Verbraucherrecht Info - 08.2023

2.08.2023
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BAföG:

Semesterleistungen nicht erbracht? Ausbildungsförderung kann es trotzdem geben!

| Studierende, die den für weitere Leistungen nach dem BAföG über das vierte Fachsemester hinaus erforderlichen Nachweis über den üblichen Leistungsstand nicht erbringen, können ausnahmsweise dennoch Anspruch auf Ausbildungsförderung haben. Dann muss aber das Nichtbestehen von Leistungsanforderungen erstmals zu einer aus studienorganisatorischen Gründen zwingenden Wiederholung von Semestern führen. Dabei kommt es auf die Anzahl der nicht erbrachten Leistungsnachweise nicht an, die Ursache für die Verlängerung des Studiums sind. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |

Leistungsnachweise nicht erbracht

Die Klägerin ist Studentin der Pharmazie. Nachdem sie den erforderlichen Nachweis über die üblichen Studienleistungen („Scheine“) bis zum Abschluss des vierten Fachsemesters nicht vorlegen konnte, beantragte sie beim beklagten Studierendenwerk vergeblich, die Förderung fortzusetzen. Die von der Klägerin daraufhin erhobene Klage auf Weiterförderung im fünften und sechsten Fachsemester hat das Verwaltungsgericht (VG) abgewiesen. Grund: Eine Verlängerung der Förderungshöchstdauer komme nur bei einem einmaligen Leistungsversagen in Betracht. Die Klägerin habe jedoch in den ersten beiden Semestern zwei Leistungsnachweise nicht erbracht, die für die Teilnahme an Veranstaltungen in den beiden Folgesemestern erforderlich waren und sie daran hinderten, weitere Leistungsnachweise zu erbringen.

Grundsatz und Ausnahme

Vor dem BVerwG hatte die Klägerin jedoch Erfolg. Zwar ist die Weitergewährung von Ausbildungsförderung ausgeschlossen, wenn Studierende eine Zwischenprüfung nicht bestehen oder wie hier die bis zum vierten Fachsemester üblichen Leistungen nicht erbringen. Ausnahmsweise ist aber die Frist zur Vorlage der Leistungsnachweise zu verlängern und weiter Ausbildungsförderung zu gewähren, wenn voraussichtlich eine Überschreitung der Förderungshöchstdauer zu bewilligen sein wird. Dies ist nach dem Gesetz anzunehmen, wenn ein schwerwiegender Grund für die Überschreitung vorliegt. Ein solcher Grund ist schon von der bisherigen Rechtsprechung des BVerwG insbesondere angenommen worden, wenn Studierende erstmals eine Zwischenprüfung nicht bestehen und deshalb an der planmäßigen Fortsetzung des Studiums gehindert sind. Sie sollen im Fall des Nichtbestehens der bis zum vierten Semester erforderlichen Leistungsanforderungen, das zu einer erstmaligen Verzögerung des Studiums führt, eine zweite Chance erhalten, den Leistungsrückstand in angemessener Zeit durch Ablegung der entsprechenden Prüfungen aufzuholen. Diese gesetzliche Wertung greift auch, wenn die Nichterbringung sonstiger Leistungsnachweise dazu führt, dass eine planmäßige Fortsetzung des Studiums in einem höheren Semester nicht möglich ist, weil zunächst nicht bestandene Studienleistungen wiederholt werden müssen.

Das ist entscheidend

Dabei kommt es nicht darauf an, ob nur ein Leistungsversagen für die Verzögerung ursächlich ist oder ob mehrere nicht bestandene Leistungsnachweise im Zusammenwirken diese Folge auslösen. Entscheidend ist allein, ob es Studierenden aus studienorganisatorischen Gründen erstmalig objektiv unmöglich ist, die fehlenden Leistungen ohne eine sich auf die Förderungshöchstdauer auswirkende Verzögerung des Studiums zu erbringen. Dies ist hier der Fall gewesen, was zu einer Verlängerung des Grundstudiums der Klägerin um zwei Semester führt, für die Ausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe zu gewähren war.

Quelle | BVerwG, Urteil vom 3.3.2023, 5 C 6.21, PM 17/23


Wegeunfall:

Schüler ist unfallversichert, obwohl er „Bahnsurfen“ macht

| Ein Schüler ist in der Schülerunfallversicherung versichert, auch wenn er beim sog. Bahnsurfen auf dem Heimweg von der Schule einen Stromschlag erleidet. Es handelt sich um eine „alterstypische Selbstüberschätzung“, so das Bundessozialgericht (BSG). |

Das war geschehen

Der damals knapp 16jährige Kläger war Gymnasiast und bestieg nach Schulende den Regionalexpress, um nach Hause zu fahren. Während der Fahrt öffnete er die verschlossene Durchgangstür des letzten Waggons mit einem mitgeführten Vierkantschlüssel und stieg auf die dahinterliegende, den Zug schiebende Lok. Auf dem Dach erlitt er einen Starkstromschlag aus der Oberleitung und stürzte brennend von der Lok. Er überlebte schwer verletzt und zog sich unter anderem hochgradige Verbrennungen zu.

