesetzt seien.

Einmaliges Fehlverhalten?

Hiergegen hat der Antragsteller Klage erhoben und gleichzeitig um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht. Im Wesentlichen ging es ihm darum, dass es sich um ein einmaliges Fehlverhalten seines Hundes gehandelt habe. Dieser sei angeleint gewesen und habe die Wade der Radfahrerin, die sehr schnell und mit einem lauten E-Bike an dem Hund vorbeigefahren sei, auch nur gezwickt. Dieser Argumentation ist das Gericht nicht gefolgt.

Nicht nur „Zwicken“, sondern Bisswunde!

Es habe nicht lediglich ein „Zwicken“ vorgelegen. Beweisfotos zeigten eine Bisswunde, die nach Aktenlage notfallmedizinisch habe behandelt werden müssen. Auch, dass der Hund „nur“ reagiert habe, sei rechtlich unbeachtlich. Ein Leinenzwang könne bei hundetypischen Reaktionen auf das Verhalten anderer Personen oder Tiere angeordnet werden. Auch hundetypisches und artgerechtes Verhalten eines Hundes hier ein Jagdverhalten könne eine konkrete Gefahr für andere verursachen.

Das Gericht hob hervor: Von Dritten werde kein hundegerechtes Verhalten erwartet, sodass der Halter in der Pflicht stehe, diese vor den Reaktionen seines Tieres zu bewahren. Die durch einen Hund verursachten Verletzungen seien dem Tier somit auch dann zuzurechnen, wenn sie (mit) auf einem Verhalten anderer Personen beruhten.

Der o. g. Vorfall rechtfertige die Annahme, dass der Hund auch in Zukunft Menschen anfallen und beißen werde, wenn er erschrickt oder sein Jagdtrieb geweckt ist. An dieser Prognose ändere die Behauptung des Antragstellers nichts, sein Hund habe sich weder vor noch nach dem Vorfall aggressiv gegenüber anderen Tieren oder Menschen gezeigt.

Leinenzwang angemessen

Für die Anordnung eines Leinenzwangs, wie hier, genüge grundsätzlich schon ein einmaliges Beißen. Die Feststellung, ob der Hund tatsächlich „gefährlich“ im Sinne des Niedersächsischen Hundegesetzes sei, was weitere Maßnahmen rechtfertige (Erlaubnisvorbehalt für das Halten, Wesenstest), obliege der weiteren Prüfung in einem besonderen Verfahren, das der Landkreis auch eingeleitet hat.

Die Entscheidung ist rechtskräftig, die Klage wurde mittlerweile zurückgenommen.

Quelle | VG Göttingen, Beschluss vom 3.3.2021, 1 B 3/21, PM vom 29.3.2021


Unberechtigte Gebühren:

Keine Kontoführungskosten für Inkassounternehmen

| Inkassounternehmen sind nicht berechtigt, den Forderungsschuldnern ihrer Auftraggeber interne Kontoführungskosten in Rechnung zu stellen. Dies gilt sowohl im Zusammenhang mit der Geltendmachung titulierter als auch nicht titulierter Forderungen. So hat es jetzt das Verwaltungsgericht (VG) Neustadt an der Weinstraße entschieden. |

Ein Inkassounternehmen, das pro Jahr mehrere hunderttausend Verfahren bearbeitet, hatte den Schuldnern „Kontoführungskosten“ für das Führen eines internen „Schuldnerkontos“ berechnet. Dies, so das VG, sei interne Büroorganisation und damit die eigene Sache des Inkassounternehmens. Es gebe keine Rechtsgrundlage, hierfür Gebühren zu erheben.

Quelle | VG Neustadt, Urteil vom 10.3.2021, 3 K 802/20.NW


Private Krankenversicherung:

Kostenübernahme für Sport- und Schwimmprothesen möglich

| Hat der Versicherungsnehmer bei einem Verkehrsunfall einen Unterschenkel verloren, kann er ggf. von seinem privaten Krankenversicherer die Übernahme der Kosten für Sport- und Schwimmprothesen verlangen. Hierauf wies das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig hin. |

Das OLG argumentierte dabei folgendermaßen: Wenn für die Erstattungsfähigkeit eines Hilfsmittels gefordert ist, dass es eine körperliche Beeinträchtigung unmittelbar mildert oder ausgleicht, wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer annehmen, dass eine Erstattungsfähigkeit gegeben ist, wenn das Hilfsmittel dazu geeignet ist, seine normalen (gesunden) Körperfunktionen wiederherzustellen oder sich dem jedenfalls anzunähern.

