Verkehrsrecht Info - 05.2023

2.05.2023
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Geldstrafe:

Rettungsgassen müssen sofort gebildet werden

| Wenn auf der Autobahn der Verkehr zum Stillstand kommt, muss man eine Rettungsgasse bilden. Diese einfache, aber möglicherweise lebensrettende Methode, um Rettungsfahrzeugen ungehindert Zugang zu einer Unfallstelle zu gewährleisten, ist mittlerweile allgemein bekannt. Aber ab wann muss eine solche Rettungsgasse gebildet werden? Hierzu hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg jetzt entschieden. |

Ein Autofahrer war auf der Autobahn A 1 Richtung Osnabrück unterwegs. Der Verkehr auf der dreispurigen Autobahn war ins Stocken geraten und teilweise zum Erliegen gekommen. Viele Fahrzeuge hatten bereits eine Rettungsgasse gebildet. Der Mann befuhr dagegen die mittlere Spur eher linksseitig, während die anderen Fahrzeuge sich möglichst rechts auf der Mittelspur hielten.

Das Amtsgericht (AG) verurteilte den Mann zu einer Geldbuße in Höhe von 230 Euro. Das OLG hat diese Entscheidung bestätigt: Eine Rettungsgasse muss gebildet werden, sobald Fahrzeuge mit Schrittgeschwindigkeit führen oder zum Stillstand kämen. Schrittgeschwindigkeit oder Stillstand müssen nicht erst über eine gewisse Zeit andauern. Die Rettungsgasse muss vielmehr sofort gebildet werden. Einem Autofahrer steht auch keine Überlegungsfrist zu. Eine solche ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Dies gilt umso mehr, wenn ein Fahrer, wie im vorliegenden Fall und wie wohl meistens, wegen des Stop-and-Go-Verkehrs mit längeren Stillstandphasen habe rechnen müssen.

Der Mann muss jetzt die Geldbuße zahlen und die Verfahrenskosten tragen. Ein Fahrverbot hat das AG nicht verhängt, weil es zu keiner konkreten Behinderung eines Rettungsfahrzeugs gekommen war.

Quelle | OLG Oldenburg, Beschluss vom 20.9.2022, 2 Ss(Owi) 137/22, PM vom 28.10.2022


Schadenersatz:

Miettaxikosten bei unfallbeschädigtem Taxi

| Der Eigentümer eines gewerblich genutzten Fahrzeugs ist bei dessen Beschädigung nicht von vornherein auf die Geltendmachung seines entgangenen Gewinns zu verweisen, sondern kann grundsätzlich stattdessen die höheren Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs verlangen. Die Grenze der Ersatzfähigkeit ist bei einem beschädigten Taxi erst überschritten, wenn die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist. Darauf hat jetzt das Landgericht (LG) Stade hingewiesen. |

Diese Grenze der Unverhältnismäßigkeit werde nicht allein durch den entgangenen Gewinn des Unternehmers bestimmt. Ebenso seien auch dessen sonstige schutzwürdige Belange zu berücksichtigen, z. B. den guten Ruf seines Betriebs nicht zu gefährden und mit vollem Wagenpark disponieren zu können. Eine „Regelgrenze“ (von z. B. 200 Prozent Mietwagenkosten gegenüber entgangenem Gewinn) gebe es nicht. Miettaxikosten von 180 Euro pro Tag sprengen den Rahmen nicht, wenn diese Maßstäbe angelegt werden.

Quelle | LG Stade, Beschluss vom 26.10.2022, 4 S 30/22, Abruf-Nr. 233003 unter www.iww.de


Unfallschaden:

Probefahrt- und Verbringungskosten als Reparaturkosten

| Berechnet die Werkstatt nach einer Unfallschadenreparatur mit Probefahrt-Notwendigkeit den Aufwand der Probefahrt, argumentieren Versicherer oft, diese dürfe nicht berechnet werden. Dem ist das Amtsgericht (AG) Hameln jetzt entgegengetreten. |

Das AG: Ist eine Tür erneuert worden, wobei sämtliche Anbauteile der beschädigten Tür an der neuen Tür montiert wurden, und die Tür dann eingebaut und eingestellt wird, ist die Probefahrt zum Aufspüren eventueller Klapper- und Windgeräusche notwendig. Im Übrigen darf die Probefahrt auch berechnet werden, weil sie Teil der notwendigen Arbeiten und damit Bestandteil der Reparatur ist.

Außerdem hatte das AG einen Sachverständigen beauftragt, die üblichen sog. Verbringungskosten zu ermitteln. Dabei handelt es sich um Transportkosten, die bei der Werkstatt entstehen, wenn das beschädigte Fahrzeug für bestimmte Arbeiten in einen Lackiererei- oder Karosseriebetrieb verbracht wird. Das Ergebnis: In der Region seien zwischen 130 und 150 Euro üblich. Damit liegt dem AG nun ein entsprechendes Gutachten vor, das die diese Position deutlich kürzenden Versicherer ärgern, Geschädigte aber freuen dürfte.