Wegeunfall

Das BSG hat einen Wegeunfall festgestellt und damit anders als die Vorinstanz Versicherungsschutz des Klägers in der Schülerunfallversicherung bestätigt. Schüler sind bei spielerischen Betätigungen im Rahmen schülergruppendynamischer Prozesse unfallversichert.

Schüler wollte „cool“ sein

Auch im Fall des Klägers ging es darum, im befreundeten Schülerkreis „cool“ zu sein. Die von ihm selbstgeschaffene Gefahr schließt den Unfallversicherungsschutz nicht aus. Angesichts wiederholt erfolgreicher Surfaktionen steht vielmehr fest, dass die dabei erworbene Sorglosigkeit zu einer massiven alterstypischen Selbstüberschätzung führte.

Quelle | BSG, Urteil vom 30.3.2023, B 2 U 3/21 R, PM 12/23


Solaranlage:

Verkäufer muss nicht ohne Weiteres darüber aufklären, dass keine Notstromfunktion vorhanden ist

| Der Verkäufer einer Photovoltaikanlage muss den Käufer nicht ohne Weiteres darüber aufklären, dass die verkaufte Anlage nur Strom liefert, wenn auch das öffentliche Netz funktioniert. Dies hat das Landgericht (LG) Frankenthal klargestellt. Es hat daher der Kaufpreisklage der Firma gegen den Besteller einer Solaranlage vollumfänglich stattgegeben. |

Bei Stromausfall läuft Anlage nicht

Ein Ehepaar wollte vom öffentlichen Stromnetz unabhängig sein und ließ sich eine Photovoltaikanlage auf das Dach des Wohnhauses montieren. Damit die Anlage funktioniert, muss jedoch Strom aus dem öffentlichen Netz bereitstehen: Bei Stromausfall schaltet sich die PV-Anlage automatisch ab. Einheiten, die über eine sog. „Notstrom-“ oder „Inselfunktion“ verfügen, sind erheblich teurer als das bestellte und montierte System.

Umbau möglich, aber teuer

Das Ehepaar war der Ansicht, auf diesen Umstand hätte der Anbieter der Anlage sie hinweisen müssen. Dann hätten sie für 5.000 Euro Aufpreis ein anderes, notstromfähiges System bestellt. Jetzt bestehe nur noch die Möglichkeit, die gelieferte Anlage zu nahezu dem dreifachen des ursprünglichen Aufpreises für diese Funktion umzurüsten. Diese Mehrkosten seien vom Verkäufer zu tragen, weswegen das Ehepaar in dieser Höhe die Zahlung des Kaufpreises verweigerte.

Dem ist das LG nicht gefolgt und hat das Ehepaar verurteilt, den vollen Kaufpreis zu zahlen. Der Verkäufer einer Photovoltaikanlage müsse nicht von sich aus darüber aufklären, dass die Anlage nicht über eine Sonderausstattung verfüge, wie eine Notstromfunktion. Die Aufklärungs- und Beratungspflichten dürften nicht überspannt werden. Dass die Eheleute bei den Vertragsverhandlungen klargemacht hätten, dass es ihnen auf die Notstromfunktion ankomme, haben sie nach Ansicht des LG nicht beweisen können. Etwaige mögliche Energieengpässe könnten zwar zu einer anderen Betrachtung führen. Die seien im Kaufzeitpunkt aber noch kein allgemeines Thema gewesen.

Das Urteil ist rechtskräftig; eine zunächst eingelegte Berufung zum Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken hat das Ehepaar zurückgenommen.

Quelle | LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 15.8.2022, 6 O 79/22, PM vom 28.2.2023


Vertragsklausel:

Makler können Reservierungsgebühren in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht wirksam vereinbaren

| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) vereinbarte Pflicht eines Maklerkunden, eine Reservierungsgebühr zu zahlen, ist unwirksam. |

Makler verlangte Reservierungsgebühr

Die Kläger beabsichtigten den Kauf eines von der Beklagten als Immobilienmaklerin nachgewiesenen Grundstücks mit Einfamilienhaus. Die Parteien schlossen einen Maklervertrag und im Nachgang dazu einen Reservierungsvertrag, mit dem sich die Beklagte verpflichtete, das Grundstück gegen Zahlung einer Reservierungsgebühr bis zu einem festgelegten Datum exklusiv für die Kläger vorzuhalten. Die Kläger nahmen vom Kauf Abstand und verlangen von der Beklagten die Rückzahlung der Reservierungsgebühr.

Das Amtsgericht (AG) hatte die Klage abgewiesen. Das Landgericht (LG) hatte die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Der Reservierungsvertrag sei wirksam. Er stelle eine eigenständige Vereinbarung mit nicht kontrollfähigen Hauptleistungspflichten dar.

Bundesgerichtshof gab Maklerkunden Recht

Der BGH hat die Beklagte auf die Revision der Kläger verurteilt, die Reservierungsgebühr zurückzuzahlen. Der Reservierungsvertrag unterliegt der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle, weil es sich dabei nach dem Inhalt der getroffenen Abreden nicht um eine eigenständige Vereinbarung, sondern um eine den Maklervertrag ergänzende Regelung handelt. Dass der Reservierungsvertrag in Form eines gesonderten Vertragsdokuments geschlossen wurde und später als der Maklervertrag zustande kam, steht dem nicht entgegen.

