Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht Info - 01.2022

2.01.2022
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Lebensmittel-Informations-Verordnung:

Stückzahlangabe auf Süßigkeitenpackung

| Auf einer Verpackung, in der mehrere einzeln verpackte Süßigkeiten enthalten sind, ist neben der Gesamtnettofüllmenge auch die Gesamtzahl der Einzelpackungen anzugeben. Dies entschied jetzt das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz. |

Sachverhalt

Die Klägerin stellt Süßigkeiten, z. B. Bonbons und Schokoladen-Spezialitäten her. Das Landesamt für Mess- und Eichwesen des Landes Rheinland-Pfalz beanstandete anlässlich einer Prüfung mehrere Produkte der Klägerin wegen fehlender Stückzahlangaben auf der Verpackung, in der sich mehrere einzeln verpackte Süßigkeiten befanden, und leitete deswegen ein Ordnungswidrigkeitenverfahren ein. Daraufhin erhob die Klägerin Klage. Sie beantragte, festzustellen, dass sie nicht gegen die Lebensmittel-Informations-Verordnung (LMIV) verstoße, wenn sie diese Produkte ohne die Angabe einer Stückzahl der in der Vorverpackung befindlichen Einzelpackungen in Verkehr bringe.

So entschieden die Instanzen

Das Verwaltungsgericht (VG) lehnte die Klage in erster Instanz ab. Das OVG bestätigte dies und wies die Berufung der Klägerin zurück.

Die Klägerin verstoße mit der fehlenden Angabe der Gesamtzahl der Einzelpackungen gegen die LMIV der EU. Jedem Lebensmittel, das für die Lieferung an Endverbraucher bestimmt sei, seien Informationen nach Maßgabe der LMIV beizufügen.

Verhältnismäßigkeit und Informationsbedürfnis

Für Produkte der hier in Rede stehenden Art, bei denen es sich um Vorverpackungen mit zwei oder mehr Einzelpackungen handele, sehe die Verordnung die Angabe der Gesamtnettofüllmenge und die Gesamtzahl der Einzelpackungen vor. Die Stückzahlkennzeichnungspflicht verstoße auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Entgegen der Ansicht der Klägerin führe sie nicht zu einem nicht zu rechtfertigenden oder gar sinnlosen Informationsüberschuss. Die Angabe der Stückzahl zusätzlich zur Gesamtnettofüllmenge habe einen ergänzenden Informationswert. In Fällen, in denen der Endverbraucher abschätzen müsse, wie viele Vorverpackungen (Verkaufseinheiten) er für bestimmte Anlässe erwerben müsse, sei die Angabe der enthaltenen Stückzahl z. B. bei einer feststehenden Anzahl an Gästen häufig hilfreicher als der Informationswert, der aus der Gesamtnettofüllmenge resultiere.

Das Informationsbedürfnis an der Kenntnis der enthaltenen Stückzahl könne sich auch darauf erstrecken, in Erfahrung zu bringen, wie viele Einzelverpackungen in einer äußeren Verpackung enthalten seien, um damit die Kaufentscheidung auch anhand von umweltbezogenen Aspekten treffen zu können.

Das OVG hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen.

Quelle | OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2.11.2021, 6 A 10695/21.OVG, PM 25/21


Aufsichtsratsmitglieder:

Neue 10 %-Grenze für die Unternehmereigenschaft ab 2022

| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat 2019 entgegen bisheriger Rechtsprechung entschieden, dass das Mitglied eines Aufsichtsrats nicht als umsatzsteuerlicher Unternehmer tätig ist, wenn es wegen einer nicht variablen Festvergütung kein Vergütungsrisiko trägt. Nun hat auch das Bundesfinanzministerium (BMF) seine Sichtweise angepasst. |

Unter Ausblendung der verfügten Sonderregelungen für Beamte und politische Mandatsträger gelten folgende Grundsätze: Eine Festvergütung liegt insbesondere bei einer pauschalen Aufwandsentschädigung vor, die für die Dauer der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat gezahlt wird. Sitzungsgelder für tatsächliche Teilnahmen sowie nach dem tatsächlichen Aufwand bemessene Aufwandsentschädigungen sind allerdings keine Festvergütung. Besteht die Vergütung des Mitglieds sowohl aus festen als auch aus variablen Bestandteilen (Mischvergütung), ist es grundsätzlich selbstständig tätig, wenn die variablen Bestandteile im Kalenderjahr mindestens 10 % der gesamten Vergütung (einschließlich erhaltener Aufwandsentschädigungen) betragen. Reisekostenerstattungen sind keine Vergütungsbestandteile und demzufolge bei der Ermittlung der 10 %-Grenze nicht zu berücksichtigen. Diese Kriterien sind für jedes Mandat eines Aufsichtsrats separat zu prüfen.

Das BMF weist darauf hin, dass in begründeten Fällen Ausnahmen möglich sind, ohne dies näher auszuführen.

