Fahrten zum Sammelpunkt:
Hier gilt für Steuerpflichtige die Entfernungspauschale
| Die Entfernungspauschale kann auch ohne erste Tätigkeitsstätte relevant sein. Betroffen sind die Fälle, in denen der Arbeitnehmer aufgrund arbeitsvertraglicher Festlegungen zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft denselben Ort (Sammelpunkt) oder dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet typischerweise arbeitstäglich aufsuchen muss. Mit den Voraussetzungen hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) nun (erstmals) näher befasst. |
Sachverhalt
Ein Baumaschinenführer gelangte zu den jeweiligen Arbeitsorten (Baustellen) entsprechend einer betriebsinternen Anweisung jeweils mit einem Sammelfahrzeug seines Arbeitgebers. Dies betraf sowohl Fahrten mit täglicher Rückkehr als auch Fahrten zu sonstigen Arbeitsorten, an denen er (mehrtägig) übernachtete. Die Einsätze auf den „Fernbaustellen“ dauerten in der Regel die gesamte Woche. Das Finanzamt berücksichtigte die Fahrten zur Sammelstelle nur mit der Entfernungspauschale.
Hintergrund
Für die Berücksichtigung von Verpflegungspauschalen oder Übernachtungskosten hat die Festlegung als Sammelpunkt oder weiträumiges Tätigkeitsgebiet keinen Einfluss, da der Arbeitnehmer weiterhin auswärts beruflich tätig wird. Vielmehr legt die Regelung des Einkommensteuergesetzes (EstG, §9) „nur“ die Anwendung der Entfernungspauschale für die Fahrtkosten von der Wohnung zu dem Sammelpunkt, bzw. zu dem nächstgelegenen Zugang zum Tätigkeitsgebiet, fest. Fahrtkosten nach Dienstreisegrundsätzen sind hier nicht möglich.
Gerichtliche Entscheidung
Ob ein Arbeitnehmer (ohne erste Tätigkeitsstätte) zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft denselben Ort oder dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen hat, wird durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt. Entscheidend ist hier die sog. ex- ante-Sicht, das heißt, die Sicht im Voraus.
Das Wort „typischerweise“ verlangt nicht, dass der Arbeitnehmer den Ort oder das Gebiet im Veranlagungszeitraum ausnahmslos aufsuchen muss. Es ist nur erforderlich, dass er ihn nach der Anweisung „typischerweise arbeitstäglich“ aufzusuchen hat. Es kommt nicht darauf an, dass hierbei eine bestimmte prozentuale oder tageweise Grenze überschritten wird. Maßgebend ist, ob der Arbeitnehmer den Ort in der Regel aufsuchen muss. Ausnahmen sind durchaus möglich (z.B. unvorhergesehener Einsatz). Ein dauerhaftes Aufsuchen liegt vor, wenn die Anordnung des Arbeitgebers zum Aufsuchen desselben Orts oder desselben weiträumigen Tätigkeitsgebiets unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus erfolgt.
Weil das Finanzgericht (FG) Thüringen als Vorinstanz einen Sammelpunkt gemäß EStG allein wegen der Anzahl der dorthin unternommenen Fahrten im Verhältnis zu den Gesamtarbeitstagen des Steuerpflichtigen angenommen hat, hat der BFH den Fall zurückverwiesen. Das FG muss nun aufklären, ob der Steuerpflichtige den Sammelpunkt auch typischerweise arbeitstäglich aufsuchen sollte. Ob dies der Fall ist, wird entscheidend davon abhängen, ob von vornherein feststand, dass der Steuerpflichtige nicht nur auf eintägigen Baustellen eingesetzt werden würde, sondern auch auf mehrtägigen Fernbaustellen. Hierfür kann auch die Betriebsstruktur des Arbeitgebers eine Rolle spielen. Ist dies der Fall, läge aus der ex-ante-Sicht kein typischerweise arbeitstägliches Aufsuchen des Betriebssitzes des Arbeitgebers vor.
Quelle | BFH-Urteil vom 19.4.2021, VI R 6/19, Abruf-Nr. 224144 unter www.iww.de
Werbungskosten:
Das häusliche Arbeitszimmer in der Corona-Pandemie
| Wegen der Coronapandemie arbeiten viele Arbeitnehmer in ihrem häuslichen Arbeitszimmer. Hier stellt sich die Frage, ob bzw. in welcher Höhe die Kosten für das Arbeitszimmer als Werbungskosten abziehbar sind. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat Sonderregelungen bekannt gegeben. |
Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer sind wie folgt abziehbar:
- Bis zu 1.250 Euro jährlich, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht,
- ohne Höchstgrenze, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.
Dem Arbeitnehmer steht auch dann kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, wenn er die Entscheidung über das Tätigwerden im häuslichen Arbeitszimmer ohne eine ausdrückliche (schriftliche) Anweisung des Arbeitgebers getroffen hat und er der Empfehlung der Bundesregierung, bzw. der Länder gefolgt ist. Als Zeit der Coronapandemie wird dabei der Zeitraum vom 1.3.2020 bis zum 31.12.2021 angenommen.
Für den Tätigkeitsmittelpunkt ist der qualitative Schwerpunkt der Betätigung maßgeblich. In der Coronazeit ist davon auszugehen, dass die Arbeiten im Betrieb und im Arbeitszimmer qualitativ gleichwertig sind, sodass die zeitlichen Aspekte entscheidend sind.
