Verbraucherrecht Info - 11.2022

1.11.2022
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Steuerregeln:

Steuerguide für Influencer

| Influencer können häufig von ihren Einnahmen ihren Lebensunterhalt bestreiten und erzielen mitunter hohe Einkommen. Damit werden sie unter Umständen steuerpflichtig. Das Finanzministerium (FinMin) Baden-Württemberg hat in einem Steuerguide mit zielgruppengerechter Ansprache die wichtigsten Steuerregeln für Influencer zusammengestellt. Der Steuerguide, der unter www.iww.de/s6972 heruntergeladen werden kann, gibt einen kurzen Überblick darüber, welche Steuerarten für Influencer infrage kommen können und ob Betroffene ihre Tätigkeit beim Finanzamt anzeigen müssen. |


Hassrede:

Nachholung im Prozess: unterlassene Anhörung vor Löschung eines Posts bei Facebook

| Hassrede oder freie Meinungsäußerung? Das beschäftigt häufig die Gerichte. Nach einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs (BGH) sind die Regelungen in den Nutzungsbedingungen unwirksam, die Facebook in einem Fall der Hassrede eine Befugnis zur Löschung dieses Posts einräumen. Sie sehen kein Verfahren vor, aufgrund dessen der betroffene Nutzer über die Entfernung umgehend informiert, ihm der Grund dafür mitgeteilt und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung eingeräumt wird, woran sich eine neue Entscheidung mit der Möglichkeit der Wiederfreischaltung des Posts anschließt. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat nun entschieden, dass die fehlende Anhörung seitens der Beklagten im Verfahren nachgeholt werden kann. Außerdem hat es entschieden: Wenn die Anhörung zu keiner anderen Bewertung führt, kann der betroffene Nutzer dann nicht die Wiederfreischaltung des Posts beanspruchen. Das Löschungsrecht ergebe sich in diesem Fall bei einem vertragswidrigen Post aus dem Nutzungsvertrag. |

Das war geschehen

Die Beklagte ist in Deutschland Vertragspartnerin der Nutzer von Facebook. Der Kläger stimmte den im April 2018 geänderten Nutzungsbedingungen der Beklagten zu. Im November 2018 postete er im Zusammenhang mit einem Artikel über die gewalttätige Auseinandersetzung zwischen Afghanen in einer Flüchtlingsunterkunft, in deren Verlauf diese untereinander Messer eingesetzt hatten, u.a.: „Solange diese sich gegenseitig abstechen ist es doch o. k. Ist jemand anderer Meinung? Messer-Emoji“. Die Beklagte löschte diesen Beitrag und sperrte außerdem vorübergehend Teilfunktionen des klägerischen Kontos. Der Kläger begehrte daraufhin vor dem Landgericht (LG) unter anderem die Freischaltung des gelöschten Beitrags. Das LG hat die Klage abgewiesen.

Berufungsinstanz: Kein Anspruch auf Wiederfreischaltung

Die hiergegen gerichtete Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Wiederfreischaltung des gelöschten Posts. Der Post sei zwar eine Meinungsäußerung. Er verstoße aber gegen die über die Nutzungsbedingungen einbezogenen Bestimmungen in den Gemeinschaftsstandards zur Hassrede. Der Begriff der Hassrede sei hinreichend transparent und in den Regelungen selbst definiert worden. Erfasst würden u.a. „Angriffe durch eine gewalttätige und entmenschlichende Sprache, durch Aussagen über Minderwertigkeit und durch Aufrufe, Personen auszuschließen und zu isolieren“. Die Beklagte sei auch berechtigt, ein Verbot von Hassrede vorzusehen, „durch das auch nicht strafbare oder rechtsverletzende Meinungsäußerungen erfasst werden“. Sie dürfe den Nutzern ihres Netzwerks bestimmte Kommunikationsstandards vorgeben, die über die strafrechtlichen Vorgaben hinausgingen. Die Verhaltensregeln sollten einen Kodex für „einen respektvollen Umgang miteinander“ enthalten.

Post entspricht den Merkmalen von Hassrede

Hier verstehe der flüchtige Leser die Äußerung so, dass es dem Kläger „gleichgültig ist bzw. er es in Ordnung finde, wenn afghanische Flüchtlinge sich gegenseitig abstechen“. Dies unterfalle dem Bereich der Hassrede.

Bundesgerichtshof: Regelungen zum Löschen von Posts unwirksam

Soweit die Löschung des Posts erfolgte, ohne den Kläger umgehend zu informieren und ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme mit anschließender Neuentscheidung zu gegeben, könne die Beklagte sich zwar nicht auf ihre Regelungen zum Entfernungs- und Sperrvorbehalt berufen. Diese seien gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) unwirksam.