Zu der gewöhnlichen Funktion eines Unterschenkels gehört es auch, damit zu laufen und zu springen oder zu schwimmen und Bewegungsspiele auszuüben. Derlei Betätigung ist Ausdruck normaler, zulässiger und weit verbreiteter Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Deshalb sind Hilfsmittel zu erstatten, die diese Funktionen wiederherstellen.

Will ein Versicherer Hilfsmittel für etwas so weit Verbreitetes, wie den Sport, ausschließen oder begrenzen, ist dies eindeutig in den Versicherungsbedingungen zum Ausdruck zu bringen.

Quelle | OLG Schleswig, Urteil vom 28.9.2020, 16 U 53/20, Abruf-Nr. 221284 unter www.iww.de


Vermittlungstätigkeit:

Makler müssen sich beeilen …

| Eine Maklercourtage ist nicht geschuldet, wenn zwischen der Tätigkeit des Maklers und dem Kaufvertragsschluss 14 Monate liegen und der Käufer die Immobile zwischenzeitlich gemietet hat. |

Das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken hat entschieden: Der Käufer eines Hauses schuldet keinen Maklercourtage, wenn er auf das Objekt zwar zunächst durch den Makler aufmerksam gemacht worden ist, der Kaufvertrag dann aber im Notartermin platzte, er daraufhin die Immobilie anmietet und über ein Jahr später dann doch erwirbt.

Der Makler bot eine Immobile zum Verkauf an, bei der noch eine Grundstücksaufteilung vor dem Kauf vorgenommen werden musste. Der Käufer wurde durch den Makler auf das Haus aufmerksam gemacht. Er entschloss sich, das Haus zu erwerben. Der Notartermin platzte, weil der beurkundende Notar auf Probleme bei der Aufteilung des Grundstücks hinwies. Der Käufer mietete die Immobile hiernach an. Nach Ablauf von 14 Monaten erwarb der Käufer die Immobile von den Verkäufern. Der Makler forderte mit seiner Klage die Maklercourtage von über 7.000 Euro.

Das Landgericht (LG) Landau hatte die Klage bereits abgewiesen. Das OLG hat diese Entscheidung bestätigt. Begründung: Dem Makler stehe eine Vergütung nur zu, wenn der beabsichtigte Vertrag tatsächlich aufgrund seiner Vermittlungstätigkeit zustande komme. Dies müsse der Makler nachweisen. Erleichterungen bei diesem Nachweis seien anzunehmen, wenn der Makler die Gelegenheit zum Vertragsschluss nachgewiesen habe und seiner Tätigkeit der Abschluss des Hauptvertrags in angemessenem Zeitabstand folge. Dann werde zugunsten des Maklers vermutet, dass der Vertrag aufgrund der Leistungen des Maklers zustande gekommen sei. Der hier zwischen Nachweisleistung und dem Vertragsschluss liegende Zeitraum lasse eine solche Vermutung zugunsten des Klägers nicht mehr zu. Zwischen Übersendung des Immobilienexposés und dem Abschluss des Kaufvertrags lagen ca. 14 Monate. Der Käufer habe seine Erwerbsabsicht vorübergehend auch vollständig aufgegeben, da er sich nach der Abstandnahme vom Kaufvertrag dazu entschlossen habe, das streitgegenständliche Objekt anzumieten.

Weiter habe der Käufer zunächst ein erneutes Kaufangebot der Verkäufer abgelehnt und auch Besichtigungen des Anwesens durch potenzielle Erwerber erdulden müssen. Auch sei die Kündigung des Mietverhältnisses durch den Verkäufer erklärt worden. Bei Berücksichtigung dieser Umstände könne der Erwerb der Immobilie mehr als ein Jahr nach dem ersten Notartermin nicht mehr im Zusammenhang mit der Leistung des Maklers gesehen werden.

Die Revision hat das OLG nicht zugelassen.

Quelle | OLG Zweibrücken, Beschluss vom 5.10.2020, 5 U 42/20, PM vom 7.4.2021


Bußgeld:

Was ist ein öffentlicher Weg?

| Darf man mit einem Mountainbike im Wald fahren? Mit dieser Frage hat sich jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg auseinandergesetzt. |

Ein Mann war in Niedersachsen mit seinem Mountainbike in einem Waldgebiet unterwegs. Die Stadt erließ gegen ihn einen Bußgeldbescheid über 150 Euro mit der Begründung, der Mann sei außerhalb öffentlicher Wege gefahren.