Quelle | AG Hameln, Urteil vom 22.3.2022, 35 C 97/21, Abruf-Nr. 233105 unter www.iww.de


Beweismittel:

Polizei darf Halter nicht ohne Belehrung befragen

| Kleine formale Fehler können eine große Wirkung haben. Das wurde nun wieder einmal durch eine Entscheidung des Landgerichts (LG) Nürnberg-Fürth bestätigt. Im Kern ging es darum, ob bei einer nicht genügenden Belehrung ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der vom Betroffenen/Beschuldigten gemachten Angaben besteht vor allem, wenn der Halter eines Kraftfahrzeugs befragt wird. |

Das LG: Der Halter eines Kraftfahrzeugs ist vor einer polizeilichen Befragung zur Fahrereigenschaft im Rahmen von Unfallfluchtermittlungen als Beschuldigter zu belehren, soweit seine Fahrereigenschaft nicht aufgrund anderer Erkenntnisse ausgeschlossen ist. In diesen Fällen ist es regelmäßig ermessensfehlerhaft, eine sogenannte „informatorische Befragung“ durchzuführen.

Das LG stellte darüber hinaus fest, dass Erkenntnisse aus einer polizeilichen Befragung des Halters ohne vorherige Beschuldigtenvernehmung in diesem Fall unverwertbar sind.

Quelle | LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 28.6.2022, 5 Qs 40/22, Abruf-Nr. 230217 unter www.iww.de


Verkehrsverstoß:

Wenn der Beifahrer eine „Blitzer-App“ nutzt …

| Nutzt der Beifahrer auf seinem Handy eine „Blitzer-App“, kann dies zu einem Bußgeld führen und zwar für den Fahrer. Das hat nun das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe entschieden. |

Ein Mann fuhr mit seinem Pkw zu schnell. Die Polizei hielt ihn an. Auf dem Handy seiner Beifahrerin fand die Polizei eine aktive „Blitzer-App“. Der Fahrer behauptete vor dem Amtsgericht (AG), dass diese nicht auf seinem Handy installiert oder aktiviert war. Trotzdem erhielt er eine Geldbuße von 100 Euro. Denn er habe bei der Kontrolle durch die Polizei das Handy weggeschoben. Das deute darauf hin, dass er die verbotene App während der Fahrt genutzt habe.

Seine Beschwerde wies das OLG Karlsruhe zurück. Es stellte klar: Der Fahrer verstößt nicht nur gegen das Verbot, eine „Blitzer-App“ zu nutzen, wenn sich diese auf seinem Handy befindet. Ebenfalls mit einem Bußgeld belegt ist es, wenn der Fahrer die App nutzt, die auf einem Beifahrerhandy installiert und aktiviert ist. Das im Gesetz vorausgesetzte „verwenden“ setzt keine eigene Tätigkeit des Fahrers voraus, so das OLG. Es genügt, wenn er sich verbotene Funktionen (passiv) zunutze macht.

Quelle | OLG Karlsruhe, Urteil vom 7.2.2023, 2 ORbs 35 Ss9/23


Keine Rechtsgrundlage:

Stadt Düsseldorf darf „Auto-Posen“ nicht verbieten

| Das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf hat nun klargestellt: Die Stadt Düsseldorf darf „Auto-Posen“, also Imponiergehabe mit meist Pkw, in ihrem Stadtgebiet nicht verbieten. Damit sind auch Zwangsgelder ausgeschlossen, um ein solches Verbot durchzusetzen. |

Geklagt hatte ein 22-jährger Autofahrer. Die Stadt hatte ihm vorgeworfen, mit einem hochmotorisierten Mercedes AMG C63 mit laut heulendem Motor an einer Ampel losgefahren zu sein, um die Aufmerksamkeit der Passanten auf sich zu ziehen. Sie verbot ihm dieses „Auto-Posen“ im ganzen Stadtgebiet für die Dauer von drei Jahren. Für weiteres „Posen“ drohte sie ihm ein Zwangsgeld von 5.000 Euro an. Das VG hat das Verbot aufgehoben.

Das VG: Für ein derartiges Vorgehen gegen „Auto-Poser“ steht der Stadt nach derzeit geltendem Recht keine Rechtsgrundlage zur Verfügung. Es können für das Stadtgebiet keine eigenen Verkehrsverbote nach NRW-Landesrecht erlassen werden. Der Straßenverkehr in Deutschland ist abschließend durch Bundesrecht geregelt, u.a. durch das Straßenverkehrsgesetz (StVG), die Straßenverkehrsordnung (StVO) und die Fahrerlaubnisverordnung (FeV). Demnach kann das „Auto-Posen“, das gegen § 30 Abs. 1 StVO verstößt, derzeit lediglich mit einem Bußgeld von 80 bis 100 Euro geahndet werden. Auch unter dem Gesichtspunkt der Abwehr künftiger Gefahren werden für das „Auto-Posen“ derzeit nach Bundesrecht keine Punkte beim Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg eingetragen.

Das Fazit des Gerichts: Da das Bundesrecht bislang das „Auto-Posen“ nicht als besonders schwerwiegende Gefahr für die Verkehrssicherheit einschätzt und deshalb hierfür keine Punkte vorsieht, kann die örtliche Ordnungsbehörde keine strengeren Maßstäbe anlegen und eigenständig Zwangsgelder oder Verkehrsverbote aussprechen.

Quelle | VG Düsseldorf, Urteil vom 1.9.2022, 6 K 4721/21

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