Gewerberaummiete:
Äußerung „Entmieten durch Vergasen“ in öffentlich einsehbarer Facebook-Gruppe rechtfertigt eine fristlose Kündigung
| Das Absetzen des Kommentars „Entmieten durch Vergasen“ auf einer öffentlich einsehbaren Facebook-Gruppe stellt einen wichtigen Grund dar, der den Vermieter zur außerordentlichen Kündigung berechtigt. Das stellte das Landgericht (LG) München I nun klar. |
Sachverhalt
Zwischen Vermieter und Mieter bestand ein Mietvertrag über Ladenräume, den der Vermieter mit mehreren Kündigungen versucht hat, zu beenden. Als bei einem Feuerwehreinsatz in dem Mietgebäude Gaswerte gemessen wurden, kommentierte der Mieter dies mit einem Post in einer öffentlichen Facebook-Gruppe wie folgt: „Entmieten durch Vergasen … die 2.“. Der Vermieter sah aufgrund des Vergleichs mit dem Nazi-Regime im nationalsozialistischen Deutschland eine Rufschädigung und eine Beleidigung, die ihn zu einer fristlosen Kündigung berechtige.
Landgericht sieht wichtigen Grund für fristlose Kündigung
Das LG gab ihm Recht. Der Post auf einer öffentlich einsehbaren Internetseite rechtfertige eine fristlose Kündigung des Mietvertrags aus wichtigem Grund. Beleidigungen und Verleumdungen stellten einen wichtigen Grund für eine Kündigung dar, wenn die Unzumutbarkeitsgrenze überschritten sei.
Stütze sich eine Kündigung im Wesentlichen auf eine Äußerung, müsse zunächst eine der Meinungsfreiheit gerecht werdende Ermittlung ihres Sinns und eine abwägende Gewichtung der Beeinträchtigungen erfolgen, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite drohen. Die Meinungsfreiheit trete dabei nur ausnahmsweise bei herabsetzenden Äußerungen, die die Menschenwürde anderer antasten oder sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen, zurück, ohne dass es einer Einzelfallabwägung bedürfe. Bei schriftlichen Äußerungen im Internet könne dabei ein höheres Maß an Bedacht und Zurückhaltung erwartet werden.
Dies gelte unter Berücksichtigung der konkreten Kommunikationsumstände auch für textliche Äußerungen in den sozialen Netzwerken im Internet. Dabei sei die beeinträchtigende Wirkung einer Äußerung z. B. gesteigert, wenn sie besonders sichtbar in einem der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglichen Medium, insbesondere im Internet, getätigt wird, wobei auf die konkrete Breitenwirkung abzustellen sei.
Freie Meinungsäußerung hat ihre Grenzen
Der Kommentar „Entmieten durch Vergasen …“ überschreitet die Unzumutbarkeitsgrenze insofern bei Weitem. Nach dem objektiven Verständnishorizont eines durchschnittlich verständigen und gebildeten Lesers sticht der Bezug zur NS-Herrschaft ohne Zweifel jedenfalls spätestens auf den zweiten Blick heraus. Es handelt sich um eine allgemeinkundige Tatsache, dass das NS-Regime auch zur Verwirklichung von Bauvorhaben Juden aus ihren Wohnungen „entmietet“ und Juden „vergast“ hatte. Eine solche Äußerung überschreitet die Grenzen einer (aufgrund der zwischen den Parteien angespannten Stimmungslage) zulässigen zugespitzten Meinungsäußerung bzw. einer hinzunehmenden heftigen Kritik mittels Werturteils und kann nach tatrichterlicher Würdigung zu einem außerordentlichen Kündigungsgrund führen.
Quelle | LG München I, Urteil vom 21.12.2020, 31 O 5646/18
Mietvertragsende:
Wohnung samt Einbauten weitervermietet: Kein Schadenersatz gegen den Vormieter
| Sieht der Vermieter davon ab, gegen seinen Willen zurückgelassene Einbauten des scheidenden Wohnungsmieters (z. B. Badewannen-Glasaufsatz, Einbauschrank, Laminatboden) auszubauen und vermietet er die Wohnung mitsamt der Einbauten an einen Nachmieter, steht ihm gegen den Vormieter nicht ohne Weiteres ein Anspruch auf Schadenersatz in Höhe der fiktiven Rückbaukosten zu. So sieht es das Landgericht (LG) Berlin. |
Anlässlich der Rückgabe der Wohnung einigten sich die Mietvertragsparteien darauf, dass der Mieter nicht zum Rückbau verpflichtet ist, wenn und soweit er die Mieträume komplett streicht. So geschah es. Bei der Übergabe rügte der Vermieter lediglich Verschmutzungen im Hausflur, deren Beseitigung er forderte. Nach Auszug des Mieters verblieben sämtliche Einbauten in der Wohnung und wurden vom Nachmieter als vertragsgerecht akzeptiert, wovon der Vormieter Kenntnis hatte. Der Vermieter verlangt gegenüber dem ehemaligen Mieter fiktive Rückbaukosten als Schadenersatz nach Ansicht des Amtsgerichts (AG) in erster Instanz und des LG zu Unrecht.
Das LG argumentiert: Der Mieter durfte darauf vertrauen, dass er die Einbauten nicht mehr entfernen musste, sondern der Vermieter den Zustand der Wohnung als ordnungsgemäß akzeptierte. Dies gelte umso mehr, als sämtliche Einbauten auch nach der Wohnungsrückgabe tatsächlich in den Räumlichkeiten verblieben und von den Nachmietern weiter verwendet wurden.
Quelle | LG Berlin Urteil vom 21.6.2021, 64 S 219/20
Mietvertragsende:
Wohnungsauszug: Farbige Wände nicht immer ein Schaden
| Farbige Wände (auch in Form von Fototapeten) sind in der Mietwohnung nicht als Beschädigung anzusehen. Voraussetzung: Die Wohnung wurde in einer nicht neutralen Dekoration an den Mieter übergeben. So sieht es das Landgericht (LG) Oldenburg. |
Das LG hat die erstinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts (AG) bestätigt. Es hat die Schadenersatzklage des Vermieters abgewiesen. Begründung: Zwar sei grundsätzlich ein Schadenersatz denkbar, wenn der Vermieter eine in neutraler Dekoration übernommene Wohnung mit einem farbigen Anstrich zurückgebe. Aus der Tatsache, dass die Wohnung bei der Übernahme durch den Mieter allerdings zumindest zweifarbig gestrichene Wände hatte, durfte dieser davon ausgehen, dass auch er die Räumlichkeiten nicht in einem „neutralen“ Zustand zurückgeben müsse. Daher fehle es an einer schuldhaften Pflichtverletzung des Mieters.
Darüber hinaus sei das Verlangen auf Rückgabe in einem „neutralen“ Zustand treuwidrig, weil der Vermieter dann mehr begehre als er ursprünglich bei Übergabe der Wohnung hatte. Die Ansicht des LG entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH).
Quelle | LG Oldenburg, Urteil vom 18.2.2021, 4 S 2/21