Nach dem Niedersächsischen Waldgesetz darf man mit Fahrrädern auch auf sogenannten „tatsächlichen öffentlichen Wegen“ fahren. Das sind solche Wege, die mit Zustimmung oder Duldung des Grundeigentümers tatsächlich für den öffentlichen Verkehr genutzt werden, wie Wander- Reit- und Freizeitwege, nicht aber z.B. Fuß- und Pirschpfadwege. Auch die von „Downhill-Bikern“ eigenständig geschaffenen Wege gehören nicht dazu. Dort, so steht es im Bußgeldbescheid, sei das Fahrradfahren verboten. Die Schädigung des Waldes durch eine solche Nutzung Erosion und Verletzung von Bäumen sei deutlich erkennbar. Der Mann habe durch seine illegale Fahrt während der Brut- und Setzzeit auch eine hochtragende Ricke aufgeschreckt.

Der Mann wollte den Bußgeldbescheid nicht akzeptieren und legte Einspruch ein. Vor dem Amtsgericht (AG) Bad Iburg hatte er keinen Erfolg. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Mann auf einem Trampelpfad und nicht auf einem tatsächlich öffentlichen Weg unterwegs gewesen sei.

Der Mann begehrte die Zulassung der Rechtsbeschwerde beim OLG. Er argumentierte, er sei davon ausgegangen, den Weg nutzen zu dürfen. Das OLG wies den Antrag zurück. Das AG habe rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Grundstückseigentümer der öffentlichen Nutzung des Wegs nicht zugestimmt habe und dass dies für den Mann auch erkennbar gewesen sei. Es sei auch von dem Grundstückseigentümer nicht zu fordern, dass er Verbotsschilder aufstelle, zumal alle tatsächlich öffentlichen Wege durch Schilder freigegeben seien.

Quelle | OLG Oldenburg, Beschluss vom 26.1.2021, 2 Ss OWi 25/21, PM Nr. 11/21 vom 15.4.2021


Instagram-Influencer:

Postings sind nicht stets explizit als Werbung zu kennzeichnen

| Ein Instagram-Influencer muss seine Postings nicht explizit als Werbung kennzeichnen. Vielmehr kann sich der kommerzielle Charakter bereits aus den näheren Umständen ergeben. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg entschieden. |

Die Beklagte war Influencerin auf der Social-Media-Plattform Instagram und hatte mehrere Postings mit werblichem Inhalt vorgenommen. In der ersten Instanz war sie verurteilt worden, dies zu unterlassen, weil sie die Werbung nicht ausreichend gekennzeichnet hatte. Daher hatte das Landgericht (LG) einen Fall von Schleichwerbung angenommen.

Dem schloss sich das OLG Hamburg nicht an und wies die Klage ab. Es sah zwar ein geschäftliches Handeln und auch Werbung, der kommerzielle Charakter ergebe sich aber bereits unmittelbar aus den Postings. Er müsse daher nicht besonders hervorgehoben werden. Für den durchschnittlichen Betrachter sei offensichtlich, dass es sich nicht um private Nachrichten handle, sondern eine geschäftliche Absicht dahinterstecke: „Fashion Bloggerinnen“ werden namentlich genannt und ihnen wird die Möglichkeit eingeräumt, auf mehreren Seiten Mode und Accessoires vorzustellen, bei denen wiederum jeweils die Hersteller benannt sind. Redakteurinnen stellen in Zeitschriften ihre persönlichen Modefavoriten unter Nennung der Hersteller/Händler vor (vgl. die zur Berufungsbegründung eingereichten Zeitschriften). Der Unterschied zu den Posts der Beklagten liegt nur darin, dass aufgrund des Papiermediums keine direkte Verlinkung zu Herstellern möglich ist.

Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass mögliche unerfahrene, minderjährige User mitlesen würden, die besonderen Schutz bedürften: Denn die Beklagte wende sich offensichtlich nicht an Jugendliche.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Das Revisionsverfahren vor dem BGH (AZ.: I ZR 125/20) läuft. Verhandlungstermin ist am 29.7.21.

Quelle | OLG Hamburg, Urteil vom 2.7.2020, 15 U 142/19

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