Anhörung erfolgte nachträglich im Prozess

Die Beklagte sei aber zur Löschung unmittelbar aus dem Nutzungsvertrag berechtigt. Die Verfahrensanforderungen zur Information des Betroffenen über die Löschung ergäben sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung. Durch die Unwirksamkeit der Klausel über den Entfernungs- und Sperrvorbehalt sei im vertraglichen Gefüge eine Lücke entstanden, die im Wege der Auslegung zu schließen sei. Über diese ergänzende Vertragsauslegung sei die Beklagte verpflichtet, den Nutzer über die Entfernung eines Beitrags zu informieren und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme und Neuentscheidung zu geben. Dies sei im Rahmen des hiesigen Prozesses nachgeholt worden. Der anfängliche Anhörungsfehler sei damit nachträglich geheilt worden.

Grundsätzliche Bedeutung: BGH muss klären

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Das OLG hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum BGH u.a. hinsichtlich des dargestellten Antrags auf Wiederherstellung des gelöschten Artikels zugelassen.

Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 30.6.2022, 16 U 229/20, PM 54/22


Flugverspätung:

Ausgleichsanspruch für Fluggäste bei verspäteten Anschlussflügen unterschiedlicher Airlines

| Der Ausgleichsanspruch für Fluggäste wegen großer Verspätung gilt auch bei einem Flug mit direkten Anschlussflügen, bei dem die Flüge von unterschiedlichen ausführenden Luftfahrtunternehmen durchgeführt werden. Wurden die Flüge von einem Reisebüro kombiniert, das einen Gesamtpreis in Rechnung gestellt und einen einheitlichen Flugschein ausgegeben hat, ist unerheblich, dass zwischen den Luftfahrtunternehmen keine rechtliche Beziehung besteht. So hat es der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden. |

Das war geschehen

Ein Fluggast erwarb über ein Reisebüro einen elektronischen Flugschein über drei Flüge für die Strecke von Stuttgart nach Kansas City. Der erste Flug, von Stuttgart nach Zürich, wurde von Swiss International Air Lines durchgeführt, während die beiden Flüge von Zürich nach Philadelphia und von Philadelphia nach Kansas City von American Airlines durchgeführt wurden. Auf den Bordkarten für diese Flüge war die Nummer des elektronischen Flugscheins verzeichnet. Außerdem war auf dem Flugschein American Airlines als Dienstleistungserbringerin angegeben, und der Flugschein war mit einer einheitlichen Buchungsnummer für die gesamte Strecke versehen. Darüber hinaus stellte das Reisebüro eine Rechnung aus, die einen Gesamtpreis für die gesamte Strecke sowie für den Rückflug auswies.

Die Flüge von Stuttgart nach Zürich und von Zürich nach Philadelphia fanden planmäßig statt. Der Flug von Philadelphia nach Kansas City dagegen war bei der Ankunft um mehr als vier Stunden verspätet. Vor den deutschen Gerichten klagte flightright, eine Gesellschaft für Rechtshilfe für Fluggäste, an die die durch diese Verspätung entstandenen Ansprüche abgetreten worden waren, gegen American Airlines auf eine Ausgleichszahlung von 600 Euro nach der Verordnung Nr. 261/2004 über Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen. Der mit der Sache befasste Bundesgerichtshof (BGH) hat dem EuGH Fragen zur Auslegung dieser Verordnung vorgelegt.

So sieht es der Europäische Gerichtshof

Der EuGH entschied: Der Begriff „direkte Anschlussflüge“ erfasst einen Beförderungsvorgang mit Ausgangspunkt in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union,

  • der aus mehreren Flügen besteht,
  • die von unterschiedlichen, nicht durch eine rechtliche Beziehung miteinander verbundenen ausführenden Luftfahrtunternehmen durchgeführt werden,
  • wenn diese Flüge von einem Reisebüro zusammengefasst wurden,
  • das für diesen Vorgang einen Gesamtpreis in Rechnung gestellt und
  • einen einheitlichen Flugschein ausgegeben hat.

Der EuGH weist darauf hin, dass der Begriff „direkte Anschlussflüge“ so zu verstehen ist, dass er zwei oder mehr Flüge bezeichnet, die für die Zwecke des in der Verordnung Nr. 261/2004 vorgesehenen Ausgleichsanspruchs von Fluggästen eine Gesamtheit darstellen. Eine solche Gesamtheit liegt vor, wenn die Flüge Gegenstand einer einzigen Buchung waren.

