Haftungsquote:
Hälftige Haftung bei Unfall auf Baumarkt-Parkplatz
| Auf Fahrgassen eines Parkplatzes, die vorrangig der Parkplatzsuche dienen und nicht dem fließenden Verkehr, gilt nicht die Vorfahrtsregel „rechts vor links“! Die Fahrer sind vielmehr verpflichtet, defensiv zu fahren und die Verständigung mit dem anderen Fahrer zu suchen. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat eine hälftige Haftungsquote für die Unfallfolgen auf einem Parkplatz eines Baumarkts ausgesprochen. |
Das war geschehen
Der Kläger begehrt restlichen Schadenersatz nach einem Verkehrsunfall auf dem Parkplatz eines Baumarkts in Wiesbaden. Der Betreiber hatte die Geltung der StVO angeordnet. Auf die zur Ausfahrt des Parkplatzgeländes führende Fahrgasse münden von rechts mehrere Fahrgassen ein. Der Beklagte befuhr eine dieser von rechts auf die Ausfahrtfahrgasse einmündenden Fahrgassen, an deren beiden Seiten sich im rechten Winkel angeordnete Parkboxen befanden. Auch die zur Ausfahrt führende Fahrgasse verfügt im linken Bereich über Parkboxen. Im Einmündungsbereich der Fahrgassen kam es zum Zusammenstoß mit dem klägerischen Fahrzeug.
Berufungsverhandlung ging nicht wunschgemäß aus
Das Landgericht (LG) hat der Klage auf Basis einer Haftung des Beklagten in Höhe von 25 Prozent stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers führte zu einer Änderung der Haftungsquote auf 50 Prozent. Maßgeblich für die Höhe der Schadenersatzverpflichtung des Beklagten sei, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden sei, betonte das OLG. Die Verursachungsbeiträge der Fahrer der unfallbeteiligten Fahrzeuge seien hier als gleichgewichtig anzusehen und der Schaden zu teilen.
Gegenseitige Rücksichtnahme erwartet
Der Beklagte könne nicht geltend machen, dass sein Vorfahrtsrecht verletzt wurde. Zwar seien die Regeln der Straßenverkehrsordnung auf öffentlich zugänglichen Privatparkplätzen wie hier grundsätzlich anwendbar. Fahrgassen auf Parkplätzen seien jedoch keine dem fließenden Verkehr dienenden Straßen und gewährten deshalb keine Vorfahrt. „Kreuzen sich zwei dem Parkplatzsuchverkehr dienende Fahrgassen eines Parkplatzes…, gilt für die herannahenden Fahrzeugführer das Prinzip der gegenseitigen Rücksichtnahme…, d.h. jeder Fahrzeugführer ist verpflichtet, defensiv zu fahren und die Verständigung mit dem jeweils anderen Fahrzeugführer zu suchen“, unterstreicht das OLG.
Fahrgassen ohne Straßencharakter: kein fließender Verkehr
Etwas anderes gelte nur, wenn die angelegten Fahrspuren eindeutig und unmissverständlich Straßencharakter hätten und sich bereits aus ihrer baulichen Anlage ergebe, dass sie nicht der Suche von freien Parkplätzen dienten, sondern der Zu- und Abfahrt der Fahrzeuge. Für einen solchen Straßencharakter könnten etwa die Breite der Fahrgassen sprechen oder auch bauliche Merkmale einer Straße wie Bürgersteige, Randstreifen oder Gräben. Derartige straßentypische bauliche Merkmale fehlten hier. Die Fahrgassen dienten ersichtlich nicht dem fließenden Verkehr, da an ihnen jeweils Parkboxen angeordnet waren. Da es am Straßencharakter für die vom Klägerfahrzeug befahrene Fahrgasse fehle, habe der Beklagte auch nicht die hohen Sorgfaltsanforderungen beim Einfahren auf eine Fahrbahn gemäß der Straßenverkehrsordnung (§ 10 StVO) erfüllen müssen.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 22.6.2022, 17 U 21/22, PM 59/22
Nach dem TÜV-Besuch:
Wenn die Motorhaube plötzlich hochklappt…
| Was für ein Schreck! Als die beiden Frauen mit dem Auto auf die Stadtautobahn auffuhren, klappte auf einmal die Motorhaube hoch und die Sicht war versperrt. Geistesgegenwärtig konnten die beiden auf den Seitenstreifen fahren. Personenschaden gab es keinen. Aber der Pkw (Renault Clio) hatte einen Totalschaden. Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg sprach Schadenersatz zu. |
Kurz zuvor war der Ehemann der Fahrerin zur Hauptuntersuchung beim Technischen Überwachungsverein (TÜV) gewesen und hatte die orangene Plakette erhalten. Er verklagte das Land Niedersachsen vor dem Landgericht (LG) Oldenburg auf Schadenersatz. Zunächst ohne Erfolg. Das LG wies die Klage ab und argumentierte, ein Verschulden des TÜV-Prüfers stehe nicht fest. Der Prüfer hatte vor Gericht ausgesagt, er kontrolliere nach der Prüfung des Motors stets standardmäßig, dass die Motorhaube wieder ordnungsgemäß einraste. Warum sie letztlich hochgeklappt sei, könne nicht mehr festgestellt werden, so das LG.
