Verkehrsrecht Info - 01.2024

2.01.2024
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Schadenersatz:

Reparaturverzögerungen gehen zulasten des Schädigers

| Auch Reparaturverzögerungen führen in Verkehrssachen oft zu Rechtsstreitigkeiten. In einem aktuellen Fall hat das Amtsgericht (AG) Wesel festgestellt: Das Risiko einer Verzögerung der Reparatur aufseiten der Werkstatt trägt der Schädiger. |

In dem Rechtsstreit bestritt der Versicherer, dass eine Werkstattüberlastung die Ursache der Verzögerung war, die der Geschädigte nicht erkennen konnte. Dennoch sah das AG geschädigtenfreundlich keine Veranlassung, die Ursache näher aufzuklären. Denn es war der Ansicht: Dauert die Reparatur so lange, wie sie gedauert hat, kommt es so lange nicht darauf an, warum dies so war, wie der Geschädigte darauf keinen Einfluss hat. Sogar eine vom Versicherer behauptete Verzögerung wegen einer Fehlleistung der Werkstatt ginge nicht zulasten des Geschädigten.

Quelle | AG Wesel, Urteil vom 10.11.2023, 4 C 186/22, Abruf-Nr. 238383 unter www.iww.de


Parksituation:

Schild fällt auf Auto: trotzdem kein Schadenersatz?

| Ein mobiles Verkehrsschild kracht auf ein Auto. Wenn das Schild sicher aufgestellt war, gibt es keinen Schadenersatz, sagt das Landgericht (LG) Lübeck. |

Jeder kennt die Situation: Man stellt seinen Pkw auch schon einmal länger in einer Straße ab so auch eine Autofahrerin in Lübeck. Ihr Pech: Es gab einen Sturm und ein Schild fiel auf ihr Auto. Wenige Tage zuvor hatte ein Straßenbauunternehmen ein mobiles Verkehrsschild auf dem Gehweg aufgestellt. Der stürmische Wind blies mit Windstärke 8. Das Schild fiel dadurch auf das Auto und beschädigte es. Die Fahrerin war nicht vor Ort.

Das LG musste die Frage klären: Muss die Stadt oder das Straßenbauunternehmen für den Schaden am Fahrzeug aufkommen? Die Fahrerin meinte, das Verkehrsschild sei durch kräftigen Wind auf die Motorhaube gefallen. Das Straßenbauunternehmen habe es offensichtlich nicht ausreichend gesichert. Die Stadt hätte täglich oder zumindest alle zwei Tage überprüfen müssen, ob das Schild stabil steht.

Das Gericht befragte Zeugen, holte ein Gutachten eines Sachverständigen ein und kam zu dem Ergebnis: Weder die Stadt noch das Straßenbauunternehmen müssen Schadenersatz zahlen.

Das Gericht erkannte keine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht. Der Sachverständige habe überzeugend erklärt, dass das Verkehrsschild durch mehrere Fußplatten ausreichend gesichert war und auch kräftigem Wind mit Windstärke 8 standhalten konnte. Der Zeuge habe glaubwürdig berichtet, dass es in der Straße häufig Vandalismus und abgetretene Briefkästen gebe. Das Verkehrsschild habe auch nicht fest im Boden verankert oder angekettet werden müssen. Eine tägliche Kontrolle sei nicht erforderlich gewesen. Die wöchentliche Kontrolle während der Feiertage habe ausgereicht.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle | LG Lübeck, Urteil vom 28.6.2023, 9 O 40/22, PM vom 17.8.2023


Schadenersatz:

Wie lange gibt es Neuwertentschädigung für verunfalltes Motorrad?

| Neuwertentschädigungsfälle auf der Grundlage „Nicht älter als ein Monat, nicht mehr als 1.000 km Laufleistung und erheblicher Schaden“ sind selten. Noch seltener sind sie bei einem Motorrad. Nun hat das Amtsgericht (AG) Leipzig in einem solchen Fall die begehrte Neuwertentschädigung zugesprochen. |

Das war geschehen

Ein Motorrad, das zum Unfallzeitpunkt vier Tage alt war und 128 km Laufleistung aufwies, hatte einen Verkehrsunfall. Ein Pkw war aufgefahren. Unter anderem waren das Hinterrad und die Hinterradschwinge beschädigt. Die Reparaturkosten beliefen sich auf etwa die Hälfte des Neupreises. Der Versicherer vertrat die Auffassung, es liege kein erheblicher Schaden vor.

So argumentierte das Gericht

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte einmal entschieden, dass ein erheblicher Schaden gegeben ist, wenn dieser nicht nur „Schraubteile“ betrifft, sondern in die Substanz des Fahrzeugs eingreift. Außerdem muss das Neufahrzeug bereits erworben sein.

Bei Motorrädern ist insoweit problematisch, dass mit Ausnahme des Rahmens als solchem alle Teile an- und abgeschraubt werden können. Das gilt sogar für Hilfsrahmen und auch für die Hinterradschwinge, die das Hinterrad führt und Federbewegungen zulässt. Die Hinterradschwinge ist hochgradig sicherheitsrelevant, aber eben ein Schraubteil. Daran lässt sich leicht erkennen, dass die Kriterien für den Pkw schlecht auf Motorräder zu übertragen sind.