Der Reservierungsvertrag benachteiligt die Maklerkunden unangemessen und ist daher unwirksam, weil die Rückzahlung der Reservierungsgebühr ausnahmslos ausgeschlossen ist und sich aus dem Reservierungsvertrag weder für die Kunden nennenswerte Vorteile ergeben noch seitens des Immobilienmaklers eine geldwerte Gegenleistung zu erbringen ist. Auch kommt der Reservierungsvertrag der Vereinbarung einer erfolgsunabhängigen Provision zugunsten des Maklers gleich. Das widerspricht dem Leitbild der gesetzlichen Regelung des Maklervertrags, wonach eine Provision nur geschuldet ist, wenn die Maklertätigkeit zum Erfolg geführt hat.

Quelle | BGH, Urteil vom 20.4.2023, I ZR 113/22, PM 70/23


Fehlender Informationsaustausch:

Guthaben war schon ausbezahlt: Trotz Sparbuch kein Geld

| “Wenn die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut“: Eine Bankkundin kann von ihrem Geldinstitut trotz Vorlage eines Sparbuchs keine Auszahlung einer Spareinlage von 70.100 Euro verlangen, wenn zuvor der Ehemann das Guthaben telefonisch auf Festgeldkonten umgeleitet hat. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe entschieden. |

Das war geschehen

Im Jahr 1992 hatte die Klägerin bei der beklagten Bank ein Sparkonto eröffnet. Als letzte Eintragung in ihrem Sparbuch ist am 21.3.1997 eine Zinsgutschrift von 2.639,72 DM zum 30.12.1996, eine Bareinzahlung von 33.193,41 DM sowie ein Guthaben von 100.000 DM ausgewiesen. Die Klägerin hatte im Januar 2020 den Sparvertrag gekündigt, der Bank das nicht entwertete Sparbuch vorgelegt und die Auszahlung von 70.100 EUR verlangt. Die beklagte Bank hatte dagegen geltend gemacht, sie habe das Sparbuch am 16.4.1998 auf telefonische Weisung des dazu bevollmächtigten Ehemanns der Klägerin aufgelöst, das damalige Guthaben samt aufgelaufener Zinsen auf dem ebenfalls bei ihr geführten Girokonto der Klägerin als Bareinzahlung verbucht und den Betrag anschließend für die Klägerin und ihren Ehemann jeweils hälftig als Festgeld angelegt.

Das Landgericht (LG) wies die Klage nach Vernehmung der damals tätigen Bankmitarbeiter ab, weil es sich davon überzeugt hatte, dass das Guthaben am 16.4.1998 ausgezahlt und damit der Anspruch der Klägerin aus dem Sparvertrag erfüllt wurde.

Kreditinstitut hat die Beweislast

Die gegen das Urteil des LG erhobene Berufung der Klägerin hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Eine Bank darf zwar nicht schon deshalb die Auszahlung des in einem Sparbuch dokumentierten Guthabens verweigern, weil lange Zeit keine Eintragungen in dem Sparbuch vorgenommen wurden und die handelsrechtlichen Aufbewahrungspflichten abgelaufen sind. Vielmehr muss das Kreditinstitut auch in solchen Fällen beweisen, dass die Auszahlung des Sparbetrags bereits erfolgt ist. Die Unrichtigkeit eines Sparbuchs kann die Bank dabei nicht allein mit ihren internen Unterlagen nachweisen. Kommen jedoch weitere Umstände hinzu, kann dies zum Beweis genügen.

Sparbuchbetrag wurde nachweislich ausgezahlt

Dazu gehört im jetzt entschiedenen Fall insbesondere der Eingang eines Betrags auf einem anderen Konto der Berechtigten, der exakt der auf dem Sparkonto einschließlich Zinsen vorhandenen Sparsumme entspricht. Die von der Klägerin geäußerte Vermutung, diese auf ihrem Konto verbuchte Bareinzahlung vom 16.4.1998 stamme aus gesammelten Bareinnahmen des damals von den Eheleuten betriebenen Obsthandels, hat nicht zu Zweifeln des OLG an den von der Bank zu den Buchungsvorgängen vorgelegten Unterlagen geführt. Außerdem haben Zeugen, nämlich die damaligen Bankmitarbeiter, die Richtigkeit der bankinternen Dokumente bestätigt. Danach hatte der von der Klägerin bevollmächtigte Ehemann telefonisch die Auflösung des Sparbuchs, die Auszahlung auf das Girokonto und die anschließende Anlage als Festgeld beauftragt. Eine erneute Auszahlung des Geldes kann nicht verlangt werden.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Zwar hat das OLG die Revision nicht zugelassen. Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin jedoch Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (BGH) erhoben.

Quelle | OLG Karlsruhe, Urteil vom 20.12.2022, 17 U 151/21, PM 4/23

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