Haftungsrecht:
Fußgänger haben Vorrang vor Segways
| Auf einem kombinierten Fuß- und Radweg haben Fußgänger gegenüber Elektrokleinstfahrzeugen (hier: Segway) absoluten Vorrang. |
So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz im Fall einer Segway-Fahrerin, die als Teil einer Gruppe von Segway-Fahrern einen kombinierten Geh-/Radweg befahren hatte. Der Beklagte war dort als Fußgänger unterwegs und gerade damit beschäftigt, Fotos zu fertigen. Als er rückwärtsging, stieß er mit der Segway-Fahrerin zusammen. Diese stürzte und verletzte sich dabei erheblich. Sie verlangte Schadenersatz. Das Landgericht wies die Klage bereits mit der Begründung ab, dass die Frau den Unfall verschuldet habe, weil sie auf den Fußgänger nicht hinreichend Rücksicht genommen habe. Damit habe sie ihre Pflichten als Fahrzeugführerin erheblich verletzt. Eine Haftung des Beklagten scheide daher aus.
Das OLG hat diese Entscheidung nun bestätigt. Maßgebend war hierbei, dass nach der Gesetzeslage der Beklagte als Fußgänger auf dem kombinierten Fuß- und Radweg absoluten Vorrang gegenüber der Segway-Fahrerin gehabt habe. Ein Fußgänger müsse deshalb dort nicht fortwährend nach Fahrzeugen Ausschau halten, um ihnen ausweichen zu können. Der Beklagte habe vielmehr darauf vertrauen dürfen, dass die den Weg befahrenden Verkehrsteilnehmer auf ihn Acht geben, also ihre Fahrweise und -geschwindigkeit anpassen, durch Warnsignale rechtzeitig auf sich aufmerksam machen und sicherstellen, dass diese Warnsignale auch rechtzeitig von ihm wahrgenommen und verstanden werden. Hierzu sei, wenn erforderlich, Blickkontakt herzustellen oder auf andere Weise eine Verständigung zu suchen gewesen. Achte oder reagiere ein Fußgänger nicht auf Warnsignale, müsse das Fahrzeug angehalten werden, wenn nur so vermieden werden kann, dass der Fußgänger behindert oder gefährdet wird. Diese erhöhten Sorgfaltspflichten habe die Segway-Fahrerin nicht beachtet. Sie war auch nach ihrem eigenen Vortrag nicht sicher, dass der Beklagte sie wahrgenommen hatte. Sie treffe aufgrund dieses Versäumnisses ein so hohes Verschulden an dem Unfall, dass ein etwaiges Mitverschulden des Beklagten (unachtsames Rückwärtsgehen) zurücktrete.
Quelle | OLG Koblenz, Beschluss vom 16.4.2019, vorgehend Hinweisbeschluss vom 6.3.2019, 12 U 692/18, Abruf-Nr. 211558 unter www.iww.de.
Unfallschadensregulierung:
Entsorgungskosten sind erstattungspflichtig
| Berechnet die Reparaturwerkstatt Entsorgungskosten an den Unfallgeschädigten, muss der eintrittspflichtige Haftpflichtversicherer diese erstatten. |
So entschied es das Amtsgericht Stuttgart. Nach Ansicht des Gerichts sind die Kosten für die Entsorgung nicht mehr verwendbarer Altteile erstattungsfähig. Unabhängig davon, dass die hierfür in Rechnung gestellten Kosten von 20 EUR netto als angemessen erscheinen, ist das Gericht der Ansicht, dass eine Reparaturwerkstatt eventuell anfallende Entsorgungskosten nicht selbst tragen muss. Sie kann die angefallenen Kosten dem Kunden in Rechnung stellen.
Quelle | Amtsgericht Stuttgart, Urteil vom 25.7.2019, 42 C 2435/19, Abruf-Nr. 210496 unter www.iww.de.