Der Auffassung, ein Schaden in Höhe eines halben Neupreises bei Einbeziehung sicherheitsrelevanter Teile sei nicht erheblich, widersprach das AG Leipzig. Es orientierte sich letztlich an den Reparaturkosten. Dem werden manche Gerichte nicht folgen. In anderen Fällen ist es aber gut, die Entscheidung zu kennen.

Quelle | AG Leipzig, Urteil vom 5.4.2023, 103 C 2950/22, Abruf-Nr. 235214 unter www.iww.de


Nutzungsausfall:

Fahrschule darf typgleichen Mietwagen nehmen

| Fällt ein Fahrschulwagen unfallbedingt aus, darf die Fahrschule einen typgleichen Ersatzwagen anmieten. Es ist nicht zumutbar, auf ein anderes Modell auszuweichen. So sieht es das Amtsgericht (AG) München. |

Das AG: Es sei amtsbekannt, dass es für Fahranfänger außerordentlich wichtig ist, ihre Fahrstunden und Prüfungsstunden in dem gewohnten Fahrzeugmodell zu absolvieren.

Fahrschulwagen, vor allem typgleiche, seien nur bei sehr wenigen Spezialanbietern zu finden. Die hohen Zustell- und Abholkosten vom räumlich entfernten Vermieter hat das Gericht daher ebenfalls „durchgewunken“.

Quelle | AG München, Urteil vom 9.8.2023, 322 C 13019/22, Abruf-Nr. 237304 unter www.iww.de


Schadenersatz:

Mietwagenkosten bei Homeoffice mit Rufbereitschaft

| Wenn der Geschädigte in ländlicher Gegend ohne ausgeprägten öffentlichen Nahverkehr lebt und im Homeoffice, aber mit Rufbereitschaft arbeitet, ist auch ein Kilometerverbrauch von durchschnittlich 12,5 Kilometern pro Tag ausreichend, um die Mietwagenkosten als erforderlich anzusehen. So sieht es das Amtsgericht (AG) Nördlingen. |

Bei einer Mietwagennutzung von unter 20 km/Tag greift die Erforderlichkeitsvermutung nicht. Das bedeutet: Der Geschädigte muss Gründe vortragen und ggf. beweisen, warum der Mietwagen dennoch für ihn notwendig war. Rufbereitschaft, also die zunächst ungewisse, aber später im Bedarfsfall dringende Fahrzeugnutzung, hatte ein anderes AG zuvor bereits für einen Feuerwehrmann anerkannt.

Quelle | AG Nördlingen, Urteil vom 21.7.2023, 1 C 129/23, Abruf-Nr. 236458 unterwww.iww.de


Pkw-Kollision: Haftung:

Unfall mit einem verkehrswidrig wendenden Auto

| Ein Autofahrer darf sich nicht darauf verlassen, dass ein verkehrswidrig auf seiner Fahrbahn zwecks Wenden querstehendes Fahrzeug rechtzeitig weiterfährt, sondern muss eine Kollision ggf. durch vollständiges Anhalten seines Fahrzeugs verhindern. So sieht es das Landgericht (LG) Hanau. |

Den Fahrer eines Fahrzeugs, der in ein anderes Fahrzeug, das auf seiner Fahrbahn vor ihm verkehrswidrig wendet, hineinfährt, obwohl er die Kollision durch vollständiges Abbremsen hätte verhindern können, trifft danach ein 50%iges Mitverschulden an dem Unfall.

Ein Autofahrer beabsichtigte, mit seinem Fahrzeug verkehrswidrig auf der Straße zu wenden. Zu diesem Zweck schlug er zum Wenden ein, musste jedoch auf seiner Fahrspur halten, da sich auf der Gegenfahrbahn noch Gegenverkehr befand. Der zweite Autofahrer näherte sich dem ersten Fahrzeug auf derselben Fahrbahn. Nachdem er das vor ihm quer stehende Fahrzeug bemerkte, hupte er und verlangsamte seine Geschwindigkeit, fuhr jedoch sodann in das erste Fahrzeug hinein. Obwohl der Fahrer des ersten Fahrzeugs dem des zweiten Fahrzeugs die Hälfte des ihm entstandenen Schadens ersetzt hatte, machte der auch die übrigen Schadenskosten geltend, da er der Ansicht war, dass der Verkehrsunfall ausschließlich von dem Fahrer des ersten Fahrzeugs aufgrund seines verkehrswidrigen Wendemanövers verursacht worden sei.

Das LG folgte dieser Ansicht jedoch nicht, sondern hielt beide Verkehrsteilnehmer zu gleichen Teilen für den Verkehrsunfall für mitverantwortlich. Zwar sei dem Fahrer des ersten Fahrzeugs zunächst vorzuhalten, dass er verkehrswidrig auf der Straße gewendet und zudem quer auf der Fahrbahn zum Stehen gekommen sei. Demgegenüber sei dem anderen Autofahrer ein im Ergebnis gleich hohes Fehlverhalten vorzuwerfen. Denn dieser hätte nicht darauf vertrauen dürfen, dass der erste Fahrer sein Fahrzeug von der Fahrbahn entfernt, bevor er die Stelle passiert. Obwohl er tatsächlich rechtzeitig abbremsen konnte, habe er lediglich seine Geschwindigkeit verringert und sei somit ohne zwingenden Grund in das Beklagtenfahrzeug hineingefahren. Das stelle einen Verstoß gegen das allgemeine verkehrsrechtliche Rücksichtnahmegebot dar.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle | LG Hanau, Hinweisbeschluss vom 13.6.2023, 2 S 62/22, PM vom 4.9.2023

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