Verkehrsrecht Info - 08.2017

30.07.2017
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Aktuelle Gesetzgebung:

Höhere Bußgelder für Rettungsgassen-Blockierer

| Der Bundesrat setzt sich dafür ein, Behinderungen der Rettungskräfte bei Verkehrsunfällen zu vermeiden. In einer einstimmig gefassten Entschließung spricht er sich dafür aus, die Geldbußen für das Nichtbilden einer Rettungsgasse deutlich zu erhöhen sowie Fahrverbote vorzusehen. Das Mindestmaß im Bußgeldkatalog solle bei 200 EUR liegen. Dieser Bußgeldrahmen orientiert sich an den Sanktionen für Rotlichtverstöße im Straßenverkehr. |

1. Nicht nur Vorsatz, sondern auch Fahrlässigkeit kann tödlich sein

Die Länder verweisen darauf, dass Unfälle mit Schwerstverletzten und leider auch tödlichen Folgen gerade in jüngster Vergangenheit gezeigt haben, wie wichtig das Bilden von Rettungsgassen ist.

Das vorsätzliche Behindern von Rettungskräften ist zwar seit 30.5.17 ein eigener Straftatbestand. Diese Strafverschärfung, die auf einen Vorschlag des Bundesrats zurückgeht, betrifft allerdings nur absichtliche Verstöße. Aber auch fahrlässiges Verhalten der Verkehrsteilnehmer nach Unfällen gefährde Menschenleben. Daher müssten die Sanktionen auch im Ordnungswidrigkeitsbereich deutlich erhöht werden.

2. Prävention und Aufklärung

Die Länder betonen, dass es weiterer präventiver Maßnahmen zum Bilden von Rettungsgassen bedarf: Neben den Strafen sollten Autofahrerinnen und Autofahrer auch mit bundesweit einheitlichen Beschilderungen und Infotafeln sowie Piktogrammen auf die Bedeutung von Rettungsgassen hingewiesen werden.

3. Neue Fristen für den Führerscheinumtausch

Seine Entschließung fügte der Bundesrat einer Regierungsverordnung zum Umtausch von (Papier)Führerscheinen an, der er mit Maßgaben zustimmte. Sie enthält zahlreiche weitere Änderungen im Verkehrsbereich, unter anderem im Bereich des Fahrlehrerrechts, der Berufskraftfahrer-Qualifikation und der Gebührenordnung.

4. Rasches Handeln angekündigt

Die Entschließung wird nun der Bundesregierung zugeleitet, die sich in den nächsten Wochen mit dem Appell befassen wird. In der Plenarsitzung kündigte der Vertreter des Bundesverkehrsministeriums bereits an, dass die Bundesregierung an einer deutlichen Erhöhung des Bußgeldkatalogs arbeite. Der Bundesrat könnte sich voraussichtlich bereits am 22.9.2017 mit einem neuen Verordnungsentwurf dazu befassen.

Quelle | Plenarsitzung des Bundesrats am 7.7.17


Verkehrssicherungspflicht:

Wer im Parkhaus einparkt, muss unübersichtliche Bereiche vorher genau anschauen

| Wer rückwärts in eine Parklücke einfährt und dort ein Hindernis erkennt, muss zunächst aussteigen und den hinter ihm liegenden unübersichtlichen Bereich in Augenschein nehmen. Er muss sein Fahrverhalten dann diesen Gegebenheiten anpassen. Gegebenenfalls muss er vorwärts einparken. |

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Amtsgericht München. Geklagt hatte ein Autofahrer, der mit seinem BMW in einer Tiefgarage rückwärts einparken wollte. Dabei übersah er einen mit roter Farbe lackierten Schutzbügel, der um ein Regenfallrohr an der Wand des Parkhauses angebracht war und der über den Bodensockel hinausstand. Es entstand ein Schaden an dem Fahrzeug in Höhe von 1.336 EUR. Diesen Betrag verlangte er von der Hausverwaltung des Parkhauses ersetzt. Er ist der Meinung, dass die Hausverwaltung gegen ihre Verkehrssicherungspflicht verstoßen habe, da die Gefahrenstelle nicht mit gelb-schwarzen Streifen gekennzeichnet gewesen sei. Die Hausverwaltung wies die Forderung zurück. Der Mann verklagte daraufhin den Parkhausbetreiber und dessen Hausverwaltung.

