Verkehrsrecht Info - 01.2022

2.01.2022
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Trunkenheit im Verkehr:

Sein Fahrrad zu schieben, heißt nicht, es zu führen

| „Wer sein Fahrrad liebt, der schiebt.“ Das gilt auch im juristischen Sinne, denn das bloße Schieben eines Fahrrads ist kein Führen eines Fahrzeugs i. S. d. Strafgesetzbuchs (StGB). So sieht es das Landgericht (LG) Freiburg. |

Zwar bedient der Schiebende sich des Lenkers. Er leitet also das Zweirad unter eigenverantwortlicher Handhabung einer seiner wesentlichen technischen Vorrichtungen durch den öffentlichen Verkehrsraum. Dennoch geht die herrschende Meinung davon aus, dass das Schieben eines Fahrrads nicht als Führen im Sinne des § 316 StGB angesehen werden kann. Denn u. a. ist die Gefahrenlage viel geringer.

Quelle | LG Freiburg, Urteil vom 26.10.2021, 11/21 10 Ns 530 Js 30832/20


Trunkenheitsfahrt:

Kontrollzeit muss eingehalten werden

| Wird vor einer Atemalkoholmessung die sog. Kontrollzeit von zehn Minuten nicht eingehalten, führt das zur Unverwertbarkeit der Messung. Das gilt zumindest in den Fällen, in denen der Grenzwert gerade erreicht oder nur ganz geringfügig überschritten worden ist. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Dresden. |

Die Auffassung des OLG Dresden entspricht der Auffassung einiger anderer OLG in dieser Frage.

Quelle | OLG Dresden, Beschluss vom 28.4.2021, 22 Ss 672/20 (B), Abruf-Nr. 222599 unter www.iww.de


Haftung:

Neues zu Parkplatzunfällen

| Parkplatzunfälle sind ein regelrechter Dauerbrenner in der Rechtsprechung. Eine aktuelle Entscheidung des Amtsgerichts (AG) Hamburg fügt den reichhaltigen Varianten eine neue hinzu. |

Das AG: Steht als Ergebnis der Beweisaufnahme nur fest, dass sich die Kollision in einem Parkhaus während des Rückwärtsfahrens des Beklagten ereignet hat und gibt es keinerlei Anhaltspunkte für ein sorgfaltswidriges Verhalten des Klägers, tritt die vom klägerischen Fahrzeug ausgehende Betriebsgefahr zurück. Er haftet folglich nicht.

Quelle | AG Hamburg, Urteil vom 22.9.2021, 26 C 422/19, Abruf-Nr. 225053 unter www.iww.de


Geschwindigkeitsüberschreitung:

Wenn der Abstand zwischen Verkehrszeichen und Messstelle zu klein ist

| Dass eine wesentlich zu hohe Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb einer geschlossenen Ortschaft nicht immer mit Fahrverbot geahndet wird, hat das Amtsgericht (AG) St. Ingbert entschieden, denn es gibt Anforderungen an die Positionierung der Messstelle. |

Die Betroffene ist innerhalb einer geschlossenen Ortschaft mit einer Geschwindigkeit von nach Toleranzabzug 65 km/h bei erlaubten 30 km/h gemessen worden. In diesem Fall hat das AG dennoch kein Fahrverbot verhängt. Zwar muss ein Kraftfahrer die Geschwindigkeit bereits ab dem die Geschwindigkeit beschränkenden Verkehrszeichen einhalten. Allerdings darf er nach der obergerichtlichen Rechtsprechung mit gewissen Abständen bis zu einer Messstelle rechnen.

Nach dem im Saarland geltenden Erlass soll die Messstelle „grundsätzlich nicht unmittelbar hinter dem ersten maßgebenden geschwindigkeitsregelnden Verkehrszeichen, aber noch in dessen Wirkungsbereich eingerichtet werden”. Hier war der Abstand zwischen Verkehrszeichen und Messstelle mit 32 Metern sehr gering. Das hat das AG zum Absehen vom Fahrverbot veranlasst.

Quelle | AG St. Ingbert, Urteil vom 23.6.2021, 22 OWi 63 Js 270/21 (533/21), Abruf-Nr. 224318 unter www.iww.de


Verkehrssicherungspflicht:

Radfahrer fährt vor gut sichtbare Mülltonne: kein Schadenersatz

| Erkennt ein Radfahrer, dass auf dem Radweg Mülltonnen im Weg stehen, muss er diesen vorsichtig und mit ausreichendem Abstand ausweichen. Kommt er dabei zu Fall, hat er keinen Anspruch auf Schadenersatz gegen die Abfallentsorgungsfirma. So entschied jetzt das Landgericht (LG) Frankenthal. |

Ein Radfahrer fuhr auf dem Radweg. Er konnte sehen, dass dort zwei Mülltonnen standen. Als er diesen auszuweichen wollte, stieß er mit einer der Tonnen zusammen. Er stürzte und verletzte sich schwer. Nun verlangte er Schmerzensgeld und Schadenersatz von dem zuständigen Abfallentsorgungsunternehmen. Er behauptete: Die Müllwerker hätten die geleerten Tonnen auf dem Radweg abgestellt, sodass es nicht möglich gewesen sei, gefahrlos vorbeizufahren. Damit hätten sie die Verkehrssicherungspflicht verletzt.