Der Kläger hatte mit seiner Berufung gegen dieses Urteil beim OLG jetzt Erfolg. Nach den Ausführungen des gerichtlich hinzugezogenen Sachverständigen stehe fest, dass die Motorhaube nicht ordnungsgemäß verriegelt gewesen sei, so das OLG. Der ganze Schließmechanismus sei entfettet und trocken gewesen, was dazu geführt habe, dass das Schloss nicht richtig arretiert habe. Offenbar habe der Prüfer die Arretierung der Motorhaube nicht sichergestellt. Eine andere Schadensursache komme nicht infrage. Insbesondere könne ausgeschlossen werden, dass der Kläger oder seine Frau die Motorhaube nach der TÜV-Untersuchung geöffnet und dann nicht wieder richtig verschlossen hätten. Für sie hätte so kurz nach dem TÜV-Besuch auch keine Verpflichtung bestanden, das Auto noch einmal zu kontrollieren. Der Kläger müsse sich daher auch kein Mitverschulden anrechnen lassen.
Der Kläger erhält nach dem Richterspruch Ersatz für den Totalschaden. Außerdem muss das Land Niedersachsen ihm die Rechtsanwaltskosten ersetzen.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 3.6.2022, 6 U 31/22
Personenschaden:
Wasserbett als Schadenersatz nach Verkehrsunfall?
| Es ist möglich, dass der Schädiger nach einem Verkehrsunfall die Kosten des Geschädigten für die Anschaffung eines Wasserbetts erstatten muss. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm knüpft jedoch bestimmte Voraussetzungen hieran. |
So setzt nach der Entscheidung des OLG der Anspruch auf materiellen Schadenersatz wegen der Anschaffungskosten eines Wasserbetts voraus, dass die Anschaffung des Wasserbetts erforderlich im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier § 249 Abs. 2 BGB: „Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen.“) gewesen ist.
Das war nach Ansicht der Richter im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben. Entgegen der Darstellung des Klägers habe nämlich bereits keine ärztliche Verordnung vorgelegen, sondern nur eine hausärztliche Empfehlung. Der gerichtliche Sachverständige hat in seinem schriftlichen Sachverständigengutachten explizit das Vorliegen einer medizinischen Indikation für ein sog. Wasserbett aus orthopädisch-unfallmedizinischer Sicht verneint.
Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 18.1.22, 7 U 100/20
Verkehrssicherungspflicht:
Wenn der höhenbewegliche Poller beim Überfahren plötzlich hochfährt…
| Ein Poller, der von einem Durchfahrtberechtigten ferngesteuert abgesenkt werden kann, muss mit mehreren Sicherungseinrichtungen versehen sein. Diese müssen verhindern, dass der Poller automatisch hochfährt, während ein auch unberechtigtes weiteres Fahrzeug darüberfährt. So hat es jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart entschieden. |
Der Kläger folgte mit seinem Pkw dem Pkw eines für einen Parkplatz Zufahrtsberechtigten. Am Eingang des Parkplatzes befindet sich eine automatische Polleranlage. Diese ist üblicherweise hochgefahren. Der Poller kann per Funk abgesenkt werden. Ein Schild oder Verkehrszeichen mit einem Hinweis auf die Polleranlage fehlt. Auch eine Ampel war zum Zeitpunkt des Ereignisses nicht angebracht. Der Kläger folgte dem Berechtigten über den Poller hinweg. Dabei kollidierte sein Pkw mit dem hochfahrenden Poller. Der Kläger verlangte vom sog. Verkehrssicherungspflichtigen der Anlage seinen Schaden ersetzt.
Das OLG: Eine reine Induktionsschleifensteuerung genügt nicht. Es muss mittels Schildern gewarnt und/oder mittels einer Ampel die Durchfahrt geregelt sein. Eine rein akustische Warnung genügt nicht, weil derjenige, der den Poller in seiner Überfahrtstellung im Boden gar nicht erkannt hat, diese Warnung nicht in Zusammenhang mit dem Poller bringt.
Quelle | OLG Stuttgart, Urteil vom 24.8.2022, 4 U 13/22, Abruf-Nr. 231612 unter www.iww.de
Wiederbeschaffungswert:
Großkundenrabatt bei jungen Gebrauchtwagen
| Das Amtsgericht (AG) München hat aktuell in einem Fall zum Thema „Großkundenrabatt und dessen Einfluss auf den Wiederbeschaffungswert“ eine interessante Entscheidung getroffen. In jüngster Zeit leisten Versicherer immer mehr Widerstand, wenn es um die Regulierung solcher Fälle geht. |
Der Kläger, ein mittelständischer Autovermieter, kauft pro Jahr rund 1.000 Autos. Er greift dabei vereinzelt auch auf junge Gebrauchtwagen zurück, um sie zwecks Vermietung einzusetzen. Ein solches Fahrzeug erlitt einen Totalschaden. Es wurde wieder durch einen Gebrauchtwagen ersetzt. Damit kam es konkret auf die Frage an, ob der Geschädigte auf Gebrauchtwagen einen Großkundennachlass bekommt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war das Ergebnis negativ. Damit bleib es beim ermittelten Wiederbeschaffungswert.
Quelle | AG München, Urteil vom 27.7.2022, 341 C 920/22, Abruf-Nr. 230605 unter www.iww.de