Die zuständige Richterin wies die Klage ab. Der Autofahrer muss seinen Schaden selbst tragen. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass ein Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht wegen des Schutzbügels vor dem Regenrohr nicht vorliege.

„Ein Fahrzeugführer, der sein Fahrzeug rückwärts einparkt, muss besondere Vorsicht walten lassen. Er hat sich beim Abbiegen in ein Grundstück, beim Wenden und beim Rückwärtsfahren so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist und sich erforderlichenfalls einweisen zu lassen. Dies bedeutet, dass der Autofahrer nur mit äußerster Sorgfalt hätte in die Parklücke einfahren dürfen. Er hätte sich daher zunächst durch Aussteigen und Inaugenscheinnahme von der Beschaffenheit des hinter ihm liegenden unübersichtlichen Bereichs vergewissern und sein Fahrverhalten den dem bereits erkannten Hindernis – dem Fallrohr nebst Schutzbügel – anpassen müssen. Gegebenenfalls hätte er vorwärts einparken müssen“, so das Urteil.

Der Kläger sei wegen des Sichtfahrgebots gehalten gewesen, sich vor dem Einparken mit den Örtlichkeiten genau auseinanderzusetzen. Schlechte Lichtverhältnisse müssten für einen Kraftfahrer stets ein Signal sein, damit zu rechnen, dass er vorhandene Hindernisse nicht oder nur unzureichend erkennt. Dies müsste ihn daher veranlassen, besonders vorsichtig und strikt auf Sicht zu fahren.

Quelle | Amtsgericht München, Urteil vom 19.9.2016, 122 C 5010/16, Abruf-Nr. 195150 unter www.iww.de.


Unfallschaden:

Versicherer muss kompletten Scheinwerfer ersetzen, wenn es im Gutachten steht

| Hat der Sachverständige im Schadengutachten vorgesehen, dass der Scheinwerfer, dessen Aufhängungslaschen abgerissen sind, erneuert wird und hat der Geschädigte der Werkstatt den Auftrag gegeben, die Reparatur des Unfallschadens so auszuführen, wie vom Gutachter vorgesehen, muss der Versicherer die Kosten für den kompletten Scheinwerfer erstatten, und nicht nur für den Reparatursatz. |

So sieht es das Amtsgericht Regensburg. Das Gericht verweist darauf, dass sich der Geschädigte auf das Schadengutachten verlassen dürfe. Daher komme es nicht auf die Frage an, ob es auch anders gegangen wäre.

Ebenso entschied es das Landgericht Düsseldorf. Es hat zur Frage Scheinwerfer versus Reparatursatz bei einer fiktiven Abrechnung – sachverständig beraten – entschieden: Bekäme der Geschädigte nur die Reparaturlaschen, hätte er zwar einen voll funktionsfähigen Scheinwerfer. Doch bei einem späteren eventuell selbst zu zahlenden Schaden hätte er dann keine Chance mehr, einen Reparatursatz einzusetzen. Diesen Nachteil muss er nicht auf sich nehmen.

Quelle | Amtsgericht Regensburg, Urteil vom 9.5.2017, 3 C 2992/16, Abruf-Nr. 193777 unter www.iww.de; LG Düsseldorf, Urteil vom 13.01.2017, 22 S 157/16, Abruf-Nr. 191300 unter www.iww.de.


Gefährdung anderer:

Wer geblendet ist, ist nicht gleichzeitig auch entschuldigt

| Wer von einem anderen Fahrzeug geblendet wird, muss seine Fahrweise entsprechend anpassen. |

Das musste sich ein Autofahrer vor dem Amtsgericht Dortmund sagen lassen, der einen Verkehrsunfall verursacht hatte. Er hatte sich damit verteidigt, dass er durch das Abblendlicht eines am Fahrbahnrand parkenden Fahrzeugs geblendet worden sei.