Das LG Frankenthal sah das anders: Zwar könne durchaus eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht darin bestehen, dass die Mülltonnen auf dem Radweg abgestellt wurden. Die Tonnen seien ein „ruhendes Hindernis“. Dies beeinträchtige den Verkehrsfluss erheblich.

Hier habe der Radfahrer allerdings das ruhende Hindernis schon von Weitem erkennen können. Daher hätte er diesem mit einem ausreichenden Seitenabstand ausweichen müssen. Hält er diesen Abstand nicht ein und stürzt, sei der Sturz nicht auf die in dem Hindernis liegende Gefahr, sondern ganz überwiegend auf seine eigene grob fahrlässige Fahrweise zurückzuführen. Denn der Radfahrer habe den Mülltonnen weiträumig ausweichen können. Er habe sich jedoch bewusst dazu entschieden, an diesen so knapp vorbeizufahren, dass es zu einem Sturz kommen konnte. Dieses Mitverschulden schließe alle seine etwaigen Ansprüche aus.

Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 24.9.2021, 4 O 25/21, PM vom 26.10.2021


Verkehrssicherungspflicht:

Schadenersatz nach Steinschlag infolge Mäharbeiten neben einem Linienbus

| Sollen in einem Abstand von nur 2 bis 3 Metern zu einem parkenden Linienbus Mäharbeiten durchgeführt werden, müssen Vorkehrungen getroffen werden, dass Personen und fremde Sachen nicht beschädigt werden. Da der anwesende Busfahrer nicht über die Absicht der Mäharbeiten informiert worden war, hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main der Inhaberin eines durch Steinschlag beschädigten Busses Schadenersatz zugesprochen. |

Die Klägerin betreibt ein Busunternehmen und setzt ihre Linienbusse im öffentlichen Nahverkehr unter anderem in Frankfurt ein. Im April 2019 hatte ein Fahrer einen Linienbus an der U-Bahn-Station Kalbach abgestellt. Parallel zum Halteplatz führte ein Mitarbeiter der Beklagten Mäharbeiten mit einem Aufsitzmäher durch. Es kam zu einem Einschlag in der hinteren linken Scheibe des Busses mit Sachschäden.

Die Klägerin meint, die Beklagte habe bei der Ausführung der Mäharbeiten ihre Verkehrssicherungspflicht nicht beachtet. Die zu mähende Fläche hätte zuvor nach Steinen abgesucht werden müssen. Es hätte auch ein Rasenmäher mit einem Rund-um-Schutz eingesetzt werden können; alternativ hätten mobile Schutzwände aufgestellt werden können. Sie verlangt u. a. Erstattung der Reparaturkosten für vier Reparaturtage.

Das Landgericht (LG) hatte die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem OLG überwiegend Erfolg. Es stehe fest, so das OLG, dass der Bus der Klägerin durch einen von dem Rasenmäher der Beklagten herausgeschleuderten Stein beschädigt wurde. Die Beklagte habe bei den Arbeiten die ihr obliegenden Verkehrssicherungspflichten verletzt. „Derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft, ist verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern“, begründet das OLG. Es könne und müsse zwar keine absolute Sicherheit gewährleistet werden. Ergriffen werden müssten aber solche zumutbaren Sicherungsmaßnahmen, „die ein verständiger und umsichtiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren“.

Bei Mäharbeiten der vorliegenden Art seien deshalb die notwendigen Sicherungsvorkehrungen und -maßnahmen zu treffen, um Schäden durch hochgeschleuderte Steine zu vermeiden.

Das Fahrzeug sei hier im Abstand von nur 2 bis 3 Metern an dem auf dem Warteplatz stehenden Bus vorbeigefahren. Dem Mitarbeiter der Beklagten sei es zumutbar gewesen, angesichts des sehr überschaubaren Bereiches den dort anwesenden Busfahrer kurz darauf hinzuweisen, dass er beabsichtige, in einem geringen räumlichen Abstand zu dem parkenden Bus zu mähen. Der Busfahrer hätte dann entscheiden können, ob er das Risiko eines Steinschlags hinnehme oder aber den Bus vorübergehend an einer anderen Stelle abstelle. Ob weitere Sicherungsmaßnahmen wirtschaftlich und zumutbar gewesen wären, müsse damit nicht geklärt werden.

Der Mitarbeiter der Beklagten habe auch fahrlässig gehandelt. Er habe erkennen können, dass er den Bus durch eine Information seines Fahrers vor Steinschlag hätte schützen können.

Quelle | OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 31.8.2021, 26 U 4/21, PM 62

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