Verkehrsrecht Info - 09.2021

5.09.2021
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Restwertermittlung:

Örtlicher Markt auch am Unfallort denkbar

| Erleidet das Fahrzeug bei einem Haftpflichtschaden fernab seines üblichen Standorts einen Totalschaden, ist es vernünftig, dass der Geschädigte es dort belässt. Denn die Verwertung kann auch dort stattfinden. In dem Fall darf der Schadengutachter Restwertangebote in der Region des Unfallorts einholen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG Hamm) klargestellt. |

Der Versicherer bemängelte den Restwert dahingehend, dass der Schadengutachter ihn nicht am Heimatort oder Geschäftssitz des Geschädigten ermittelt habe. Damit sei der Restwert falsch, und deshalb könne der Versicherer mit seinem Überangebot durchdringen. Das OLG Hamm sieht das anders: Die Entscheidung des Klägers, die Abwicklung des Schadensfalls in der Region des Unfallorts vorzunehmen, entsprach danach wirtschaftlicher Vernunft, weil er sonst gehalten sein könnte, das verunfallte und nicht mehr fahrtüchtige Fahrzeug auf Kosten der Beklagten an seinen Wohnort oder was hier aufgrund der zumindest teilweisen geschäftlichen Nutzung des Fahrzeugs ebenfalls in Betracht kam zum Sitz seines Vermessungsbüros in einem anderen Bundesland zu überführen. Für die Annahme, dass ein wohnort- oder geschäftssitznaher Händler bereit wäre, das Fahrzeug ohne entsprechende Berücksichtigung der dadurch entstehenden Kosten bei der Kalkulation des Ankaufspreises am Unfallort abzuholen, fehle jede Grundlage, vielmehr liege dies bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise sogar fern.

Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 11.12.2020, 11 U 5/20, Abruf-Nr. 220918 unter www.iww.de


Kfz-Haftpflichtversicherung:

Keine Halterhaftung, wenn mit Fremdfahrzeug das eigene Kfz beschädigt wird

| Wer das eigene Fahrzeug mit einem fremden Fahrzeug beschädigt, muss im Hinblick auf die Abrechnungsmöglichkeit mit dem Haftpflichtversicherer des schädigenden Fahrzeugs vorsichtig sein. Je nach Fall kann die verschuldensunabhängige Halterhaftung aus der sog. Betriebsgefahr ausgeschlossen sein, sodass der Versicherer des Schädigerfahrzeugs nicht eintrittspflichtig ist. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. |

Seine Hilfsbereitschaft wurde einem Autofahrer zum Verhängnis: Der Geschädigte wollte einem anderen Verkehrsteilnehmer helfen, dessen Auto auszuparken, weil der als Rollstuhlfahrer so, wie sein Fahrzeug stand, nicht einsteigen konnte. Dann kam der Geschädigte aber mit der speziellen Bedieneinrichtung nicht zurecht, verlor die Kontrolle und beschädigte sein eigenes, ebenfalls dort geparktes Fahrzeug. Der BGH: Dieser Vorgang fällt unter eine Ausnahmeregelung der Straßenverkehrsordnung, sodass die Halterhaftung nicht greift, weil der Geschädigte selbst beim Betrieb des Schädigerfahrzeugs tätig war.

Ähnlich ist es auch bei Unfällen zu sehen, wenn jemand mit seinem Privat-Pkw vorneweg fährt und dessen Halter mit einem Firmenwagen hinterherfährt oder der Werkstattmitarbeiter ein Kundenfahrzeug fährt und seinen eigenen Pkw beschädigt.

Quelle | BGH, Urteil vom 12.1.2021, VI ZR 662/20, Abruf-Nr. 220344 unter www.iww.de


Reparaturkosten:

Wenn der Pkw zwecks Gutachtenerstellung teilweise zerlegt wird

| Wird ein Fahrzeug teilweise zerlegt, damit das Gutachten erstellt werden kann, sind die dafür entstandenen Kosten vom Schädiger zu tragen. Unerheblich ist, ob er die Teilzerlegung für unnötig hält. Denn auch die Teilzerlegung fällt unter das vom Schädiger zu tragende Werkstatt- bzw. Prognoserisiko. So sieht es das Amtsgericht (AG) Tettnang. |

Der Geschädigte muss allerdings im Gegenzug zur Zahlung des Versicherers ihm gegenüber der Werkstatt evtl. zustehende Ansprüche auf Rückzahlung an den Versicherer abtreten.

Quelle | AG Tettnang, Urteil vom 20.5.2021, 3 C 639/20, Abruf-Nr. 222893 unter www.iww.de


Geschwindigkeitsüberschreitung:

Gleiches Recht für alle: Schneller als die Polizei erlaubt

| Der Verkehrsverstoß eines Polizeibeamten während einer Dienstfahrt außerhalb von Sonderrechten bei dienstlichen Einsätzen ist nicht bloß mit einem Verwarnungsgeld zu ahnden. So hat das Amtsgericht (AG) Landstuhl entschieden. |

Der Betroffene, ein Polizeibeamter, hatte gegenüber einer ihm zur Last gelegten Geschwindigkeitsüberschreitung Folgendes geltend gemacht: Er habe sich mit einem zivilen Dienst-Kfz auf dem Weg zu einem Dienstgeschäft befunden und sei wegen eines Rückstaus in Zeitverzug gewesen. Um das terminierte Dienstgeschäft (jährlicher Pflichtleistungsnachweis (Prüfung) mit der Dienstpistole) zeitgerecht erledigen zu können, sei er mit 119 km/h anstelle der zulässigen 80 km/h gefahren. Die Sicht auf die die Geschwindigkeit beschränkenden Verkehrszeichen sei durch neben ihm fahrende Kraftfahrzeuge (LKW) verwehrt gewesen.