Damit hatte er beim Amtsgericht keinen Erfolg. Der Richter wies ihn darauf hin, dass er durch die Blendung nicht entschuldigt sei. Das mit Abblendlicht am Fahrbahnrand parkende Fahrzeug sei bereits weit vorher erkennbar gewesen. Der Unfall hätte ohne Weiteres vermieden werden können. Die Blendung habe keine Auswirkungen auf einen Fahrlässigkeitsvorwurf. Ein Fahrzeugführer müsse seine Fahrweise an derartige Umstände anpassen und notfalls gar anhalten. Keinesfalls dürfe der Fahrzeugführer ohne jede Sicht ins Blaue hineinfahren in der Hoffnung, es werde „hinter dem Licht“ schon nichts passieren.

Quelle | Amtsgericht Dortmund, Urteil vom 28.2.2017, 729 OWi-250 Js 147/17-49/17, Abruf-Nr. 193564 unter www.iww.de.


Handy am Steuer:

Auch Handys ohne SIM-Karte fallen unter das Handyverbot

| Wer während der Fahrt mit seinem PKW sein Mobiltelefon in den Händen hält und Musik abspielen lässt, verstößt auch dann gegen die einschlägige Verbotsvorschrift der Straßenverkehrsordnung (StVO), wenn in das Mobiltelefon keine SIM-Karte eingelegt ist. Dies ist eine obergerichtlich bereits geklärte Rechtsfrage. |

Unter Hinweis hierauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen ein Urteil des Amtsgerichts Olpe nicht zugelassen. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Betroffene aus Olpe im September 2016 die Koblenzer Straße in Gerlingen. Dabei hielt er sein iPhone in den Händen. In das Gerät war keine SIM-Karte eingelegt. Der Betroffene benutzte das Gerät um Musik abzuspielen. Das Amtsgericht sprach ihn vom Vorwurf der verbotswidrigen Nutzung eines Mobiltelefons (Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO) frei. Dabei vertrat es die Rechtsauffassung, dass ein Mobiltelefon ohne SIM-Karte von der Verbotsnorm nicht erfasst werde, weil es in diesem Zustand keine Telekommunikationsfunktionen wahrnehmen könne.

Der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das amtsgerichtliche Urteil ist erfolglos geblieben. Die Richter am OLG konnten die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht feststellen. Die vom Amtsgericht entschiedene Rechtsfrage ist bereits höchstrichterlich geklärt. Die Rechtsbeschwerde ist nicht bereits dann zuzulassen, wenn in einem Einzelfall ein Amtsgericht von der obergerichtlichen Rechtsprechung abweicht.

In der Sache selbst weist das OLG allerdings darauf hin, dass obergerichtlich bereits hinreichend geklärt sei, dass die Verbotsvorschrift des § 23 Abs. 1a StVO auch auf ein Mobiltelefon ohne eingelegte SIM-Karte anzuwenden sei. So habe das OLG selbst (1.2.12, 5 RBs 4/12) bereits ausdrücklich ausgeführt, dass es auf die Frage, ob bei der Tatbegehung eine SIM-Karte in das Mobiltelefon eingelegt sei, nicht ankomme, wenn eine Funktion des Mobiltelefons während des Führens eines Fahrzeugs genutzt werde. Entsprechend habe auch das OLG Jena entschieden. Seiner Entscheidung (31.5.06, 1 Ss 82/06) habe ein Sachverhalt zugrunde gelegen, in dem sich die SIM-Karte während der Benutzung eines Mobiltelefons als Diktiergerät nicht in dem Telefon befunden habe. Schließlich habe das OLG Hamm einen Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO in einem Fall angenommen (23.1.07, 2 Ss OWi 25/07), in dem die Telefonkarte hin- und hergeschoben worden sei, um ein Autotelefon funktionstüchtig zu machen (dieses also zum Zeitpunkt der Tat auch noch nicht funktionstüchtig gewesen sei).

Dass ein Mobiltelefon auch ohne SIM-Karte der Verbotsnorm des § 23 Abs. 1a StVO unterfallen könne, beruhe darauf, so der Senat, dass die Vorschrift während der Fahrt nicht nur die Benutzung eines in den Händen gehaltenen Geräts zum Telefonieren verbiete. Verboten sei vielmehr jegliche Nutzung einer Funktion des Mobiltelefons.

Quelle | OLG Hamm, Beschluss vom 8.6.2017, 4 RBs 214/17, Abruf-Nr. 195151 unter www.iww.de.

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