Beförderungsvorgang beruhte auf einer einzigen Buchung

Hier verfügte der Fluggast über einen Flugschein, der einen Beleg dafür darstellte, dass die Buchung der gesamten Reise von Stuttgart nach Kansas City von einem Reiseunternehmen akzeptiert und registriert worden war. Bei einem solchen Beförderungsvorgang ist davon auszugehen, dass er auf einer einzigen Buchung beruht, sodass es sich um „direkte Anschlussflüge“ handelt. Die Flüge, um die es hier ging, wurden von unterschiedlichen ausführenden Luftfahrtunternehmen durchgeführt, zwischen denen keine rechtliche Beziehung bestand. Der EuGH stellte fest, dass die Verordnung über Ausgleichsleistungen für Fluggäste keine Bestimmung enthält, wonach die Einstufung als Flug mit direkten Anschlussflügen davon abhängt, dass eine besondere rechtliche Beziehung zwischen den ausführenden Luftfahrtunternehmen besteht, die die einzelnen Flüge, aus denen sich der Flug zusammensetzt, durchführen. Eine solche zusätzliche Bedingung würde dem Ziel der Sicherstellung eines hohen Schutzniveaus für Fluggäste zuwiderlaufen, da dadurch namentlich deren Ausgleichsanspruch bei großer Verspätung ihres Flugs beschränkt werden könnte.

Quelle | EuGH, Urteil vom 6.10.2022, C-436/21


Falsche Versprechungen:

„Idyllisches Wohnen“ entpuppt sich als Täuschung: Maklerin muss Courtage zurückzahlen

| Der Käufer eines Grundstücks kann den Kaufvertrag wegen Täuschung anfechten, wenn ihm der Verkäufer in wesentlichen Punkten falsche Versprechungen gemacht hat. In diesem Fall verliert auch die Immobilienmaklerin ihren Anspruch auf die Maklercourtage, und zwar auch dann, wenn sie nichts von der Täuschung wusste. Die bereits gezahlte Maklercourtage muss sie wieder zurückzahlen. Das entschied das Landgericht (LG) Frankenthal in einem aktuellen Verfahren. |

Das war geschehen

Ein Ehepaar aus Baden erwarb Ende 2016 eine Immobilie im Außenbereich einer kleinen Gemeinde im Landkreis Germersheim. Im Exposé der Maklerin wurde das Objekt beworben mit: „Idyllisches Wohnen in ruhiger sonniger Alleinlage“. Allerdings hatte der Verkäufer noch vor dem Verkauf von der Baubehörde erfahren, dass das Außenbereichsgelände nur in Kombination mit einem landwirtschaftlichen Betrieb zu Wohnzwecken genutzt werden dürfe. Den Käufern, die somit dort nicht wohnen durften, teilte er dies jedoch nicht mit. Auch die Maklerin hatte davon keine Kenntnis.

Anfechtung des Kaufvertrags

Als das Ehepaar im Laufe des Jahres 2017 erfuhr, dass die erworbene Immobilie für sie nicht als Wohnhaus nutzbar war, erklärten sie die Anfechtung des Kaufvertrags, mit der Folge, dass dieser rückwirkend unwirksam wurde. Damit war auch dem Anspruch der Maklerin auf die Vermittlungsprovision der Rechtsgrund entzogen, so das LG. Der Anspruch bestehe nur bei wirksamem Abschluss eines Kaufvertrags. Das Risiko, dass diese Wirksamkeit wieder wegfalle, trage die Maklerin.

Keine Verjährung

Der Anspruch auf Rückzahlung der Maklerprovision sei auch noch nicht verjährt. Die Verjährungsfrist betrage in diesen Fällen drei Jahre ab Kenntnis der Gründe für die Rückforderung. Diese Kenntnis erlangten die Käufer zwar bereits im Jahr 2017, als sie von der arglistigen Täuschung durch den Verkäufer erfuhren. Folglich wären in diesem Zusammenhang stehende Ansprüche normalerweise mit Ablauf des Jahres 2020 verjährt. Jedoch hatten die Eheleute bereits im Dezember 2020 einen Mahnbescheid beantragt, sodass der Lauf der Verjährung ab diesem Zeitpunkt gehemmt war. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 6.4.2022, 4 O 208/21, PM vom 31.5.2022


Lebensversicherung:

Fristbeginn des Widerspruchs „ab Erhalt der Unterlagen“

| Eine Widerspruchsbelehrung zu einem Lebensversicherungsvertrag, die für den Beginn des Fristenlaufs für den Widerspruch auf „den Erhalt“ der Unterlagen abstellt, ist ausreichend. So entschied es jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Dresden. |

Die Begründung des OLG: Ohne dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen kennen muss, wird er nach seinem maßgeblichen Empfängerhorizont die Belehrung so verstehen, dass die Frist durch den Zugang der genannten Unterlagen in Gang gesetzt wird und 14 Tage später am gleichen Wochentag abläuft. Die Belehrung vermittelt insbesondere nicht den falschen Eindruck, der Tag des Zugangs des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformationen zähle mit.

Quelle | OLG Dresden, Beschluss vom 6.1.2022, 4 U 2394/21, Abruf-Nr. 229856 unter www.iww.de

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