Beispiel: Ein Arbeitgeber gestattet nur eine Person pro Großraumbüro. Der Arbeitnehmer verfügt über ein häusliches Arbeitszimmer und arbeitet fortan an drei Tagen pro Woche zu Hause. Folge: Er kann die Kosten für sein Arbeitszimmer ohne Höchstgrenze absetzen.
Beachten Sie | Alternativ (oder ohne häusliches Arbeitszimmer) kommt eine Homeoffice-Pauschale von 5 Euro für jeden Tag in Betracht, an dem die Tätigkeit ausschließlich in der Wohnung ausgeübt wird (max. 600 Euro im Jahr).
Quelle | BMF, Schreiben vom 9.7.2021, IV C 6 – S
Dienstwagennutzung:
Keine Verwerfung bei kleineren Fahrtenbuch-Mängeln
| Kleinere Mängel und Ungenauigkeiten führen nicht zur Verwerfung des Fahrtenbuchs und der Anwendung der 1 %-Regelung (gemäß der pauschal 1% des Bruttolistenpreises eines auch privat genutzten Firmen- oder Dienstwagens pro Monat als geldwerter Vorteil zu versteuern ist), wenn die Angaben insgesamt plausibel sind. Dies sagt das Finanzgericht (FG) Niedersachsen. |
Die Mängel im Streitfall: Verwendung von Abkürzungen für Kunden und Ortsangaben, fehlende Ortsangaben bei Übernachtung im Hotel, Differenzen aus dem Vergleich zwischen den Kilometerangaben im Fahrtenbuch und laut Routenplaner, keine Aufzeichnung von Tankstopps.
Beachten Sie | So positiv diese Entscheidung auch ist, sind Steuerpflichtige gut beraten, die hohen Anforderungen, die an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch gestellt werden, zu erfüllen. So muss ein händisch geführtes Fahrtenbuch insbesondere lückenlos und zeitnah geführt werden sowie in gebundener Form vorliegen.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 16.6.2021, 9 K 276/19, Abruf-Nr. 224711 unter www.iww.de
Umsatzsteuerpflicht:
Physiotherapeutische Leistungen ohne ärztliche Verordnung
| Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf hat aktuell zur Umsatzsteuerpflicht physiotherapeutischer und allgemein der Gesundheitsförderung dienender Leistungen ohne ärztliche Verordnung entschieden. |
Hintergrund: Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden, sind von der Umsatzsteuer befreit. Steuerbegünstigt sind aber nur solche Maßnahmen, die ein medizinisch-therapeutisches Ziel verfolgen.
Sachverhalt
Ein Gesundheitsdienstleister im Bereich der Physiotherapie behandelte physiotherapeutische Leistungen an Patienten, die ihre Therapien im Anschluss an eine ärztliche Verordnung auf eigene Rechnung fortgesetzt hatten (Selbstzahler), als umsatzsteuerfrei. Begründung: Es handele sich um umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen, eine fortlaufende Verordnung sei nicht zwingend erforderlich. Zudem seien gesondert in Rechnung gestellte Nebenleistungen ( u. a. Kinesio-Taping, Wärme- und Kältetherapie, zertifizierte Kurse, Rehasport) ebenfalls nicht umsatzsteuerpflichtig, da sie im Zusammenhang mit steuerfreien Heilbehandlungen stünden.
Finanzamt: kein Nachweis für therapeutischen Zweck der Leistungen
Das Finanzamt (FA) vertrat dagegen die Ansicht, der Gesundheitsdienstleister habe für die Umsätze, die auf Selbstzahler entfielen, den therapeutischen Zweck der Leistungen nicht nachgewiesen. Bei den übrigen Leistungen handele es sich um optionale Leistungen und nicht um unselbstständige Nebenleistungen.
Finanzgericht: Rehasport = Heilbehandlung, ärztliche Verordnung nötig
Nach der Entscheidung des FG stellen die im Bereich des Rehasports erbrachten Leistungen steuerfreie Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin dar. Dies ist durch die ärztlichen Verordnungen nachgewiesen. Auch die Erlöse von Selbstzahlern sind zum Teil steuerfrei. Der Therapiezweck ist dabei aber nur in den Fällen nachgewiesen, in denen bereits vor der Anschlussbehandlung eine ärztliche Verordnung vorgelegen hat und spätestens nach Ablauf eines Jahres wegen derselben chronischen Erkrankung eine erneute ärztliche Verordnung zur Physiotherapie vorgelegt wurde.
Hinsichtlich der übrigen Leistungen hat das FG die Klage als unbegründet abgewiesen. Denn der Gesundheitsdienstleister konnte nicht nachweisen, dass diese Leistungen einen über die allgemeine Gesundheitsförderung hinausgehenden therapeutischen Zweck hatten. Insbesondere lagen keine ärztlichen Verordnungen vor und die Leistungen waren auch nicht unerlässlicher Bestandteil der Leistungen Physiotherapie und Rehasport.
Quelle | FG Düsseldorf, Urteil vom 16.4.2021, 1 K 2249/17 U, Abruf-Nr. 223561 unter www.iww.de; FG Düsseldorf, Newsletter August/September 2021