Beachten Sie | Die Neuregelungen sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Es gibt jedoch eine Nichtbeanstandungsfrist, wonach die bisherige Sichtweise auf Leistungen angewendet werden kann, die bis einschließlich 31.12.2021 ausgeführt worden sind.

Quelle | BMF-Schreiben vom 8.7.2021, III C 2 – S 7104/19/10001 :003, Abruf-Nr. 225274 unter www.iww.de; BFH, Urteil vom 27.11.2019, V R 23/19 (V R 62/17)


Dinglicher Arrest:

„Goodwill“ eines Unternehmens ist unpfändbar

| Die Veräußerung des „Goodwill“ an eine neu gegründete Gesellschaft stellt keinen Arrestgrund dar. Das hat jetzt das Landgericht (LG) Bremen klargestellt.

Die Antragsteller fordern Schadenersatz wegen steuerlicher Falschberatung von der Antragsgegnerin. Diese hatte dem Antragsteller später mitgeteilt, dass sie beabsichtige, ihr Geschäft auf zwei neue Gesellschaften zu übertragen. Die Antragsteller befürchten nun, dass die Antragsgegnerin ihrer Zahlungspflicht nicht nachkommen wird.

Der dingliche Arrest findet statt, wenn zu besorgen ist, dass sonst die Vollstreckung vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Der Gläubiger muss den Arrestgrund darlegen und glaubhaft machen. Die beabsichtigte oder begonnene Übertragung des Geschäfts der Antragsgegnerin schmälert indes deren Haftungsmasse nicht. Ihr mit dem Mandantenstamm übertragener sog. „Goodwill“ ist unpfändbar.

Quelle | LG Bremen, Beschluss vom 8.6.2021, 4 O 900/21, Abruf-Nr. 223967 unter www.iww.de


Umsatzsteuerzahler:

Garantiezusagen von Kfz-Händlern: Neue Regeln nun doch erst ab 2023

| Nach einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) aus 2018 ist die entgeltliche Garantiezusage eines Kfz-Händlers keine unselbstständige Nebenleistung zur Fahrzeuglieferung, sondern eine eigenständige Leistung. Ursprünglich wollte das Bundesfinanzministerium die neue Rechtsprechung bereits auf Garantiezusagen anwenden, die nach dem 30.6.2021 abgegeben werden. Dann erfolgte eine Verlängerung (ab dem 1.1.2022). Da auch diese Frist offensichtlich zu kurz angesetzt wurde, gilt die neue Sichtweise nun für Garantiezusagen, die ab dem 1.1.2023 erteilt werden. |

Händler, die Autokäufern eine Garantiezusage erteilen, werden steuerrechtlich gesehen zu Versicherern. Im Zweifel müssen sie sich daher u. a. beim Bundeszentralamt für Steuern registrieren lassen, Versicherungssteuer abführen und entsprechende Aufzeichnungspflichten beachten.

Wegen der versicherungssteuerpflichtigen, aber umsatzsteuerfreien Garantiezusagen ist der Vorsteuerabzug des Händlers aus den Eingangsleistungen im Zusammenhang mit diesen steuerfreien Umsätzen grundsätzlich ausgeschlossen.

Quelle | BMF-Schreiben vom 18.10.2021, III C 3 – S 7163/19/10001 :001, Abruf-Nr. 225347 unter www.iww.de; BFH, Urteil vom 14.11.2018; XI R 16/17


Wechselkursschwankungen:

Teilwertzuschreibung von Fremdwährungsverbindlichkeiten

| Der höhere Ansatz einer Verbindlichkeit aus einem Fremdwährungsdarlehen (Teilwertzuschreibung) ist dann zulässig, wenn der Euro-Wert gegenüber der Fremdwährung aufgrund einer fundamentalen Änderung der wirtschaftlichen oder währungspolitischen Daten der beteiligten Währungsräume gesunken ist. So lautet eine aktuelle Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH). |

In der Steuerbilanz dürfen Verbindlichkeiten, die in einer anderen Währung als dem Euro zu erfüllen sind, nur dann mit einem höheren Wert als dem Wert im Zeitpunkt ihrer Begründung ausgewiesen werden, wenn die zum Bilanzstichtag aufgetretenen Änderungen des Wechselkurses voraussichtlich dauerhaft sind. Bei langfristigen Fremdwährungsverbindlichkeiten ist dies regelmäßig nicht der Fall, da hier angenommen werden kann, dass sich die Wertunterschiede bis zum Zeitpunkt der Darlehensrückzahlung wieder ausgleichen.

Eine voraussichtlich dauernde Wertänderung kann aber angenommen werden, wenn sich die Währungsdaten zwischen dem Euro-Währungsraum und der Fremdwährung (hier dem Schweizer Franken) so fundamental ändern, wie dies zum Bilanzstichtag 31.12.2010 wegen der europäischen Staatsschuldenkrise der Fall war.

Quelle | BFH, Urteil vom 10.6.2021, IV R 18/18, Abruf-Nr. 225541 unter www.iww.de; BFH, PM Nr. 39/21 vom 28.10.2021

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