Das AG hat das nicht gelten lassen und ist bei seiner Entscheidung von der Regelgeldbuße ausgegangen, die es wegen vorsätzlicher Begehungsweise verdoppelt hat. Der Polizeibeamte hatte nämlich auch noch während der Fahrt ein Telefonat angenommen.

Quelle | AG Landstuhl, Urteil vom 11.5.2021, 2 OWi 4211 Js 4647/21, Abruf-Nr. 223088 unter www.iww.de


Geschwindigkeitsüberschreitung:

Messgerät LEIVTEC XV3 nicht immer zuverlässig genug

| Nach einer aktuellen Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Celle können Messergebnisse des Geräts LEIVTEC XV3 in Bußgeldverfahren derzeit nicht mehr ohne Weiteres zugrunde gelegt werden. |

Geschwindigkeitsmessungen von Kraftfahrzeugen werden vor Gericht immer wieder als fehlerträchtig angegriffen. Dabei sind die Messgeräte im Zulassungsverfahren einer strengen technischen Prüfung unterworfen. Besteht ein Gerät diese Prüfung, bietet es bei Einhaltung der vorgegebenen Bedienvorschriften i.d.R. die hinreichende Gewähr für die Richtigkeit der erzielten Messergebnisse. Messungen können dann als sog. standardisierte Messverfahren in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren ohne weitere Überprüfungen zugrunde gelegt werden. Gibt es trotz Einhaltung der Bedienvorschriften Anhaltspunkte für Fehlerquellen und unzulässige Messwertabweichungen, setzt die Verurteilung eines vermeintlichen „Temposünders“ voraus, dass das Gericht im Einzelfall feststellen kann, dass solche Messfehler zulasten des Betroffenen ausgeschlossen sind.

Einen solchen Fall musste nun das OLG Celle entscheiden: Ein Autofahrer wurde mit dem Geschwindigkeitsmessgerät LEIVTEC XV3 kontrolliert. Hiernach sollte er die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 37 km/h überschritten haben. Das Amtsgericht (AG) hatte ihn deshalb zu einer Geldbuße von 140 EUR verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hin hob das OLG dieses Urteil auf und verwies das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das AG zurück. Grund: Die für die Bauartprüfung dieses Messgeräts zuständige Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) konnte zwischenzeitlich bei bestimmten Versuchsanordnungen seltene Messfehler reproduzieren, die zulässige Toleranzen überschritten. Da der Abschlussbericht der PTB nicht eindeutig erkennen lässt, unter welchen Messbedingungen sich Messwertabweichungen zu Ungunsten bzw. ausschließlich zugunsten Betroffener auswirken können, sieht der Senat bei diesem Messgerät derzeit keine hinreichende Gewähr mehr für die Annahme eines standardisierten Messverfahrens und für die Zuverlässigkeit der erzielten Messergebnisse.

Folge: Das AG muss deshalb mithilfe eines Sachverständigengutachtens genauer klären, ob in diesem konkreten Einzelfall die ausgewiesene Geschwindigkeitsüberschreitung sicher festzustellen ist.

Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 18.6.2021, 2 Ss (Owi) 69/21


Schadenersatz:

Wertminderung auch bei jungem Kfz mit niedrigem Schaden?

| Ist das unfallbeschädigte Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt erst ca. drei Monate alt, liegt der Wiederbeschaffungswert bei knapp mehr als 30.000 Euro und betragen die Reparaturkosten ca. 3.100 Euro, ist eine Wertminderung anzunehmen. Dies hat das Amtsgericht (AG) Köln jetzt entschieden. |

Der Versicherer wollte wegen des im Verhältnis zum Wiederbeschaffungswert niedrigen Schadens keine Wertminderung erstatten. Der Geschädigte hatte demgegenüber auf Grundlage des Schadengutachtens 350 Euro eingeklagt. Der Gerichtsgutachter hielt 500 Euro für richtig. Daraufhin hatte der Geschädigte die Klage entsprechend erweitert.

Das AG hat die Kernargumente des Gerichtsgutachters übernommen: Da der Pkw bei dem Unfall erst knapp drei Monate alt war und mit rund 2.725 km eine geringe Laufleistung aufweist, konkurriert er auf dem Markt mit Fahrzeugen, die aufgrund ihres Alters in der Regel keine Vorschäden aufweisen. Folge: Bei solchen Fahrzeugen ist ein deutlicher Preisnachlass als Kaufanreiz anzubieten, damit ein Käufer bereit ist, über 30.000 Euro in ein junges Gebrauchtfahrzeug zu investieren und nicht auf ein unbeschädigtes Fahrzeug zurückgreift.

Quelle | AG Köln, Urteil vom 14.5.2021, 269 C 125/20, Abruf-Nr. 222894 unter www.iww.de

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