Autokauf:
Nach Beseitigung eines Hagelschadens ist ein Fahrzeug nicht mehr fabrikneu
| Die Eigenschaft „fabrikneu“ geht verloren, wenn ein Neuwagen einen Hagelschaden erleidet. Durch eine Instandsetzung kann sie nicht gerettet werden. Das geht aus einem Urteil des höchsten Gerichts in Österreich (OGH) hervor, das aber auch für Deutschland relevant ist. |
Beim Transport hatte der Pkw einen massiven Hagelschaden mit jeweils ca. 150 bis 200 Dellen an Motorhaube und Dach erlitten. Das Autohaus ließ die Dellen herausdrücken und die Dachzierleisten ersetzen (Kosten: 1.080 EUR). Von den Dellen war nichts mehr zu sehen. Eine beschädigte Zierleiste bei einer Tür wurde jedoch nicht getauscht. Der Kunde verweigerte die Abnahme des Fahrzeugs und trat vom Kauf zurück. Das Autohaus hielt den Schaden für eine Bagatelle, die zu keiner Wertminderung geführt habe und klagte auf Schadenersatz.
Die Klage blieb in drei Instanzen erfolglos. Kein „Neufahrzeug“ mehr bzw. nicht mehr „fabrikneu“ lautete auch die Entscheidung des OGH. Der Käufer habe ein Recht gehabt, vom Vertrag zurückzutreten. Er habe vorher keine Nachfrist setzen müssen, nachdem das Autohaus die Lieferung eines Ersatzautos abgelehnt habe.
Quelle | OGH Österreich, Urteil vom 23.10.2018, 4 Ob 183/18t
Schutzhelmpflicht:
Turban statt Sturzhelm – keine Ausnahme bei Sikh
| In einem bis zum BVerwG „getriebenen“ Verfahren hatte ein gläubiger Sikh um eine Ausnahmegenehmigung von der Pflicht zum Tragen eines Schutzhelms beim Motorradfahren gekämpft. Begründung: Die Schutzhelmpflicht verletze ihn als gläubigen Sikh in seiner Religionsfreiheit. Er sei aus religiösen Gründen verpflichtet, einen Turban zu tragen. |
Die Klage hatte beim VG zunächst keinen Erfolg. Der VGH Baden-Württemberg hatte in der Berufung die Verwaltungsbehörde verpflichtet, über den Antrag noch einmal zu entscheiden. Sie habe verkannt, dass eine Ausnahme auch aus religiösen Gründen in Betracht komme. Es bestehe aber keine unmittelbare Pflicht der Behörde, die beantragte Ausnahmegenehmigung zu erteilen. Dagegen richtete sich die Revision des Klägers, mit der er über die Verpflichtung zur erneuten Entscheidung hinaus erreichen wollte, dass ihm eine Ausnahmegenehmigung erteilt wird. Damit hatte er beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) keinen Erfolg.
Das BVerwG sieht zwar in der Pflicht, beim Motorradfahren einen geeigneten Schutzhelm zu tragen, für den Kläger als gläubigen Sikh eine mittelbare Beeinträchtigung seiner Religionsausübungsfreiheit. Er werde hierdurch zwar nicht daran gehindert, seinen Glauben auszuüben. Allerdings müsse er auf das Motorradfahren verzichten, wenn er die von ihm aus religiösen Gründen als verbindlich empfundene Pflicht zum Tragen eines Turbans befolge. Diese Einschränkung sei aber auch mit Blick auf die durch das Grundgesetz geschützte Religionsfreiheit grundsätzlich gerechtfertigt und vom Kläger hinzunehmen. Sie diene nämlich anderen, ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern Dritter. Die Helmpflicht solle nämlich nicht nur den Motorradfahrer selbst, sondern auch die körperliche und psychische Unversehrtheit anderer Unfallbeteiligter und der Rettungskräfte schützen.
Quelle | BVerwG, Urteil vom 4.7.2019, 3 C 24.17, Abruf-Nr. 211487 unter www.iww.de.